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Jean Francois Millet.
zeichnis aller in Amerika befindlicher Millets heraus,
aber seitdem haben die Bilder vielfach den Besitzer
gewechselt.
II.
Noch ist es zu früh, um den Platz zu bestimmen,
den Millet in der Kunstgeschichte einnehmen wird,
aber gerade die Langsamkeit, mit welcher sein Ruhm
stieg, ist eine Bürgschaft für die Dauer desselben. Wie
gross auch der Wechsel der öffentlichen Meinung in
den kommenden Jahren sein mag, eins ist sicher: da-
durch, dass Millet seine Bauern malte, wie er sie sah,
ohne jegliche Verschönerung und Idealisierung, hat er
einen neuen Weg betreten und der modernen Kunst-
geschichte ein neues Lebensprinzip verliehen.
Anderen war es vorbehalten, dieses Prinzip weiter
auszubauen, aber er war der erste, der dieses Gesetz
aufstellte und durch dasselbe allen künftigen Fortschritt
anbahnte. Die Wahrheit ist Schönheit — le beau c’est
le vrai. Das war sein Glaubensbekenntnis, von dem
er nie abwich, zu dem er sich bekannt hat in seiner
Kunst, wie in seinen Briefen, für welches er lebte und
starb. Dieser Ruhm kann ihm nie genommen werden.
Betrachten wir aber seine thatsächlichen Leistungen,
so müssen wir deren Grenzen bekennen. Seine künst-
lerische Auffassung steht auf höchster Höhe, Kom-
position und Stil sind bewunderungswürdig, aber die
Ausführung ist sehr ungleich. Das betrifft haupt-
sächlich seine Oelmalerei, deren Technik ausserordent-
lich altmodisch ist. Als Kolorist würde Millet keinen
hohen Rang einnehmen, helle Töne, lebhafte Farben
waren nicht nach seinem Sinn. Er sah nicht die
Jean Francois Millet.
zeichnis aller in Amerika befindlicher Millets heraus,
aber seitdem haben die Bilder vielfach den Besitzer
gewechselt.
II.
Noch ist es zu früh, um den Platz zu bestimmen,
den Millet in der Kunstgeschichte einnehmen wird,
aber gerade die Langsamkeit, mit welcher sein Ruhm
stieg, ist eine Bürgschaft für die Dauer desselben. Wie
gross auch der Wechsel der öffentlichen Meinung in
den kommenden Jahren sein mag, eins ist sicher: da-
durch, dass Millet seine Bauern malte, wie er sie sah,
ohne jegliche Verschönerung und Idealisierung, hat er
einen neuen Weg betreten und der modernen Kunst-
geschichte ein neues Lebensprinzip verliehen.
Anderen war es vorbehalten, dieses Prinzip weiter
auszubauen, aber er war der erste, der dieses Gesetz
aufstellte und durch dasselbe allen künftigen Fortschritt
anbahnte. Die Wahrheit ist Schönheit — le beau c’est
le vrai. Das war sein Glaubensbekenntnis, von dem
er nie abwich, zu dem er sich bekannt hat in seiner
Kunst, wie in seinen Briefen, für welches er lebte und
starb. Dieser Ruhm kann ihm nie genommen werden.
Betrachten wir aber seine thatsächlichen Leistungen,
so müssen wir deren Grenzen bekennen. Seine künst-
lerische Auffassung steht auf höchster Höhe, Kom-
position und Stil sind bewunderungswürdig, aber die
Ausführung ist sehr ungleich. Das betrifft haupt-
sächlich seine Oelmalerei, deren Technik ausserordent-
lich altmodisch ist. Als Kolorist würde Millet keinen
hohen Rang einnehmen, helle Töne, lebhafte Farben
waren nicht nach seinem Sinn. Er sah nicht die