RUNDSCHAU — AUSSTELLUNGEN
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fürstliche Würde aus. Er schreitet mit erho-
benen und geöffneten Armen hervor, als wolle
er sich und die Welt der Gnade und der
Gerechtigkeit Gottes anvertrauen. So lebt
er in der Erinnerung aller, die ihn kannten,
als ein heiliger Fürbitter im Himmel. Denn
gleich nach seinem Tode ist dieser Papst
vom Bewußtsein seiner zahllosen Verehrer
heilig gesprochen worden. Sein einfaches
Grab in den Vatikanischen Grotten bildet
heute das Ziel ganzer Pligerströme, die hier
fast in größerer Andacht als in der neben-
anbefindlichen Grabkapelle Petri zu ver-
harren pflegen.
Sucht also die Statue dem Charakterbilde
Pius X., wie es in dem Gedächtnis der Gläu-
bigen lebt, gerecht zu werden, so beziehen
sich die Reliefs der Bronzetür auf seine ein-
zelnen Handlungen. Sie feiern ihn als Be-
schützer der Kunst (Pius hat die Vatika-
nische Pinakothek reorganisiert), als Pro-
tektor der biblischen Studien (er ist der
Begründer des päpstlichen Bibelinstitutes),
als Neuordner des Kirchenrechtes, als Re-
formator der sakralen Musik und als Vater
der Waisen und Unglücklichen. Jede dieser
Handlungen, die das fruchtbare Pontifikat
Pius X. kennzeichnen, ist in einem beson-
deren Relief symbolisiert. Das linke Seiten-
relief sodann stellt einen Engel dar, der
Brot und Wein an drei Mädchen verteilt,
eine Anspielung auf Pius X. als den Papst
der Eucharistie, während das rechte Relief
die Huldigung der Weisen an den Glauben
darstellt: einer von vier Greisen läßt sein
aufgeschlagenes Buch in ekstatischer Ge-
bärde niedersinken vor dem mit sieben Sie-
geln verschlossenen Buche, das ihm der
Engel zeigt.
Gewiß darf man dem Monumente dieses
so verehrten und gefeierten Papstes seine
ASTORRI —DI FAUSTO: GRABDENKMAL PIUS X.
IN ST. PETER IN ROM
Schönheit in den Einzelheiten nicht absprechen, obwohl ihm in der Gesamtanlage mehr
Schlichtheit und Geschlossenheit zu wünschen wäre.
Rundschau
Ausstellungen
BERLINER AUSSTELLUNGEN
TAer Herbst und Winter 1925/26 brachten im Ber-
liner Kunstleben allerlei für die neue deutsche
Kunst Ersprießliches zutage. Die großen Veran-
staltungen hatten durchweg Niveau oder wenig-
stens Charakter; in mancher Sonderausstellung der
Privatgalerien wurden aber und werden noch
Dinge geboten, die einen fast noch nachhaltigeren
Eindruck hinterlassen.
Die Juryfreien unter Hermann Sandkuhls Lei-
tung eröffnen den Reigen. In der Scheidung von
»Gut und Böse« ging man dieses Jahr einen ordent-
lichen Schritt weiter; vielleicht vergeht doch bald
dem einen oder anderen, höchst unfruchtbaren
Aussteller die Lust. Die durchschnittliche Jury
des Hängens in der »Juryfreien« hat bei ihrer
angestrebten Gerechtigkeit mitunter zu vernich-
tenden Resultaten geführt; es gibt da eine »Schrek-
kenskammer«, wie wir sie höchstens noch in der
ersten »Juryfreien 1910« zu München erlebten.
