FERDINAND SEEBOECK: VIII. STATION: CHRISTUS UND DIE FRAUEN
KREUZWEG FÜR BISCHOF SCHREMBS IN CLEVELAND (OHIO)
FERDINAND SEEBOECK
Von CURT BAUER
T^erdinand Seeboeck ist heute 61 Jahre alt. Aber er blickt auf ein reiches Schaffen
zurück, ohne in seiner Tatkraft ermüdet zu sein. Der tiefe Idealismus, der sich seiner
Formensprache aufprägt, ist ungebrochen durch so manchen menschlichen Schmerz, so
manche Enttäuschung gegangen. Seine Kunst blieb jung in Alter und Not. Als er —
einer der ersten — nach dem Kriege wieder Rom aufsuchte, fand er sein Haus beschlag-
nahmt, sein Atelier verwüstet. Es gelang ihm jedoch in hartnäckigem Kampfe, sein ehe-
maliges Heim wieder zu gewinnen, sich unter schweren Opfern wohnlich darin ein-
zurichten. Damals klopfte die bitterste Not an seine Tür. Das ganze bei seiner Flucht
nach Deutschland gerettete Geld war durch die Inflation verlorengegangen. Noch wäh-
rend des Krieges hatte er einen Auftrag erhalten, für die Großlichterfelder Kirche
einen Kreuzweg in Bronze zu arbeiten. Schon waren drei Stationen in Gips fertig, da
mußte der Auftrag wegen Geldmangel zurückgezogen werden. Das war der Höhepunkt
der Not, die den Meister damals zum äußersten Darben brachte. Aber gerade in dieser
größten Not schickte die Vorsehung Hilfe. Die Überbringerin des Absagebriefes aus Groß-
lichterfelde machte in Rom die Bekanntschaft des Bischofs Schrembs aus Cleveland und
erzählte ihm vom Schicksal der Kreuzwegstationen. Er kam und fand daran soviel Ge-
fallen, daß er sie in Bronze für Amerika bestellte. Seeboeck war mit einem Schlag aus
aller Bedrängnis und konnte sich zwei Jahre lang ganz dieser Arbeit widmen.
Unter den wenigen Bildhauern deutscher Herkunft in Rom nahm Ferdinand Seeboeck
bereits vor dem Kriege die erste Stelle ein. Er war 1864 in Wien geboren worden und
schon mit 16 Jahren in die dortige Akademie eingetreten, wo er bald eine goldene Me-
daille für Studienarbeiten und zwei akademische Preise erhielt. Damals bereits fesselte
ihn die Antike, ihre klaren durchgeistigten Formen. Der von ihr ausgehende Anstoß hat
durch das ganze Lebenswerk des Künstlers nachgewirkt. Eine Vertiefung ins Psycho-
Die christliche Kunst, XXII. Juli. 10
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