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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Editor]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 22.1925/​1926

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Nr. 10 (Juli 1926)
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Bücherschau
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RUNDSCHAU: AUSSTELLUNGEN 305
dann ganz abgesehen davon, sind Schlüssel und Hammer grundverschiedene Begriffe
und demzufolge ebenso gesonderte feststehende Symbole, die man in der Bildersprache
nicht nach Willkür vertauschen kann.
Äußerst interessant ist das Flachrelief im Bogenfeld der Pforte der Altstädter Kirche
in Pforzheim das byzantinische Schmuckformen aufweist. Trotzdem es begreiflicherweise
schwer fällt, eine richtige Lösung dieses kuriosen Bilderrätsels zustande zu bringen,
kann man immerhin behaupten, daß es am wahrscheinlichsten den Triumph des Christen-
tums über das Heidentum verherrlicht. In diesem Sinne sei auch der Versuch einer
Deutung gewagt. Die geometrische Figur in der Mitte des Bogenfeldes ist als ein
Kreuz mit einem Kreis zu erkennen, aus dem drei flammenartige Ausstrahlungen hinauf-
streben: das christliche Heilszeichen mit dem Hinweis auf das Dreieinigkeitsdogma.
Links wird ein Löwe, das böse Prinzip, von einem symbolischen Vogel (Taube oder
Huhn) verscheucht. Rechts vom Heilszeichen wird ein Kreuz, das Glaubenssymbol, von
einem Hahne (Wächter des Glaubens) bewacht. Neben dem Fuße des Hahnes ist schein-
bar wieder ein Heilszeichen oder die Erdkugel, die Welt. Das bizarr gestaltete Brust-
bild in der Mitte dürfte einen Heiden (oder Abgott) darstellen, neben dem der gekettete
Löwe, der besiegte Teufel, gefangen erscheint. Es ist zu bezweifeln, daß die beiden in
den Winkeln auffallenden Knotenfiguren als Zauberknoten (Jung, 245) zu deuten sind.
Wie bereits bemerkt, hat das Bogenfeld ausgesprochen altchristlich-byzantinische Kunst-
form, und diese Knotenfigur gehört zu den bekanntesten Zieraten dieser Stilrichtung, die
besonders im Adriagebiet, wo sich Römer, Griechen und Orientalen gegenseitig beein-
flußt haben, üppig geblüht hat. Mosaikreste und Architekturfragmente (z. B. in Parenzo,
Basilika S. Maria Formoso in Pola, Basilika B. V. delle Grazie in Grado, Ravenna usw.)
lassen leicht erkennen, daß dieses Motiv wohl in den meisten Fällen als figuraler Schmuck
aufzufassen ist.1) Ebenso ist es verfehlt, die Triquestrar, drei ineinander verschlungene
Kreise, immer auf die Unitas und Trinitas, oder den fünf- oder sechszackigen Stern im
Kreis (vgl. Abb. b. Jung, 223, 227) auf andere mystische Zeichen der Zahlensymbolik
zu beziehen, da alle diese Figuren in der altchristlich-byzantinischen Kunst ebenfalls
als Schmuckformen zu erkennen sind und auch in der romanischen Periode als Rand-
oder Füllungsmotive sehr oft benützt wurden.2) In der Archäologie ist es von großer
Wichtigkeit, die Ornamentik von einer beabsichtigten symbolischen Darstellung zu unter-
scheiden, um die Bilder richtig erklären und deuten zu können. Es gibt geometrische
und andere verschiedenartige Figuren, die stilgemäß oft als Schmuckformen aufzufassen
sind, selbst wenn sie einzeln symbolische Deutungen zulassen. Die Krone von Balkakra
(Abb. b. Jung, 232) ist ein herrliches Beispiel stilistischer Reinheit, und ihre räderartige
Randzierate dürften meines Erachtens mit dem Sonnenkult wohl nichts zu tun haben.
Neben dem Rade ist am Turm zu Hirsau eine menschliche Halbfigur mit gefalteten
Händen zu sehen, die auf das Rad blickt. Sie betet die Gottheit an.
Unsere Untersuchung hat ergeben, daß die Friesbilder am Turm zu Hirsau im christ-
lich-symbolischen Geiste zu deuten sind. Anders ist es auch nicht denkbar, wenn man
die Geschichte der Baumönche kennt, die zu den eifrigsten Glaubensaposteln gehörten
und in frommer, werktätiger Absicht für die christliche Heilslehre Kirchen erbaut haben,
die zu den bedeutendsten Kunstdenkmälern des Mittelalters gehören.

Rundschau

.Ausstellungen
DIE MÄRZAUSSTELLUNG DER »GALE-
RIE FÜR CHRISTLICHE KUNST«
TAer Charakter der Märzausstellung der »Galerie
für christliche Kunst« am Wittelsbacher Platz
wurde durch die Fastenzeit bestimmt. Es kommen
dort zwei Kreuzwege zur Vorführung; der eine

als zeichnerischer Entwurf von Wilhelm Pütz, der
andere fertig in Holz geschnitzt von Karl Baur.
Die Entwürfe von Pütz verraten den Zeichner
für Mosaik und Glasgemälde. Seine mit Kreide
leicht illuminierten Kohlezeichnungen sind flächen-
haft und auf einfachste Linie gesehen. Sie durch-
laufen apostrophiert die Passion als etwas allge-
mein Bekanntes. Intensiver wirken die IX. und
X. Station.
Der Kreuzweg Baurs, der für ein bayerisches

J) Vgl. Gerber, 59 usw., wo sehr anschauliche Abbildungen zu finden sind. — 2) Besonders die Stern-
bilder im Kreis findet man als Füllungszieraten an vielen romanischen Kirchen Österreichs.

Die christliche Kunst. XXII. 10.

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