208
IM STREITE DER ZEIT
weitere Künstler einzuladen. Eine wirklich große
Schau deutscher christlicher Kunst müßte wohl
schon organisatorisch ganz anders aufgebaut wer-
den, so daß in jedem Zentrum christlicher Kunst in
Deutschland ein kleiner Kreis Befähigter in längerer
Sicht die nötige Vorbereitung und Auswahl träfe.
In Rom war schließlich nur für eine Gruppe Raum,
sowie auch die profane deutsche Kunst in Rom nur
durch zwei Münchner Künstlerorganisationen ver-
treten war. Gerade den dankenswerten Anregungen
von Prof. Muth, daß die »D. G. f. ehr. K.« aus einer
nur vereinsmäßigen Enge herauskommen müsse,
will die neuere Entwicklung der »D. G. f. ehr. K.«
gerecht werden, weil sie von sich aus darangeht,
den wenigen Zentren christlicher Kunst soviel Frei-
heit einer eigenen Entwicklung zu verschaffen, daß
alle Bestrebungen zur Geltung kommen können. Ob
dieser neuen Stellungnahme die scharf trennende
Absicht Wittes gerecht wird, »daß es in Deutsch-
land . . . zwei Heerlager gibt, die, ohne sich zu be-
kämpfen in verderblichem Streite getrennt neben-
einanderher marschieren: »München mit der ,D. G.
f. ehr. K.‘ und das, was nicht auf Münchens Fah-
nen schwört, hauptsächlich der Norden« oder die
andere Meinung Wittes, »daß zwischen Nord und
Süd sich eine große Kluft auftut«, muß man wohl
füglich bezweifeln, um so mehr als hier von einer
der Wirklichkeit keineswegs entsprechenden Vor-
aussetzung ausgegangen wird. Weder ist München
der Hort einer Reaktion und eines verknöcherten
Traditionalismus, noch ist der Norden in seiner
ganzen Linie einheitlich für eine absolut radikale
Lösung. In München ist eine ganze Reihe von
mittleren und jüngeren Kräften fortschrittlicher
Richtung tätig, die seit über einem Jahr wissen,
daß sie auch innerhalb der »D. G. f. ehr. K.« zu Wort
kommen können und zu Worte gekommen sind. In
einem fast regelmäßigen Wechsel bringt die Mün-
chener »Galerie für christliche Kunst« Werke von
älteren wie jüngeren Künstlern und in der letzt-
jährigen Jury der »D. G. f. ehr. K.« haben gerade
Künstler, die häufig im Übereifer als reaktionär
verschrien werden, sich für fortschrittliche Werke
jüngerer eingesetzt. In dieser praktischen Zusam-
menarbeit hat sich in München die Möglichkeit er-
wiesen, daß viele persönliche Spitzen in der gegen-
seitigen Stellungnahme beseitigt werden können.
Andererseits ist auch nicht in Norddeutschland
oder auch nur in den Rheinlanden ein einheitliches
Wollen vorhanden. Von dortigen Künstlern wie
Kunstfreunden wissen wir durch mündliche wie
schriftliche Mitteilungen, daß dort die Meinungen
mindestens ebenso geteilt sind wie in Süddeutsch-
land, daß man dort die Problematik der heutigen
Lage ebenso stark empfindet, daß die gegenseitigen
Anfeindungen mindestens von derselben Schärfe
sind. Wenn nun behauptet wird, daß daran die
frühere Stellung der »D. G. f. ehr. K.« vor allem
deshalb schuld sei, weil sie ihre norddeutschen Mit-
glieder nicht richtig geführt und erzogen habe, so
ist darauf wohl zu erwidern, daß die norddeutschen
Mitglieder von anderen Bestrebungen in ihrer näch-
sten Umgebung doch auch genügend, sogar durch
Augenschein, Kenntnis hatten, daß aber gerade
diese Werke sie nicht zu einer andern Überzeugung
bringen konnten, der Grund ihrer Stellungnahme
demnach wo anders liegen muß.
