Greville.
23
Grammatik nicht immer verstand, so begriff er doch
ausserordentlich schnell den Sinn schwerer Stellen.
Eines Tages entstand eine Erörterung über die Mythe
des Argus. Der Vikar behauptete, dass beim Tode
des Argus Juno ihm die Augen ihres Lieblingsvogels
— des Pfaus — gegeben habe. Frangois erklärte im
Gegensatz, dass Juno dem Pfau die Augen des Argus
gegeben habe, und zeigte zum Beweis seiner Be-
hauptung auf den Schwanz des Vogels. Der freund-
liche Abbe lächelte über des kleinen Burschen Hart-
näckigkeit und meinte, die Frage müsste dem Pfarrer
von Greville vorgelegt werden; aber bei weiterem
Nachdenken kam er zu dem Schlüsse, dass Francois
recht habe, und liess den Gegenstand wohlweislich
fallen.
Er erwies seinem Schüler einen grösseren Dienst,
indem er ihn in den Virgil einführte, welchen er in
der alten Ausgabe des Abbe Desfontaine teils fran-
zösisch, teils lateinisch las. Die Bucolica und Georgica
waren für das Dorfkind eine Offenbarung. Sie öffneten
ihm die Augen für die Schönheit und Bedeutung von
hundert Dingen in der Natur und erweckten in ihm
das Verständnis für das Leben auf den Feldern, wie
er es vorher nicht gehabt. Von dieser Zeit an übte
Virgil einen ausserordentlich starken Einfluss auf sein
Leben aus — es waren Bücher, welche er neben die
Bibel stellte.
Einige Stellen erfüllten seine Phantasie mit be-
sonderer Gewalt, und bis zu seinem Tode hat er die
Bewegung nicht vergessen, welche ihn beim Lesen
folgender Worte erschütterte: »Majoresque cadunt altis
de montibus umbrae.« Selbst in diesem frühen Alter
waren die Eindrücke, deren Millet sich noch bewusst
war, alle von ernster Natur. Das Seufzen des Windes
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Grammatik nicht immer verstand, so begriff er doch
ausserordentlich schnell den Sinn schwerer Stellen.
Eines Tages entstand eine Erörterung über die Mythe
des Argus. Der Vikar behauptete, dass beim Tode
des Argus Juno ihm die Augen ihres Lieblingsvogels
— des Pfaus — gegeben habe. Frangois erklärte im
Gegensatz, dass Juno dem Pfau die Augen des Argus
gegeben habe, und zeigte zum Beweis seiner Be-
hauptung auf den Schwanz des Vogels. Der freund-
liche Abbe lächelte über des kleinen Burschen Hart-
näckigkeit und meinte, die Frage müsste dem Pfarrer
von Greville vorgelegt werden; aber bei weiterem
Nachdenken kam er zu dem Schlüsse, dass Francois
recht habe, und liess den Gegenstand wohlweislich
fallen.
Er erwies seinem Schüler einen grösseren Dienst,
indem er ihn in den Virgil einführte, welchen er in
der alten Ausgabe des Abbe Desfontaine teils fran-
zösisch, teils lateinisch las. Die Bucolica und Georgica
waren für das Dorfkind eine Offenbarung. Sie öffneten
ihm die Augen für die Schönheit und Bedeutung von
hundert Dingen in der Natur und erweckten in ihm
das Verständnis für das Leben auf den Feldern, wie
er es vorher nicht gehabt. Von dieser Zeit an übte
Virgil einen ausserordentlich starken Einfluss auf sein
Leben aus — es waren Bücher, welche er neben die
Bibel stellte.
Einige Stellen erfüllten seine Phantasie mit be-
sonderer Gewalt, und bis zu seinem Tode hat er die
Bewegung nicht vergessen, welche ihn beim Lesen
folgender Worte erschütterte: »Majoresque cadunt altis
de montibus umbrae.« Selbst in diesem frühen Alter
waren die Eindrücke, deren Millet sich noch bewusst
war, alle von ernster Natur. Das Seufzen des Windes