REISEKELCH VON JOSEF WILM f
DER GOLD- UND SILBERSCHMIED JOSEF WILM f
Eine kurze Würdigung von OSCAR GEHRIG
A m 26. September 1924 verstarb zu Berlin urplötzlich der Gold- und Silberschmied Josef
Wilm, Lehrer an der Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums (jetzt Vereinigte
Hochschulen für freie und angewandte Künste, Charlottenburg). Der Tod dieses Mannes
hat weit über seinen Wirkungskreis und sein Heimatland Bayern, mit dem ihn noch
viele Fäden verbanden, hinaus Bestürzung hervorgerufen. Stellte Wilm bei Lebzeiten seine
Person auch weniger unmittelbar in den Vordergrund, vornehm hinter sein Werk zurück-
tretend, so erkannte man doch sofort, daß auf dem Gebiete der Handwerkskunst, profaner
wie kirchlicher Art, eine empfindliche Lücke entstehen mußte; denn Wilm war inzwischen
zu einem selbstverständlich wirkenden Sachwalter seines Faches, der Edelschmiedekunst,
geworden. Auf zahlreichen Ausstellungen, zuletzt noch auf der Ausstellung für religiöse
Kunst der Galerie Arnold in Dresden anläßlich der Akademikertagung 1924, respektierte
man seine Arbeiten; viele Werke von seiner nimmermüden Hand befinden sich in öffent-
lichem, noch mehr in privatem Besitz. Kein Fachmann und kein Verehrer der Goldschmiede-
kunst kann an der Individualität Wilms je mehr vorübergehen. Er war ein Vorkämpfer
auf seinen Schaffensgebieten, ein unablässiger Reformer, ohne jedoch ein Revolutionär zu
sein; denn er entwickelte seine köstlichen Formen auf der Grundlage solidester handwerk-
licher Bildung und reicher Kenntnis des gesamten, in Frage kommenden Stoffes organisch
weiter. Neben seinem rein künstlerischen Schaffen, von dessen Ausdehnung sich die
wenigsten auch nur einen Begriff bilden können, war er aus innerem Berufe seiner Lehr-
tätigkeit zugewandt an der oben genannten Anstalt, daneben früher in der Schulwerkstatt
der Berliner städtischen Goldschmiedeschule, beim Kaufmännischen Verein für weibliche
Angestellte, beim Oberseminar der Viktoria-Fach- und Fortbildungschule; zeitweise lei-
tete er praktisch-technologische Kurse für Schmuck und Gerät in allen Metallen bei Ver-
wendung von Edelsteinen. Rastlos tätig hat der Künstler eine unübersehbare Fülle von
Arbeiten hinterlassen, immer Neues formend und nicht darauf bedacht, das einmal Geformte
nun auch auszubeuten; vielmehr hörte sein unmittelbares Interesse an den Dingen mit
dem Augenblick der Vollendung und der Zuführung zu ihren Zwecken bereits auf. Gar
bei Schöpfungen, die allgemeiner Verwendung galten, wie auch bei manchen kirchlichen
Die christliche Kunst. XXIT. Oktober, r.
DER GOLD- UND SILBERSCHMIED JOSEF WILM f
Eine kurze Würdigung von OSCAR GEHRIG
A m 26. September 1924 verstarb zu Berlin urplötzlich der Gold- und Silberschmied Josef
Wilm, Lehrer an der Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums (jetzt Vereinigte
Hochschulen für freie und angewandte Künste, Charlottenburg). Der Tod dieses Mannes
hat weit über seinen Wirkungskreis und sein Heimatland Bayern, mit dem ihn noch
viele Fäden verbanden, hinaus Bestürzung hervorgerufen. Stellte Wilm bei Lebzeiten seine
Person auch weniger unmittelbar in den Vordergrund, vornehm hinter sein Werk zurück-
tretend, so erkannte man doch sofort, daß auf dem Gebiete der Handwerkskunst, profaner
wie kirchlicher Art, eine empfindliche Lücke entstehen mußte; denn Wilm war inzwischen
zu einem selbstverständlich wirkenden Sachwalter seines Faches, der Edelschmiedekunst,
geworden. Auf zahlreichen Ausstellungen, zuletzt noch auf der Ausstellung für religiöse
Kunst der Galerie Arnold in Dresden anläßlich der Akademikertagung 1924, respektierte
man seine Arbeiten; viele Werke von seiner nimmermüden Hand befinden sich in öffent-
lichem, noch mehr in privatem Besitz. Kein Fachmann und kein Verehrer der Goldschmiede-
kunst kann an der Individualität Wilms je mehr vorübergehen. Er war ein Vorkämpfer
auf seinen Schaffensgebieten, ein unablässiger Reformer, ohne jedoch ein Revolutionär zu
sein; denn er entwickelte seine köstlichen Formen auf der Grundlage solidester handwerk-
licher Bildung und reicher Kenntnis des gesamten, in Frage kommenden Stoffes organisch
weiter. Neben seinem rein künstlerischen Schaffen, von dessen Ausdehnung sich die
wenigsten auch nur einen Begriff bilden können, war er aus innerem Berufe seiner Lehr-
tätigkeit zugewandt an der oben genannten Anstalt, daneben früher in der Schulwerkstatt
der Berliner städtischen Goldschmiedeschule, beim Kaufmännischen Verein für weibliche
Angestellte, beim Oberseminar der Viktoria-Fach- und Fortbildungschule; zeitweise lei-
tete er praktisch-technologische Kurse für Schmuck und Gerät in allen Metallen bei Ver-
wendung von Edelsteinen. Rastlos tätig hat der Künstler eine unübersehbare Fülle von
Arbeiten hinterlassen, immer Neues formend und nicht darauf bedacht, das einmal Geformte
nun auch auszubeuten; vielmehr hörte sein unmittelbares Interesse an den Dingen mit
dem Augenblick der Vollendung und der Zuführung zu ihren Zwecken bereits auf. Gar
bei Schöpfungen, die allgemeiner Verwendung galten, wie auch bei manchen kirchlichen
Die christliche Kunst. XXIT. Oktober, r.