Prof. Witte meint: »Unsere ganz Starken hätten
in Rom erscheinen müssen« . . . »In hundert Werk-
stätten arbeiten kämpfend unsere Besten am
Besten.« . . . »Es ist dringend notwendig, das . . . .
auch baldigst in einer umfassenden Ausstellung zu
zeigen.« Ich bewundere den Optimismus, der sich
in diesen Worten kundgibt, ich bewundere ihn um
so mehr, als Prof. Witte doch selbst weiß, wie wir
alle nach diesen »Besten« Ausschau halten, wie wir,
wenn wir einen von ihnen fast schon entdeckt zu
haben glauben, nur zu häufig in der nächsten Ar-
beit des eben Entdeckten finden, daß der Heros
der neuen Kunst doch nicht vorhanden ist. Die
Süddeutschen, denen es um die Sache, um die
deutsche christliche Sache zu tun ist, nicht um eine
Koterie, einen partikularistischen Ehrgeiz, werden
neidlos den Norddeutschen die Siegespalme reichen,
wenn diese eine umfassende Ausstellung der »ganz
Starken«, der »Besten« hinstellen werden, die aller-
dings nicht nur einen Konventikel von Kritikern,
die sich den Ball geschickt von einer Zeitung zur
andern zuwerfen, sondern all die, die guten Wil-
lens und geschulten Auges sind, überzeugt, daß
das Heil schon vorhanden ist, um das wir ringen
und streben. Herr Professor Witte, wir warten
auf diese Ausstellung und Sie sollen keinen ver-
ärgerten, sondern einen objektiven Kritiker dieser
Ausstellung an mir finden!
Nur noch eine Bemerkung zur »Römischen Aus-
stellung«. Professor Witte meint: »Wären die
Norddeutschen aufmarschiert, in Rom hätten sie
manchen Widerspruch vernommen. Nicht von
maßgebender Seite. In Rom will man Gutes, will
man deshalb auch Neues.« Und von eben dieser
deutschen Ausstellung, die Witte so gar nicht mo-
dern, so ganz traditionell findet, schreibt die »Arte
cristiana« XIII (1925), S. 306: »Qui abbandano
quelle sculture e quelle pitture avanguardiste ehe,
come ho gia detto, sono inconciliabile con harte
sacra.« (Hier überragen die überfortschrittlichen
Skulpturen und Gemälde, welche, wie gesagt, un-
vereinbar mit der christlichen Kunst sind.) Was
würden wohl die Italiener, die nicht nur in dieser
Zeitschrift, sondern auch nach mündlichen Nach-
richten, in unserer sicher gemäßigten Abteilung
schon manches bedenklich gefunden, gesagt haben,
wenn wir mit den radikalen deutschen Expres-
sionisten aufgetreten wären? Es muß dies sicher
kein Maßstab für uns sein, aber es soll beweisen,
daß auch hierin sich nicht die Meinung Professor
Wittes mit der Wirklichkeit deckt.
Der Verlag der Zeitschrift hat einem Teil der
Auflage des Heftes 5 einen Fragezettel beigelegt,
um die Meinung der Leser zu erfahren ȟber die
verschiedenen Kunstströmungen der gegenwärti-
gen Periode, unter ganz besonderer Berücksichti-
gung der von unserer Zeitschrift wiedergegebenen
Kunstwerke«. Es ist eine stattliche Anzahl von
Antworten eingelaufen von allen Ständen und
Lebensaltern, von Nord und Süd. Ablehnung, Zu-
stimmung und Vorbehalt halten sich fast völlig
die Wage. Das Seltsame bei den teilweise sehr
schroffen Ablehnungen scheint mir zu sein, daß
die Anhänger einer absolut konservativen, wenn
nicht reaktionären Richtung der Meinung sind, die
christliche Kunst müßte naturalistisch sein, wie
einer sogar mit dieser Formulierung fordert. Selt-
sam, Vertreter der spiritualistischsten Religion,
des katholischen Christentums, das zahllose supra-
naturalistische Geheimnisse in sich birgt, glauben,
daß dem Wesen dieser Religion eine rationalistisch-
naturalistische Kunstform entsprechen müsse, wäh-
rend die Zeiten der Katakomben, der Basilika, der
Romanik, Gotik und des Barock geradezu anti-
naturalistisch aus geistigen Gründen schaffen zu
sollen meinten! Lind ebenso beschämend, daß der-
artige Kritiker glauben, eine Zeitschrift für christ-
IM STREITE DER ZEIT
weitere Künstler einzuladen. Eine wirklich große
Schau deutscher christlicher Kunst müßte wohl
schon organisatorisch ganz anders aufgebaut wer-
den, so daß in jedem Zentrum christlicher Kunst in
Deutschland ein kleiner Kreis Befähigter in längerer
Sicht die nötige Vorbereitung und Auswahl träfe.
