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Jean Francois Millet.
XX.
1874—1875.
Mr. Wyatt Eaton brachte diesen Sommer wieder
in Barbizon zu. Er wurde herzlich aufgenommen
und war beständig im Milletschen Haus. Der Maler
war ganz vertieft in seine Kompositionen von der
Legende der heiligen Genoveva, selbst auf dem Tisch-
tuch pflegte er mit der Hand unsichtbare Skizzen zu
zeichnen. Das Abendessen wurde im Garten ein-
genommen, und der Künstler amüsierte seine Kinder
und Enkel oft mit Skizzen, die er zu den Märchen,
welche er erzählte, zeichnete. Damals entstand eine
Reihe von Bildern zum Rotkäppchen und ebenso
zum kleinen Däumling. Der Menschenfresser war
mit offenem Munde dargestellt, bereit, kleine Mädchen
und Knaben zu verschlingen, während er auf einem
anderen Bild im Bett lag und le Petit Poucet ihm
flink die Stiefel auszieht.
Wenn es dunkel wurde, pflegte Millet Domino
zu spielen, da er bei Lampenlicht nicht mehr zu
zeichnen und zu lesen vermochte. Mr. Eaton spielte
oft mit ihm, und als dieser beständig verlor, amüsierte
sich Millet eines Abends damit, sein Bildnis auf einem
Grabstein mit seiner Namensunterschrift zu zeichnen.
Sie sassen meistens bis nach Mitternacht auf, be-
sonders, wenn mit dem letzten Omnibus von Melun
noch ein Familienglied aus Paris erwartet wurde.
Millet wurde in später Stunde immer lebhafter und
sprach in seiner gewohnten Art über die Beziehungen
der Kunst zur Natur. Eaton war, wie alle Bekannten
des Malers, überrascht von Millets knapper, aus-
erlesener Sprache und von seinem Bemühen, stets
Jean Francois Millet.
XX.
1874—1875.
Mr. Wyatt Eaton brachte diesen Sommer wieder
in Barbizon zu. Er wurde herzlich aufgenommen
und war beständig im Milletschen Haus. Der Maler
war ganz vertieft in seine Kompositionen von der
Legende der heiligen Genoveva, selbst auf dem Tisch-
tuch pflegte er mit der Hand unsichtbare Skizzen zu
zeichnen. Das Abendessen wurde im Garten ein-
genommen, und der Künstler amüsierte seine Kinder
und Enkel oft mit Skizzen, die er zu den Märchen,
welche er erzählte, zeichnete. Damals entstand eine
Reihe von Bildern zum Rotkäppchen und ebenso
zum kleinen Däumling. Der Menschenfresser war
mit offenem Munde dargestellt, bereit, kleine Mädchen
und Knaben zu verschlingen, während er auf einem
anderen Bild im Bett lag und le Petit Poucet ihm
flink die Stiefel auszieht.
Wenn es dunkel wurde, pflegte Millet Domino
zu spielen, da er bei Lampenlicht nicht mehr zu
zeichnen und zu lesen vermochte. Mr. Eaton spielte
oft mit ihm, und als dieser beständig verlor, amüsierte
sich Millet eines Abends damit, sein Bildnis auf einem
Grabstein mit seiner Namensunterschrift zu zeichnen.
Sie sassen meistens bis nach Mitternacht auf, be-
sonders, wenn mit dem letzten Omnibus von Melun
noch ein Familienglied aus Paris erwartet wurde.
Millet wurde in später Stunde immer lebhafter und
sprach in seiner gewohnten Art über die Beziehungen
der Kunst zur Natur. Eaton war, wie alle Bekannten
des Malers, überrascht von Millets knapper, aus-
erlesener Sprache und von seinem Bemühen, stets