SURSUM CORDA!
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und der Hauptmann in tiefster innerer Erregung, links die in Schmerz zusammen-
sinkende Maria Magdalena, Johannes trauernd, vor ihm hoch dastehend Maria, am
ergebensten, ruhigsten von allen Zeugen des Todes Christi, denn sie ist die starke,
wunderbare Gottesmutter. Im folgenden Bilde der Auferstehung Christi erscheint
in der Mitte der offene Sarg, in dem Christus geruht, rechts treten die drei Frauen
heran, die ihn noch im Grabe suchen, links bedeutet ihnen ein Engel, daß er auferstanden,
und vorn in der Mitte steht Christus mit der Siegesfahne und verklärt in glänzender
Mandorla, ■—- von niedergeworfenen, erschreckten Grabeshütern keine Spur. Mancher
Beschauer wünschte hier wohl etwas mehr Bewegung. Das letzte, zehnte Fresko stellt
Pfingsten, die Herabkunft des Heiligen Geistes dar, die Geburtsstunde der Kirche
Christi. In der Mitte sitzt Maria auf einem Throne, zu beiden Seiten knien die Apostel,
links am Rande stehen zwei hohe Israeliten, Zeugen des Wunders. Es ist wieder eine
stille Szene, die Bewegung ist in den Seelen: die Apostel schauen verklärt, verändert,
mutvoll, entschlossen aufwärts, denn durch die Flammen über ihren Häuptern sind sie
andere Männer geworden, groß, machtvoll in Wort und Tat. Der Aufgabe entsprechend,
die Maria, die Mutter Gottes, im Erlösungswerke und in der jungen Kirche Christi zu
erfüllen hatte, sitzt sie auf dem Throne in der Mitte der ersten Glaubenskünder Christi.
Die große Bilderfolge wird als eine größte Tat des Künstlers Fritz Kunz gepriesen
und findet als kirchlich-religiöse Kunst, als Zeit- und Volkskunst höchste An-
erkennung.
SURSUM CORDA!
Zu den sechs Radierungen von Bruno Zwiener- Breslau
Von PAUL HILDEBRAND
TA unst drängt zur Poesie. Der stärkste Ausdruck aber ist die innige Verschmelzung von
geistigem Inhalt und malerischer Form. EinZauberreich, wenn die menschliche Seele
sich ganz enthüllt und dem großen Geheimnis der Ewigkeit sich verbindet. So jubeln
es die Psalmen, die immer nur einen einzelnen Fall besingen, das Erdhafte überragen
und, vom poetischen Licht verklärt, zur göttlichen Unendlichkeit weisen.
*
. . * *
Jedes neue Zeitalter wird Außenwelt und Innenleben in neue Beziehung setzen. Für
die Übertragung der Psalmen in das Künstlerische bleibt nur das Himmelaufstrebende,
das Grandiose, jenes Suchen, das zeitliche Einheit nimmt und das Gegenständliche in
Licht und Höhe hinübergleiten läßt. Der große Ruf: »De profundis« fordert mehr
als poetische Stimmung. Seufzer tönen aus der Tiefe, und um Erbarmen fleht die Seele
mit gläubigem Hoffen. »Denn das Erbarmen ist bei dem Herrn, und viel Erlösung ist
bei ihm.« Wuchtig lastet Wort auf Wort, und zur dramatischen Darstellung wächst das
Gebet in den Augen des Künstlers. Ungekannt bleibt der Rufer und seine Stimme klingt
wie ein dumpfes Echo im weiten Wald. Die sinnliche Erscheinung verschwindet — was
als faßbare Wirklichkeit übrig bleibt, löst sich auf in dem großen Raum, durch den
das demutsvolle Rufen ins Unendliche zu klingen scheint.
Zur Wucht der Architektur gesellt sich die malerische Gegenwirkung von Hell und
Dunkel: Tu, 1 ux perennis, Unitas. Von irdischen Fesseln befreit, bar aller niederen
Triebe, gehst du in diesen Raum. Hier schließen sich bezwingende Allmacht, hellsehende
Weisheit und unergründliche Tiefe zusammen in dem Brennpunkt des ewigen Lichts,
und zuckend strahlt es nach allen Seiten. Innere Kraft, die sich dem Selbstleuchten
entspannt und zum dynamischen Faktor wird. In leichten Schwingungen wird es sichtbar
und zerteilt sich als feinwellige Linie.
