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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 22.1925/​1926

DOI Heft:
Nr. 2 (November 1925)
DOI Artikel:
Hoffmann, Richard: Neues von der Asamkirche an der Sendlingerstrasse zu München
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https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/christliche_kunst1925_1926/0056

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NEUES VON DER ASAMKIRCHE ZU MÜNCHEN

der Widerschein all dieser Farben- und Formenpracht in den Spiegelteilchen, die in den
Ornamenten und Rosetten gleich geschliffenen großen Brillanten eingelassen sind, das
vornehme Polierweiß der in höchster Bewegung aufgegriffenen Figuren und Karyatiden,
und endlich alles überspannend das gewaltige Deckengemälde mit seinem überquellenden
Reichtum an Figuren, perspektivischen Architekturen, an Gruppenkompositionen, Apo-
theosen und in ferne Himmelsräume sich verlierende Gloriolen. Diese bezaubernde Frische
des ursprünglichen Eindrucks ist heute dahin. Die Länge der Zeit, Kerzenqualm und
Weihrauch, die Ausdünstung der Menschen im Laufe vieler Jahrzehnte, Mangel an
genügender Lüftung haben -—• wie dies ja das Los alles Irdischen ist — auch hier manches
ruinös gemacht, manche Schäden und Gebrechen angerichtet, manches an originellem Glanze
und ehemaligem Schimmer verwischt. Aber damit muß man eben rechnen. Dies ist es
auch nicht, was wir in heutigen Tagen im Raumbilde der Asamkirche beklagen. Haben
doch auch Barock- und Rokokokirchen in unserem bayerischen Vaterlande durch die Patina
der Jahrhunderte und durch das Alter an Bedeutung des Eindruckes und in bezug auf
ihre künstlerische Schönheit keineswegs verloren. Bedauerlich sind nur jene absichtlichen
Eingriffe von Menschenhand bei sogenannten »Restaurierungen«, wo sich jener delikate
Farbensinn, der dem asamitischen Spätbarock ganz besonders eigen ist, hinter mißver-
standenen und stilwidrigen Tönungen verflüchtigte. Die in sprudelndem Reichtum
schwelgende Formenwelt und ihr festliches Gepränge täuschen ja im allgemeinen darüber
hinweg, so daß man diese Beeinträchtigungen der originalen Raumschönheit weniger
empfindet.
Bei einem tieferen Blick ins einzelne regt sich jedoch da und dort der brennende
Wunsch, es möchte an Stelle nicht verstandener Behandlung vergangener Dezennien
das Verständnis der heutigen Zeit eine sachgemäße Pflege treten lassen. Um nur etwas
zu erwähnen: auf der Galerie nehmen wir wahr, daß die zu den Seiten der Pilaster sich
hinziehenden umrahmten Wandflächen Blumen und Pflanzendekorationen in der süßlichen
und schablonenhaften Art der Nachromantik zeigen und daß auch die Muster und
Brokatierungen der Vorhänge und Draperien durch spätere Behandlung ihren früheren
Farbenschmelz eingebüßt haben — Zutaten willkürlicher Art, dem barocken Geiste der
Asam fremd. Möge eine nicht zu ferne Zukunft hier nach dem Rechten sehen, die Schäden
beheben und mit verständnisvoller Liebe den ursprünglichen Reiz in seiner schier
unerschöpflichen Mannigfaltigkeit wecken!
Das 20. Jahrhundert brachte schon erfreuliche Ansätze. Ein in der Registratur des
Landesamtes für Denkmalpflege ruhender umfangreicher Akt bezeugt aus vielen Gut-
achten, wie die Sorge auf gute bauliche Instandsetzung der Kirche, auf Reparaturen
der Dachungen, der Fenster, Verglasungen, Lüftungsanlagen, aber auch auf das Innere,
auf das Deckenbild usf. sich bereits erstreckte. 1910 erfolgte unter der Leitung des oben
genannten Amtes die Restaurierung der Kirchenfassade. Hierbei kamen viele Über-
raschungen zutage, namentlich in den lebhaften Marmorierungen, womit die flott-
geschwungenen Gesimse, die Pilaster und deren Kapitelle in immer wieder wechselnden
Farbtönen behandelt waren. Auf Grund von unter der modernen Tünche sich vorfindenden
Spuren ist mit viel Verständnis nach Angaben von Professor Hans Haggenmiller damals
die alte Farbenpracht der Fassade neu erstanden.
1913 fand eine Entstaubung des Innernunter Aufwendung großer Vorsicht statt.
Weiterhin war im gleichen Jahre die Aufstellung des prächtigen Rokokotaber-
nakels, verfertigt von dem berühmten Münchner Bildhauer Ignaz Günther 1769,
auf dem Galeriealtare eine wichtige Akquisition für die Johann Nepomuks - Kirche.
Dieser Tabernakel stand lange Zeit, seiner kirchlichen Bestimmung entrissen, auf dem
Dachboden der Pfarrkirche zu Griesstätt am Inn. Die Asamkirche hatte bis etwa Mitte
des vorigen Jahrhunderts im ersten Stock über dem Hochaltar ein kostbares Altärchen
aus Ebenholz, mit Silber beschlagen. Dieses Kunstwerk kam dem Vernehmen nach seiner-
zeit nach St. Peter, wurde später von der Kirchenverwaltung an die Antiquitätenhandlung
Radspieler in München abgegeben und soll von dieser Firma an einen Antiquar Roth-
schild in Frankfurt a. M. verkauft worden sein. Als man sich später dieses großen
Verlustes der St.Johann Nepomuks-Kirche bewußt geworden, wurden eifrige Nachforschungen
nach dem herrlichen Werk angestellt, das der Kirche nach vorne erst den bekrönenden
Abschluß gab. Aber alle diese Nachforschungen waren vergeblich. Die Entfernung des
Tabernakels ist für die St. Johann Nepomuks-Kirche ein großer unersetzlicher Verlust.
 
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