In Rom war schließlich nur für eine Gruppe Raum,
sowie auch die profane deutsche Kunst in Rom nur
durch zwei Münchner Künstlerorganisationen ver-
treten war. Gerade den dankenswerten Anregungen
von Prof. Muth, daß die »D. G. f. ehr. K.« aus einer
nur vereinsmäßigen Enge herauskommen müsse,
will die neuere Entwicklung der »D. G. f. ehr. K.«
gerecht werden, weil sie von sich aus darangeht,
den wenigen Zentren christlicher Kunst soviel Frei-
heit einer eigenen Entwicklung zu verschaffen, daß
alle Bestrebungen zur Geltung kommen können. Ob
dieser neuen Stellungnahme die scharf trennende
Absicht Wittes gerecht wird, »daß es in Deutsch-
land . . . zwei Heerlager gibt, die, ohne sich zu be-
kämpfen in verderblichem Streite getrennt neben-
einanderher marschieren: »München mit der ,D. G.
f. ehr. K.‘ und das, was nicht auf Münchens Fah-
nen schwört, hauptsächlich der Norden« oder die
andere Meinung Wittes, »daß zwischen Nord und
Süd sich eine große Kluft auftut«, muß man wohl
füglich bezweifeln, um so mehr als hier von einer
der Wirklichkeit keineswegs entsprechenden Vor-
aussetzung ausgegangen wird. Weder ist München
der Hort einer Reaktion und eines verknöcherten
Traditionalismus, noch ist der Norden in seiner
ganzen Linie einheitlich für eine absolut radikale
Lösung. In München ist eine ganze Reihe von
mittleren und jüngeren Kräften fortschrittlicher
Richtung tätig, die seit über einem Jahr wissen,
daß sie auch innerhalb der »D. G. f. ehr. K.« zu Wort
kommen können und zu Worte gekommen sind. In
einem fast regelmäßigen Wechsel bringt die Mün-
chener »Galerie für christliche Kunst« Werke von
älteren wie jüngeren Künstlern und in der letzt-
jährigen Jury der »D. G. f. ehr. K.« haben gerade
Künstler, die häufig im Übereifer als reaktionär
verschrien werden, sich für fortschrittliche Werke
jüngerer eingesetzt. In dieser praktischen Zusam-
menarbeit hat sich in München die Möglichkeit er-
wiesen, daß viele persönliche Spitzen in der gegen-
seitigen Stellungnahme beseitigt werden können.
Andererseits ist auch nicht in Norddeutschland
oder auch nur in den Rheinlanden ein einheitliches
Wollen vorhanden. Von dortigen Künstlern wie
Kunstfreunden wissen wir durch mündliche wie
schriftliche Mitteilungen, daß dort die Meinungen
mindestens ebenso geteilt sind wie in Süddeutsch-
land, daß man dort die Problematik der heutigen
Lage ebenso stark empfindet, daß die gegenseitigen
Anfeindungen mindestens von derselben Schärfe
sind. Wenn nun behauptet wird, daß daran die
frühere Stellung der »D. G. f. ehr. K.« vor allem
deshalb schuld sei, weil sie ihre norddeutschen Mit-
glieder nicht richtig geführt und erzogen habe, so
ist darauf wohl zu erwidern, daß die norddeutschen
Mitglieder von anderen Bestrebungen in ihrer näch-
sten Umgebung doch auch genügend, sogar durch
Augenschein, Kenntnis hatten, daß aber gerade
diese Werke sie nicht zu einer andern Überzeugung
bringen konnten, der Grund ihrer Stellungnahme
demnach wo anders liegen muß.