*
Und dieses Licht findet in dem »Credo« elementaren Ausdruck. Knapp ist die Sprache,
schwer und unbehauen wie ein Block ohne glatte Flächen und doch mit starkem Schwung
und mit verzehrender Glut. Bewußt, entschieden wie der Glaube. Glänzend quillt es
aus dem Dunkel des Kreuzes, das die Mitte des Bildes hält und packt den Mönch und
läßt ihn das tiefe Bekenntnis der Seele rufen mit helloderndem Feuer. »Es soll mein
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und der Hauptmann in tiefster innerer Erregung, links die in Schmerz zusammen-
sinkende Maria Magdalena, Johannes trauernd, vor ihm hoch dastehend Maria, am
ergebensten, ruhigsten von allen Zeugen des Todes Christi, denn sie ist die starke,
wunderbare Gottesmutter. Im folgenden Bilde der Auferstehung Christi erscheint
in der Mitte der offene Sarg, in dem Christus geruht, rechts treten die drei Frauen
heran, die ihn noch im Grabe suchen, links bedeutet ihnen ein Engel, daß er auferstanden,
und vorn in der Mitte steht Christus mit der Siegesfahne und verklärt in glänzender
Mandorla, ■—- von niedergeworfenen, erschreckten Grabeshütern keine Spur. Mancher
Beschauer wünschte hier wohl etwas mehr Bewegung. Das letzte, zehnte Fresko stellt
Pfingsten, die Herabkunft des Heiligen Geistes dar, die Geburtsstunde der Kirche
Christi. In der Mitte sitzt Maria auf einem Throne, zu beiden Seiten knien die Apostel,
links am Rande stehen zwei hohe Israeliten, Zeugen des Wunders. Es ist wieder eine
stille Szene, die Bewegung ist in den Seelen: die Apostel schauen verklärt, verändert,
mutvoll, entschlossen aufwärts, denn durch die Flammen über ihren Häuptern sind sie
andere Männer geworden, groß, machtvoll in Wort und Tat. Der Aufgabe entsprechend,
die Maria, die Mutter Gottes, im Erlösungswerke und in der jungen Kirche Christi zu
erfüllen hatte, sitzt sie auf dem Throne in der Mitte der ersten Glaubenskünder Christi.
Die große Bilderfolge wird als eine größte Tat des Künstlers Fritz Kunz gepriesen
und findet als kirchlich-religiöse Kunst, als Zeit- und Volkskunst höchste An-
erkennung.
SURSUM CORDA!
Zu den sechs Radierungen von Bruno Zwiener- Breslau
Von PAUL HILDEBRAND
TA unst drängt zur Poesie. Der stärkste Ausdruck aber ist die innige Verschmelzung von
geistigem Inhalt und malerischer Form. EinZauberreich, wenn die menschliche Seele
sich ganz enthüllt und dem großen Geheimnis der Ewigkeit sich verbindet. So jubeln
es die Psalmen, die immer nur einen einzelnen Fall besingen, das Erdhafte überragen
und, vom poetischen Licht verklärt, zur göttlichen Unendlichkeit weisen.
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Jedes neue Zeitalter wird Außenwelt und Innenleben in neue Beziehung setzen. Für
die Übertragung der Psalmen in das Künstlerische bleibt nur das Himmelaufstrebende,
das Grandiose, jenes Suchen, das zeitliche Einheit nimmt und das Gegenständliche in
Licht und Höhe hinübergleiten läßt. Der große Ruf: »De profundis« fordert mehr
als poetische Stimmung. Seufzer tönen aus der Tiefe, und um Erbarmen fleht die Seele
mit gläubigem Hoffen. »Denn das Erbarmen ist bei dem Herrn, und viel Erlösung ist
bei ihm.« Wuchtig lastet Wort auf Wort, und zur dramatischen Darstellung wächst das
Gebet in den Augen des Künstlers. Ungekannt bleibt der Rufer und seine Stimme klingt
wie ein dumpfes Echo im weiten Wald. Die sinnliche Erscheinung verschwindet — was
als faßbare Wirklichkeit übrig bleibt, löst sich auf in dem großen Raum, durch den
das demutsvolle Rufen ins Unendliche zu klingen scheint.
Zur Wucht der Architektur gesellt sich die malerische Gegenwirkung von Hell und
Dunkel: Tu, 1 ux perennis, Unitas. Von irdischen Fesseln befreit, bar aller niederen
Triebe, gehst du in diesen Raum. Hier schließen sich bezwingende Allmacht, hellsehende
Weisheit und unergründliche Tiefe zusammen in dem Brennpunkt des ewigen Lichts,
und zuckend strahlt es nach allen Seiten. Innere Kraft, die sich dem Selbstleuchten
entspannt und zum dynamischen Faktor wird. In leichten Schwingungen wird es sichtbar
und zerteilt sich als feinwellige Linie.
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Und dieses Licht findet in dem »Credo« elementaren Ausdruck. Knapp ist die Sprache,
schwer und unbehauen wie ein Block ohne glatte Flächen und doch mit starkem Schwung
und mit verzehrender Glut. Bewußt, entschieden wie der Glaube. Glänzend quillt es
aus dem Dunkel des Kreuzes, das die Mitte des Bildes hält und packt den Mönch und
läßt ihn das tiefe Bekenntnis der Seele rufen mit helloderndem Feuer. »Es soll mein
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