Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 22.1925/​1926

DOI Heft:
Nr. 8 (Mai 1926)
DOI Artikel:
Rundschau
Zitierlink:
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/christliche_kunst1925_1926/0277

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
RUNDSCHAU: DENKMALPFLEGE

239

Rundschau

Denkmalpflege
STAATSOPER UND ST. HEDWIGS-
KIRCHE IN BERLIN
Tn der Reichshauptstadt, die gegenwärtig von
einem architektonischen oder städtebaulichen
Wechselfieber befallen zu sein scheint, bereitet sich
mit dem geplanten Umbau des alten Knobelsdorff-
schen Staatsopernhauses Unter den Linden ein
neues Ereignis vor, auf das auch an dieser Stelle
mit aller Deutlichkeit hinzuweisen dringendste For-
derung ist. Gleich ob der hier mitgeteilte Plan
Wirklichkeit wird oder nicht, die bisherige Be-
handlung der Frage seitens der maßgebenden Stel-
len ist so, wie Max Osborn sie kürzlich treffend
bezeichnete: Man könnte melancholisch werden!
Ob des anderer Ziele wegen mangelnden städte-
baulichen Verständnisses und der Rücksichtslosig-
keit, mit der zu Werke gegangen wurde. Und nur
aus dieser
Einstellung
heraus konn-
te der Ver-
treter des
zuständigen
Hof bauamts
einer einmü-
tig protestie-
renden Pres-
seversamm-
lung Berliner
und deut-
scher Kunst-
referenten
auf alle Ein-
wände lako-
nisch erklä-
ren : »Der
Landtag hat
die Vorlage
genehmigt,
im übrigen
wird bereits
angefangen zu bauen!« — Wie zugegeben ist,
genügt der an sich würdige und repräsentative
friderizianische Opernbau seit längerem sowohl
den technischen Anforderungen, d. h. den hoch-
gespannten, wie auch im Bühnenhaus den heu-
tigen Sicherheitsvorschriften nicht mehr; eine
architektonische Verschandelung, wenn man so
sagen muß, ist aus dem erstgenannten Grunde
schon früher mit dem überhöhten Schnürbodenbau
eingetreten. Nun aber will man, um Letztes zu
beheben und weil das ehedem geplante neue Opern-
haus im Tiergarten durch die Zeitumstände illu-
sorisch geworden ist, angeblich wieder nur ein
Provisorium schaffen, indem man das alte Büh-
nenhaus auf seiner Ost- und Westseite um hohe
Anbauten von je sechs Metern Tiefe erweitert.
Dadurch würden nicht nur die technischen Schwie-
rigkeiten überwunden werden, sondern auch »die
Störungen vor der Hedwigskirche durch das Heran-
fahren der Kulissen von rückwärts, die man seit
Jahren hat dulden müssen«, beseitigt. Alle die
schwerwiegenden sozialen und technischen Gründe,
die so nach dem heutigen Stand und dem Betriebe
im alten Hause von der Behörde vorgebracht wer-

den und die Geheimrat Fürstenau soeben im »Zen-
tralblatt der Bauverwaltung« (Nr. 14, S. 167 ff.)
schriftlich niederlegt und an Plänen erläutert, seien
auch von uns anerkannt; ebenso glauben wir, daß
man sich in vieljähriger Arbeit um die beste Lösung
der an sich sehr schwierigen Frage bemüht hat,
die Geschichte der Planungen beweist das. Ebenso
verständlich wie notwendig ist der Standpunkt des
Ministeriums, das keinen Tag länger mehr die Ver-
antwortung für die Sicherheit der in der Oper
tätigen Künstler und des Betriebspersonals unter
den augenblicklichen Bedingungen übernehmen zu
dürfen glaubt. Wir gehen ferner bezüglich der in
der Tat begrüßenswerten Umgestaltung des Opern-
platzes als solchen mit der Hofbaubehörde kon-
form, und zwar auch mit ihren Vorschlägen der
Planierung, der Zuschüttung des Lindentunnels,
der sparsamen und auch St. Hedwig zuträglichen
Baumbepflanzung am Südrande und des Versatzes
des Kaiserin Augusta-Denkmals aus der Platz-
mitte an die Nordseite, jedenfalls in größere Stra-
ßennähe. Ja,
wir hoffen
und wün-
schen sogar
sehr, daß un-
abhängig
vom eigent-
lichenOpern-
Projekt diese
Platzumge-
staltung
durchge-
führt wird.
Berlin könn-
te damit viel
gewinnen;
denn die jet-
zige Ansicht
kommt einer
Negierung
des Platzes
gleich und
schafft auch
nicht die bei
alten Plätzen oder solchen in romanischen Län-
dern mit so viel natürlichem Takt erzielten, feinen
Wechselbeziehungen der Teile zum Ganzen und
untereinander, so daß wir da jeweils geradezu von
einer Raumdynamik reden können.
Wie steht es nun um das alte Opernhaus, die
St. Hedwigskirche und schließlich auch um den
neugestalteten Platz, wenn das Staatsprojekt fertig
sein wird? Da kommt das große Aber, das sicher-
lich auch vor dem Landtag, der sich (mit Aus-
nahme der Zentrumsfraktion) auf den tatsächlichen
Boden des gegenwärtigen Zustandes und Bedürf-
nisses gestellt hat, nicht genügend zur Sprache
kam, während es die bearbeitenden Behörden an-
scheinend gar nicht in Betracht gezogen haben.
Die ganze Problemstellung ist falsch, weil
man das alte, schon historische Opernhaus, das
vor nunmehr fast zwei Jahrhunderten für ganz
andere Bedingungen geschaffen wurde, heute nun
mit aller Gewalt (!) auf den modernen Betrieb mit
seiner um ein Vielfaches größeren Notwendigkeit
zuschneiden will, anstatt daß man an dieser Stelle
sich bemüht, den Betrieb aufs Haus zuzu-
schneiden. Dadurch müßten sich Mittel und
 
Annotationen