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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 14.1913

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Nr. 5
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Wenzel, Ernst: Burg Niederurf in Hessen
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https://doi.org/10.11588/diglit.32139#0104
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des srüher die Schwalmgegend beherrschenden Turmes von der Straße aus kaum zu bemerken.
Sie ist deshalb stets wenig beachtet worden, trotzdem ihre Grabenanlage und Einzelheiten der Burg
sast einzigartig dastehen.

Der von der Burg beherrschte Teil des Dorses und die Kirche heitzt die Freiheit, zu welcher ein Amts-
haus am Wasser der Arse, das sogenannte rote Häuslein vom Aahre 16O9mit einem Pranger, gehört. Die
v. Rrss besaßen ursprünglich nur die Hofgerichtsbarkeit über Burg und Gutshos. Erst Anfang des 16. Zahr-
hunderts erlangten sie die Rntergerichtsbarkeit über die Freiheit. Die Freiheit war besestigt, ein Dorftor

mit dem Pforthaus neben dem besestigten Kirchhos ist
noch in Nesten verhanden. Äber dem Tore war der
waldeckische achtspihige Stern auf einem Wappenschild
angebracht. Ein solcher Stern besindet sich auch am
Kirchturm über einem spätgotischen Fenster. DieKirch-
hossmauer trägt einen Wehrgang aus Steinplatten
hinter Schlüssellochscharten und tritt neben dem Kirch-
hofstor slankierend vor. Über demselben steigt der
Wehrgang stusenartig hinauf. Dorf- und Kirchhoss-
befestigung gehört dem 16. Aahrhundert an.

Die Burg ist im Grundriß viereckig und steht in-
mitten eines etwa 20 m breiten und 8—9 Meter tiesen
und sumpfigen Grabens, über welchen eine die alte
Zugbrücke ersehende steinerne Brücke sührt.

Der älteste Teil der Burg war der quadratische
Bergsried von 8,70 m Seitenlänge und 1,44m Mauer-
stärke. Über einem aus Platte und Schräge be-
stehenden Sockel war der aus Bruchsteinenbe stehende
Mauerkern mit großen Quadern verblendet. Cr ge-
hörte noch dem 12. Iahrhundert an und bestand aus
6 Stockwerken, hatte also eine bedeutende Höhe. Der
sogenannte Totenkeller, das alte Verlies unter dem
Turm ist verschüttet, wie auch der Turm in Trümmern
liegt. Die Steine hatte man schon srüher dazu benuht,
aus dem äußeren Grabenrand Scheuern und Ställe zu
erbauen. 2cach deren Abbruch wurden diese Steine
wiederum zum Bau der massiven Brücke über den
Graben verwendet. Man sieht an ihnen noch eine
Rosette und das Loch eines Sperriegels. Die Ver-
kröpfung am südlichen Sockel des Turmes läßt er-
kennen, daß sich hier ein Gebäude anlehnte, welches
zu gleicher Zeit errichtet war. Gleichsalls der ältesten Burg gehört der nordwestliche Teil des dem Turm
vorgelagerten sogen. langen Baus sowie die Ostmauer dieses Baus mit dem Nest des Spihbogentors an.
Die Kämpserplatte an dem Tor zeigt srühgotische Form. Über dem Tor war aus einer noch vorhandenen
Steinkonsole ein Erker aus Knaggen vorgekragt.

Die Ringmauer, welche dein langen Bau an einigen Stellen noch als Umsassungsmauer dient, hat wie
der Bergfried eine Mauerstärke von 1,44 m und zeigt an einigen Stellen, so neben dem Spitzbogentorrest,
Schießschlihe. Der westliche Teil des langen Baus war sedenfalls wie der Bergsried einWohnturm. Der
tonnengewölbte Keller mit einem kleinen Lichtschlitz hat sich noch erhalten.

Diese Burg, welche demnach aus 2 Wohntürmen und niedrigem südlichem Wirtschastsslügel bestand,
um welche sich die Ringmauer mit dem Tor herumzog bzw. an welche sie sich anschloß, wurde im Fahre 1490
in der Fehde des Ritters Philipp von Rrf gegen Frihlar jedenfalls stark in Mitleidenschast gezogen, denn
 
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