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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 22.1925/​1926

DOI Heft:
Nr. 8 (Mai 1926)
DOI Artikel:
Weissenhofer, Anselm: Die Ausstellung für christliche Kunst und Kunsthandwerk in der Wiener Secession 1925/26
Zitierlink:
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/christliche_kunst1925_1926/0253

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DIE AUSSTELLUNG FÜR CHRISTLICHE KUNST UND KUNST-
HANDWERK IN DER WIENER SECESSION 1925/26
Von P. Dr. ANSELM WEISSENHOFER O. S. B.
Dozent für kirchliche Kunst an der Wiener Universität
'Vwei Faktoren waren vor allem bestimmend für das Zustandekommen und die Art der
tatsächlichen Durchführung dieser hochbedeutsamen Veranstaltung auf dem Gebiete
der religiösen Kunst in Österreich, und zwar anregend, fördernd der erste, einschränkend,
erschwerend der andere.
Vielverheißend, geradezu nach einem derartigen Versuch verlangend war das allgemeine
Gehaben unserer gegenwärtigen künstlerischen Bestrebungen.
Jeder nur einigermaßen Eingeweihte ist sich heuzutage darüber klar, daß der Expres-
sionismus in seiner Reinkultur, der einige Jahrzehnte das Schaffen der führenden Kräfte
fast ausnahmslos und bedingungslos beherrschte, mit scharfem Knick vor kurzer Zeit
jämmerlich zusammengebrochen ist, ohne daß es ihm vergönnt gewesen wäre, die besonders
vom religiösen Standpunkt aus freudig begrüßten großen Hoffnungen auch nur irgendwie
erfüllt zu haben. Tiefer Blickenden konnte allerdings dieses sichtbare Versagen keine
allzu schroffe Enttäuschung sein. Das Credo an die Geistigkeit, das stolz zur Schau
getragene, überscharf betonte Meistern der Dinge von innen heraus hatte seine prachtvoll
geschlossene Einheit nur so lange wahren können, als es daran ging, das gegensätzliche,
auf reinen Eindruck gestellte Kunstschaffen niederzuringen, war aber außerstande, das
eroberte Terrain auch zu bebauen. Die wieder freigewordenen Kräfte des Gefühlslebens
und der Transzendenz gerieten nur allzubald in den tollen Wirbel eines übersteigerten
Individualismus und Spiritualismus und mußten, losgelöst von einer philosophisch-religiös
gut fundierten, einigenden Weltanschauung im pessimistischen Spuk unverständlicher
Symbolistik oder brünstiger Erotik enden. Die stille Erwartung, daß die gesund-religiöse,
im besonderen die kirchliche Kunst, die ja in ihrem Wesen immer nur Ausdruck des
Seelenlebens geben will, in dieser an sich wahlverwandten Bewegung nicht nur wertvolle
Schützenhilfe gegen den geistmordenden Materialismus der vorhergehenden Ära finden
könne, sondern auch positives Verständnis für ihr eigengesetzliches Bestreben, war damit
so gut wie vernichtet. Ein religiös tuendes Schaffen, das, Tradition verleugnend, Form
zersprengend, ein oft nicht allzu großes Ich auf einen Thron von phantastischen Dimensionen
setzt, ermangelt völlig der Elemente, aus denen heraus die Kunst fürs Heiligtum und
seine gläubige Gemeinde geboren wird.
Nun mehren sich aber von Jahr zu Jahr in steigendem Maße die Anzeichen einer ver-
nünftigen Selbstbesinnung und Selbstzucht gerade in den Hochburgen des Expressionismus
selbst. Ein Drängen nach Vereinfachung, Klärung, nach Ausschaltung des Absonderlichen
und Verstiegenen und. einseitig Abstrakten, ein neues Gefühl für schöne Linie, Sehnsucht
nach exakterer Durchführung und nicht zuletzt ein vorsichtiges Zurücktasten zu den
Quellen der Überlieferung, das alles ist so etwa die Signatur jener Gegenwartsströmung,
für deren Wesen eigentlich immer noch um einen vollbezeichnenden Namen gesucht wird.
Beide Extreme in dem ewigen Wechselverhältnis von Eigen-und Außenwelt haben sich
in einem, entwicklungsgeschichtlich besehen, notwendigen Aneinanderprallen zerschlagen;
in der geklärten Zusammenarbeit beider liegt der Weg für eine schönere Zukunft frei.
Es ist nun Ehrenpflicht der echt religiös orientierten Künstler, die so lange herbei-
gesehnte Gelegenheit, ideell und formell eingreifen zu können, nicht ungenützt zu lassen.
Mag sein, daß der Kreis der religiös sich Gebärdenden nun wiederum sich verringert,
weil mancher nunmehr zu schwach ist, die unter gegebenen Voraussetzungen allein mögliche
Konsequenz zu ziehen, die verlangt, vom Getändel mit rein subjektiv gestalteten, religiösen
Empfindeleien abzustehen und sich der großen, allgemein verständlichen Gebärdensprache
der liturgischen Kunst anzubequemen. Es ist einmal doch so; die Gegenwart ist wieder
auf der Pilgerfahrt nach den ewig gültigen Werten und großen Ideen des Christentums,

Die christliche Kunst. XXII. Mai. 8,

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