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Jean Francois Millet.
III.
Millet selbst hat gesagt: »Der Künstler ist nicht
nach seinem Werk zu beurteilen, sondern nach dem
Standpunkt, den er einnimmt.« In seinen Augen war
die Bedeutung der Mittel nur gering, im Verhältnis
zu dem, was der Künstler ausdrücken will. In Oel
oder in Wasserfarben, in Pastell oder in Blei, seine
Absicht bleibt stets dieselbe. »Jeder sollte,« so äusserte
er einst zu Sensier, »einen Centralgedanken haben,
une pensee mere, den er mit der ganzen Kraft seiner
Seele ausdrückt und anderen einprägt.«
Dieses wiederholt er beständig, schriftlich und
mündlich, und in einem unveröffentlichtem Fragment
von seiner Hand — jetzt im British Museum — lesen
wir folgendes: »Ich bin oft Menschen begegnet, die
behauptet haben, ,Sie müssen doch wenigstens zu-
geben, dass es gewisse Gesetze der Komposition giebtC
Und mit einer wichtigen Miene glauben sie an die
Wahrheit ihrer Behauptung, weil sie in der That da-
von gelesen haben. Da ich aber meine, dass Kom-
position nur ein Mittel ist, um anderen möglichst klar
und zwingend unsere Gedanken mitzuteilen, und da
ich überzeugt bin, dass die Gedanken von selbst die
besten Ausdrucksmittel finden, —- so kann man sich
mein Erstaunen denken.«
. Seinen Abscheu vor konventionellen Methoden,
vor verstandesmässiger Ausführung, vor ornamentalem
Beiwerk auf Kosten des Hauptgedankens spricht er in
den folgenden Bemerkungen über Kunst, die er auf
Sensiers Wunsch niederschrieb, noch deutlicher aus:
Als Poussin sein Bild, »Die Mannasucher«, an
M. de Chartelon schickte, sagte er nicht: »Seht, welch
Jean Francois Millet.
III.
Millet selbst hat gesagt: »Der Künstler ist nicht
nach seinem Werk zu beurteilen, sondern nach dem
Standpunkt, den er einnimmt.« In seinen Augen war
die Bedeutung der Mittel nur gering, im Verhältnis
zu dem, was der Künstler ausdrücken will. In Oel
oder in Wasserfarben, in Pastell oder in Blei, seine
Absicht bleibt stets dieselbe. »Jeder sollte,« so äusserte
er einst zu Sensier, »einen Centralgedanken haben,
une pensee mere, den er mit der ganzen Kraft seiner
Seele ausdrückt und anderen einprägt.«
Dieses wiederholt er beständig, schriftlich und
mündlich, und in einem unveröffentlichtem Fragment
von seiner Hand — jetzt im British Museum — lesen
wir folgendes: »Ich bin oft Menschen begegnet, die
behauptet haben, ,Sie müssen doch wenigstens zu-
geben, dass es gewisse Gesetze der Komposition giebtC
Und mit einer wichtigen Miene glauben sie an die
Wahrheit ihrer Behauptung, weil sie in der That da-
von gelesen haben. Da ich aber meine, dass Kom-
position nur ein Mittel ist, um anderen möglichst klar
und zwingend unsere Gedanken mitzuteilen, und da
ich überzeugt bin, dass die Gedanken von selbst die
besten Ausdrucksmittel finden, —- so kann man sich
mein Erstaunen denken.«
. Seinen Abscheu vor konventionellen Methoden,
vor verstandesmässiger Ausführung, vor ornamentalem
Beiwerk auf Kosten des Hauptgedankens spricht er in
den folgenden Bemerkungen über Kunst, die er auf
Sensiers Wunsch niederschrieb, noch deutlicher aus:
Als Poussin sein Bild, »Die Mannasucher«, an
M. de Chartelon schickte, sagte er nicht: »Seht, welch