Im übrigen aber sieht man einer solchen Veran-
staltung mit ziemlicher Spannung entgegen, weil
sich da die Kräfte unmittelbar, also ohne »Vor-
sortierung« auswirken. Man tut einen Blick in
so manche Werkstatt und hinter manches Schaf-
Die christliche Kunst. XXII. 6
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fürstliche Würde aus. Er schreitet mit erho-
benen und geöffneten Armen hervor, als wolle
er sich und die Welt der Gnade und der
Gerechtigkeit Gottes anvertrauen. So lebt
er in der Erinnerung aller, die ihn kannten,
als ein heiliger Fürbitter im Himmel. Denn
gleich nach seinem Tode ist dieser Papst
vom Bewußtsein seiner zahllosen Verehrer
heilig gesprochen worden. Sein einfaches
Grab in den Vatikanischen Grotten bildet
heute das Ziel ganzer Pligerströme, die hier
fast in größerer Andacht als in der neben-
anbefindlichen Grabkapelle Petri zu ver-
harren pflegen.
Sucht also die Statue dem Charakterbilde
Pius X., wie es in dem Gedächtnis der Gläu-
bigen lebt, gerecht zu werden, so beziehen
sich die Reliefs der Bronzetür auf seine ein-
zelnen Handlungen. Sie feiern ihn als Be-
schützer der Kunst (Pius hat die Vatika-
nische Pinakothek reorganisiert), als Pro-
tektor der biblischen Studien (er ist der
Begründer des päpstlichen Bibelinstitutes),
als Neuordner des Kirchenrechtes, als Re-
formator der sakralen Musik und als Vater
der Waisen und Unglücklichen. Jede dieser
Handlungen, die das fruchtbare Pontifikat
Pius X. kennzeichnen, ist in einem beson-
deren Relief symbolisiert. Das linke Seiten-
relief sodann stellt einen Engel dar, der
Brot und Wein an drei Mädchen verteilt,
eine Anspielung auf Pius X. als den Papst
der Eucharistie, während das rechte Relief
die Huldigung der Weisen an den Glauben
darstellt: einer von vier Greisen läßt sein
aufgeschlagenes Buch in ekstatischer Ge-
bärde niedersinken vor dem mit sieben Sie-
geln verschlossenen Buche, das ihm der
Engel zeigt.
Gewiß darf man dem Monumente dieses
so verehrten und gefeierten Papstes seine
ASTORRI —DI FAUSTO: GRABDENKMAL PIUS X.
IN ST. PETER IN ROM
Schönheit in den Einzelheiten nicht absprechen, obwohl ihm in der Gesamtanlage mehr
Schlichtheit und Geschlossenheit zu wünschen wäre.
Rundschau
Ausstellungen
BERLINER AUSSTELLUNGEN
TAer Herbst und Winter 1925/26 brachten im Ber-
liner Kunstleben allerlei für die neue deutsche
Kunst Ersprießliches zutage. Die großen Veran-
staltungen hatten durchweg Niveau oder wenig-
stens Charakter; in mancher Sonderausstellung der
Privatgalerien wurden aber und werden noch
Dinge geboten, die einen fast noch nachhaltigeren
Eindruck hinterlassen.
Die Juryfreien unter Hermann Sandkuhls Lei-
tung eröffnen den Reigen. In der Scheidung von
»Gut und Böse« ging man dieses Jahr einen ordent-
lichen Schritt weiter; vielleicht vergeht doch bald
dem einen oder anderen, höchst unfruchtbaren
Aussteller die Lust. Die durchschnittliche Jury
des Hängens in der »Juryfreien« hat bei ihrer
angestrebten Gerechtigkeit mitunter zu vernich-
tenden Resultaten geführt; es gibt da eine »Schrek-
kenskammer«, wie wir sie höchstens noch in der
ersten »Juryfreien 1910« zu München erlebten.
Im übrigen aber sieht man einer solchen Veran-
staltung mit ziemlicher Spannung entgegen, weil
sich da die Kräfte unmittelbar, also ohne »Vor-
sortierung« auswirken. Man tut einen Blick in
so manche Werkstatt und hinter manches Schaf-
Die christliche Kunst. XXII. 6
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