Paris,
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Bilder zogen ihn nicht an. Aber schliesslich musste
er doch zu einem Entschluss kommen, er schreibt
darüber: »Ich hatte grosse Furcht vor diesem unbe-
kannten Lehrer und schob den unangenehmen Tag
so weit wie möglich hinaus. Aber eines Morgens
stand ich mit dem Entschluss auf, alles zu wagen.
Ich erhielt Zutritt zu dem Atelier von Paul Delaroche,
der allgemein für den ersten der lebenden Künstler
galt. Mit Schaudern betrat ich sein Atelier, — diese
Welt war mir so neu. Aber mit der Zeit gewöhnte
ich mich daran, und schliesslich fühlte ich mich dort
gar nicht so unglücklich, da ich einige freundliche
Seelen fand; der Ton und die Umgangssprache waren
jedoch für mein Ohr ein fader und unverständlicher
Jargon. Die berühmten Wortspiele aus Delaroches
Atelier wurden eine Leidenschaft der Studentenwelt;
alles wurde dort diskutiert, auch Politik. Nach und
nach fasste ich Fuss und hatte nicht mehr so viel
Heimweh.«
Wenn Millet sich über die jungen Leute im
Atelier wunderte, so war er seinerseits den neuen
Kameraden auch nicht wenig rätselhaft. Sie wussten
nicht, was sie aus diesem seltsamen stillen Burschen
vom Lande machen sollten. Sie gaben ihm den
Beinamen »Jupiter in Holzschuhen« und »Wald-
mensch«. Er war schweigsam und schien ihre Stiche-
leien so wenig zu beachten wie des Lehrers Lob.
Nur einmal, als die Spötter mit rohem Scherz zu weit
gingen, ballte Millet die Fäuste, — von da an hatte
er Ruhe und Frieden. Ein oder zwei der Kameraden
befreundeten sich mit ihm, sonst aber wurde er für
ein exzentrisches Individuum gehalten, da er es wagte,
den Gesetzen der akademischen Kunst eine eigne
Meinung gegenüberzustellen und sich von der all-
J. Cartwright, Millet. 5
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Bilder zogen ihn nicht an. Aber schliesslich musste
er doch zu einem Entschluss kommen, er schreibt
darüber: »Ich hatte grosse Furcht vor diesem unbe-
kannten Lehrer und schob den unangenehmen Tag
so weit wie möglich hinaus. Aber eines Morgens
stand ich mit dem Entschluss auf, alles zu wagen.
Ich erhielt Zutritt zu dem Atelier von Paul Delaroche,
der allgemein für den ersten der lebenden Künstler
galt. Mit Schaudern betrat ich sein Atelier, — diese
Welt war mir so neu. Aber mit der Zeit gewöhnte
ich mich daran, und schliesslich fühlte ich mich dort
gar nicht so unglücklich, da ich einige freundliche
Seelen fand; der Ton und die Umgangssprache waren
jedoch für mein Ohr ein fader und unverständlicher
Jargon. Die berühmten Wortspiele aus Delaroches
Atelier wurden eine Leidenschaft der Studentenwelt;
alles wurde dort diskutiert, auch Politik. Nach und
nach fasste ich Fuss und hatte nicht mehr so viel
Heimweh.«
Wenn Millet sich über die jungen Leute im
Atelier wunderte, so war er seinerseits den neuen
Kameraden auch nicht wenig rätselhaft. Sie wussten
nicht, was sie aus diesem seltsamen stillen Burschen
vom Lande machen sollten. Sie gaben ihm den
Beinamen »Jupiter in Holzschuhen« und »Wald-
mensch«. Er war schweigsam und schien ihre Stiche-
leien so wenig zu beachten wie des Lehrers Lob.
Nur einmal, als die Spötter mit rohem Scherz zu weit
gingen, ballte Millet die Fäuste, — von da an hatte
er Ruhe und Frieden. Ein oder zwei der Kameraden
befreundeten sich mit ihm, sonst aber wurde er für
ein exzentrisches Individuum gehalten, da er es wagte,
den Gesetzen der akademischen Kunst eine eigne
Meinung gegenüberzustellen und sich von der all-
J. Cartwright, Millet. 5