Prof. Witte meint: »Unsere ganz Starken hätten
in Rom erscheinen müssen« . . . »In hundert Werk-
stätten arbeiten kämpfend unsere Besten am
Besten.« . . . »Es ist dringend notwendig, das . . . .
auch baldigst in einer umfassenden Ausstellung zu
zeigen.« Ich bewundere den Optimismus, der sich
in diesen Worten kundgibt, ich bewundere ihn um
so mehr, als Prof. Witte doch selbst weiß, wie wir
alle nach diesen »Besten« Ausschau halten, wie wir,
wenn wir einen von ihnen fast schon entdeckt zu
haben glauben, nur zu häufig in der nächsten Ar-
beit des eben Entdeckten finden, daß der Heros
der neuen Kunst doch nicht vorhanden ist. Die
Süddeutschen, denen es um die Sache, um die
deutsche christliche Sache zu tun ist, nicht um eine
Koterie, einen partikularistischen Ehrgeiz, werden
neidlos den Norddeutschen die Siegespalme reichen,
wenn diese eine umfassende Ausstellung der »ganz
Starken«, der »Besten« hinstellen werden, die aller-
dings nicht nur einen Konventikel von Kritikern,
die sich den Ball geschickt von einer Zeitung zur
andern zuwerfen, sondern all die, die guten Wil-
lens und geschulten Auges sind, überzeugt, daß
das Heil schon vorhanden ist, um das wir ringen
und streben. Herr Professor Witte, wir warten
auf diese Ausstellung und Sie sollen keinen ver-
ärgerten, sondern einen objektiven Kritiker dieser
Ausstellung an mir finden!
Nur noch eine Bemerkung zur »Römischen Aus-
stellung«. Professor Witte meint: »Wären die
Norddeutschen aufmarschiert, in Rom hätten sie
manchen Widerspruch vernommen. Nicht von
maßgebender Seite. In Rom will man Gutes, will
man deshalb auch Neues.« Und von eben dieser
deutschen Ausstellung, die Witte so gar nicht mo-
dern, so ganz traditionell findet, schreibt die »Arte
cristiana« XIII (1925), S. 306: »Qui abbandano
quelle sculture e quelle pitture avanguardiste ehe,
come ho gia detto, sono inconciliabile con harte
sacra.« (Hier überragen die überfortschrittlichen
Skulpturen und Gemälde, welche, wie gesagt, un-
vereinbar mit der christlichen Kunst sind.) Was
würden wohl die Italiener, die nicht nur in dieser
Zeitschrift, sondern auch nach mündlichen Nach-
richten, in unserer sicher gemäßigten Abteilung
schon manches bedenklich gefunden, gesagt haben,
wenn wir mit den radikalen deutschen Expres-
sionisten aufgetreten wären? Es muß dies sicher
kein Maßstab für uns sein, aber es soll beweisen,
daß auch hierin sich nicht die Meinung Professor
Wittes mit der Wirklichkeit deckt.
Der Verlag der Zeitschrift hat einem Teil der
Auflage des Heftes 5 einen Fragezettel beigelegt,
um die Meinung der Leser zu erfahren ȟber die
verschiedenen Kunstströmungen der gegenwärti-
gen Periode, unter ganz besonderer Berücksichti-
gung der von unserer Zeitschrift wiedergegebenen
Kunstwerke«. Es ist eine stattliche Anzahl von
Antworten eingelaufen von allen Ständen und
Lebensaltern, von Nord und Süd. Ablehnung, Zu-
stimmung und Vorbehalt halten sich fast völlig
die Wage. Das Seltsame bei den teilweise sehr
schroffen Ablehnungen scheint mir zu sein, daß
die Anhänger einer absolut konservativen, wenn
nicht reaktionären Richtung der Meinung sind, die
christliche Kunst müßte naturalistisch sein, wie
einer sogar mit dieser Formulierung fordert. Selt-
sam, Vertreter der spiritualistischsten Religion,
des katholischen Christentums, das zahllose supra-
naturalistische Geheimnisse in sich birgt, glauben,
daß dem Wesen dieser Religion eine rationalistisch-
naturalistische Kunstform entsprechen müsse, wäh-
rend die Zeiten der Katakomben, der Basilika, der
Romanik, Gotik und des Barock geradezu anti-
naturalistisch aus geistigen Gründen schaffen zu
sollen meinten! Lind ebenso beschämend, daß der-
artige Kritiker glauben, eine Zeitschrift für christ-