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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 14.1913

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Nr. 6
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Kühns, Kurt: Die Johanniterschlösser der Neumark
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https://doi.org/10.11588/diglit.32139#0116
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Oberstock liegt rechts der Kapitelsaal, in dem die Kommendatoren zum Kapitel zusammentreten, — die
Bildnisse der hohen Schützer, der Könige von Preußen, schmücken die Wände; in der Mitte aber öffnet
sich der riesige, durch zwei Geschosse gehende, über 19 in hohe Rittersaal, den ein flaches Tonnengewölbe
abschlieszt. Auch hier sind die Wände bis oben hinauf mit den Wappenschilden der Nitter bedeckt, nur durch-
brochen von den altersgedunkelten Bildnissen der Herrenmeister. Lange Tische mit hochlehnigem Gestühl
bilden die Einrichtung. Die Fenster blicken in den Park.

Für gewöhnlich liegt das Schloß still und verlassen mit geschlossenen Türen und zugezogenen Fenster-
vorhängen. Doch alle zwei Aahre, wenn das grotze Kapitel stattfindet, verbunden mit dem Schlag der
neuen Nitter, dann zieht Leben in das alte Ordenshaus. Die Räume beleben sich mit Herren in wallenden
Ordensmänteln, schwarzseidenen Rmhängen mit dem weitzen Aohanniterkreuz; Kopf an Kopf gefüllt
ist der Rittersaal, und von den Emporen schmettern die Fanfaren der Bläser. Dann öffnet sich das Portal,
und in feierlichem Zug geht es hinüber zur Kirche, wo die Geistlichkeit die Nitterschaft erwartet. Vor dem
Altar nimmt der Herrenmeister Aufstellung, jeder neu Aufzunehmende tritt vor ihn und empsängt kniend
den Schwertschlag.

Der Orden leitet sich von dem von Kaiser Karl dem Grotzen am heiligen Grabe gestifteten Hospiz
St. Aohannis Eleemons her; aus dieser Brüderschaft ging vermutlich der am 15. Februar 1115 vom Papst
Paschalis II. bestätigte Orden hervor. Der Grotzmeister Raymund von Puy gab 112O den Nittern die
Tracht und die Gesetze: Armut, Keuschheit, Gehorsam, Pflicht des Schutzes der Pilger und Kampf gegen
die Muselmänner. Es gab drei Klassen von Mitgliedern: Priester, Ritter und dienende Brüder. Der Orden
wuchs schnell und fand große Anhängerschaft im ganzen Abendland. Er teilte sich nach Landsmannschaften,
Zungen genannt, an deren Spitze einer der „Großkreuze", ein Grotzkommendator des Ordens stand. Die
Zunge zerfiel wieder in Grotzpriorate und Balleien, letztere in Kommenden oder Komtureien.

Der Fall Akkons am 18. Mai 1291 lietz den Orden seinen Besitz im heiligen Land verlieren. Er siedelte
nach Lypern über und eroberte 1ZO9 Rhodus. Am Aahre 1312 erhielt der Iohanniterorden die Güter des
aufgelösten Templerordens. Damit entstand die heutige Ballei Brandenburg.

Die Templer hatten, mindestens schon seit den Eroberungskriegen Albrecht des Bären, auf dem
Teltow, den Komtureihof Tempelhof mit Mariendorf, Marienfelde und Nichards- d. h. Nixdorf
besessen. Ferner die Komturei Lietzen im Kreis Lebus, unweit Müncheberg, mit zahlreichen Dörfern,
deren Namen z. T. noch heut auf den Templerorden hinweisen, wie Tempelberg, Neuentempel u. a.,
endlich jenseits der Oder die Komturei Zielenzig. Alle diese Güter übernahmen die Aohanniter gegen
eine Zahlung von 12OO Mark Silber an den Landesherrn, Markgraf Woldemar d. Gr. Sie errichteten
jetzt Zug um Zug im Sternberger Land einen festgefügten Ordensstaat, ja, sie erstrebten und erreichten
eine völlige Sonderstellung im Orden: im Vertrag von Heimbach vom Tag St. Barnabä — 11. Auni —
1382 erhielten die deutschen Ritter das Necht, datz dieHerrenmeister der Ballei von ihrenKommendatoren
selbst gewählt werden durften,- jene mußten vom Grotzprior ohne Einspruchsrecht bestätigt werden. Die
Schutzherrschaft über den Orden übten die Markgrafen von Brandenburg. Während die Güter auf dem
Teltow im Aahre 1435 von den Iohannitern an die Städte Berlin-Köln, doch unter Lehensoberhoheit des
Ordens, verkauft wurden, befestigte sich der Orden im Sternberger Land immer mehr. Seit 1427 war
Sonnenburg die Hauptstadt; hier war der Sitz der Ordensregierung, des Herrenmeisters, des Kanzlers
und seiner Räte und die Stelle des Gerichts. Sowohl die bürgerliche wie die „peinliche" Gerichtsbarkeit
stand dem Orden zu. Die Cinnahmen waren groß. Die Komturei Lagow brachte allein 2OO Schock
böhmische Groschen jährlich an barem Gelde, die Komturei Lietzen 1OO. Autzerordentlich waren die Er-
träge der Heiden, der Zehnten, usw. Trotzdem führte die Ballei nur 3O Schock Groschen jährlich als „Re-
sponsgeld" an das Großpriorat für Deutschland ab.

Das Neformationszeitalter fügte dem Orden nicht unbeträchtlichen Schaden zu. Vom Sultan Soli-
man wurde der Hauptorden aus Rhodus geworfen, er siedelte 153O nach Malta über; die ganze Ballet
Brandenburg aber riß sich mit Übertritt ihrer Schutzherren, der Landesfürsten, aus dem Verbande los
und wurde ein evangelischer Orden.
 
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