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Paris.

95

V.
Zwischen allem Missgeschick, welches Millet im
Jahre 1848 zu erleiden hatte, begegnete ihm auch
ein grosses Glück. Der Minister des Innern, Mon-
sieur Ledru Rollin — durch Juanron, den neuen
Direktor des Louvre und treuen Beschützer aller
kämpfenden Künstler veranlasst —, hatte Millet, wie
wir gesehen haben, einen Auftrag vom Staat ver-
sprochen. Er hielt sein Wort, und als die Unruhen
des Sommers vorbei waren, erhielt Millet von der
Republik die Bestellung auf ein Bild, welches er nach
Belieben malen konnte. Die Wahl des Gegenstandes
war dem Maler überlassen, und von der versprochenen
Summe von 1800 Francs wurden ihm 700 voraus-
gezahlt. Die Bedingungen waren liberal, und in seiner
Freude über das Glück, machte sich Millet an eine
Leinwand von einer Grösse, die dem Preise ent-
sprach, wie er sagte. Seine Freunde machten ihm
Vorwürfe, dass er die Arbeit in so grossem Massstab
begann, sie meinten, dass ein kleines Bild ebenso gut
den Anforderungen entspräche. Aber Millet blieb bei
seinem Entschluss und begann eine grosse Darstellung
von Hagar und Ismael in der Wüste — eine An-
spielung auf sein eigenes Schicksal in der Sahara der
Grossstadt, wie sein Biograph bemerkt. Die Figuren
waren über Lebensgrösse; Hagar liegt auf dem Sande,
ihre nackten Glieder sind durch die Sonne wie Bronze
gefärbt, sie drückt ihr ohnmächtiges Kind an sich und
blickt in leidenschaftlicher Liebe und Schmerz in sein
Antlitz. Millet hatte sein ganzes Können an die Mo-
dellierung von Hagars Formen gesetzt und beabsichtigte
eine grossartige Studie des Nackten aus dem Ganzen
 
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