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Jean Francois Millet.
vialitäten des 18. Jahrhunderts wendete er sich freudig
zu den vollendeten Formen und der edlen Reinheit
klassischer Kunst, zur Diana im Louvre, der Venus
von Milo, dem Achill, der ihm das Ideal männlicher
Schönheit und Anmut war. An Poussin bewunderte
er die grossartige Komposition und Auffassung, Tizian,
Rubens, Rembrandt begeisterten ihn, von Giorgiones
Poesie liess er sich bezaubern, unter den Zeitgenossen
erkannte er nur Delacroix an, und in Michelangelo fand
er die vollendete Wiedergabe grossen Empfindens und
tiefer Auffassung, wie er sie sich nicht geträumt. In
ihm erkannte er sofort den Führer und Meister, den er
suchte, dessen Geist ihn bis an das Ende seiner Tage
umgab, — »Celui qui me hanta tonte ma vie.«
Millet kopierte diese Meister nicht, er lebte in
ihnen. Die ganzen Tage verbrachte er im Louvre.
Abends las er in der Bibliothek den Vasari und stu-
dierte die Zeichnungen von Lionardo und Dürer, von
Jean Cousin und Poussin. Vor allen Dingen suchte
er sich möglichst viele Kenntnisse über Michelangelo
zu verschaffen und beschäftigte sich eingehend mit
dem Leben des grossen Florentiners, dessen Werke
für ihn der erhabenste Ausdruck der Kunst blieben.
II.
Die Wahl eines Meisters wurde nun aber eine
Notwendigkeit, wenn der junge Student etwas lernen
wollte. Millet war sehr unschlüssig, da ihm die Namen
der führenden Pariser Meister unbekannt waren. Er
hatte nicht ein einziges Bild von Ingres gesehen,
nur Delaroche kannte er dem Namen nach, aber dessen
Jean Francois Millet.
vialitäten des 18. Jahrhunderts wendete er sich freudig
zu den vollendeten Formen und der edlen Reinheit
klassischer Kunst, zur Diana im Louvre, der Venus
von Milo, dem Achill, der ihm das Ideal männlicher
Schönheit und Anmut war. An Poussin bewunderte
er die grossartige Komposition und Auffassung, Tizian,
Rubens, Rembrandt begeisterten ihn, von Giorgiones
Poesie liess er sich bezaubern, unter den Zeitgenossen
erkannte er nur Delacroix an, und in Michelangelo fand
er die vollendete Wiedergabe grossen Empfindens und
tiefer Auffassung, wie er sie sich nicht geträumt. In
ihm erkannte er sofort den Führer und Meister, den er
suchte, dessen Geist ihn bis an das Ende seiner Tage
umgab, — »Celui qui me hanta tonte ma vie.«
Millet kopierte diese Meister nicht, er lebte in
ihnen. Die ganzen Tage verbrachte er im Louvre.
Abends las er in der Bibliothek den Vasari und stu-
dierte die Zeichnungen von Lionardo und Dürer, von
Jean Cousin und Poussin. Vor allen Dingen suchte
er sich möglichst viele Kenntnisse über Michelangelo
zu verschaffen und beschäftigte sich eingehend mit
dem Leben des grossen Florentiners, dessen Werke
für ihn der erhabenste Ausdruck der Kunst blieben.
II.
Die Wahl eines Meisters wurde nun aber eine
Notwendigkeit, wenn der junge Student etwas lernen
wollte. Millet war sehr unschlüssig, da ihm die Namen
der führenden Pariser Meister unbekannt waren. Er
hatte nicht ein einziges Bild von Ingres gesehen,
nur Delaroche kannte er dem Namen nach, aber dessen