ÜBER DIE KÜNSTLERISCHE ARBEITSWEISE DES 18. JAHRHUNDERTS 289
Persönlichkeiten des Mainzer Kurfürsten Lothar Franz von Schönborn, der zugleich Bam-
berger Fürstbischof war und des Reichsvizekanzlers Friedrich Karl von Schönborn, nach-
maligen Fürstbischofs von Bamberg und Würzburg, realisiert. Im Besitze einer ausge-
zeichneten Bildung, die an bedeutenden Hochschulen erworben und durch große Reisen
in Europa vervollständigt wurde, selbst Künstler durch und durch, waren diese beiden
einem Bauenthusiasmus ergeben, der schon ans Dämonische grenzt. Ihnen standen für
ihre Bauabsichten vorzügliche Architekten wie der zu Kronach geborene Maximilian von
Welsch, der Wiener Lukas von Hildebrandt und die aus Prag gekommenen Johann Leon-
hard und Johann Dinzenhofer zur Verfügung und die Freundschaft, die sie mit bedeu-
tenden französischen und italienischen Architekten unterhielten, ist ihrer ungeheuren Bau-
tätigkeit oft von Nutzen geworden. Prüft man aber das in Fülle aus dieser Zeit vorhandene
Bauaktenmaterial, so zeigt sich gar bald, daß neben den genannten Architekten eine be-
sondere Kategorie von Architekten im Schönbornschen Bauwesen tätig gewesen ist. Sie
rekrutierte sich aus dem Adel und hatte eine französische Architekturschulung hinter sich.
Denn während die aus der bürgerlichen Atmosphäre kommenden Architekten, wie Johann
Christein, Maximilian von Welsch und Johann Dinzenhofer, in ihren Lehr- und Wander-
jahren nach Italien gezogen waren und von der römischen Architektur und besonders
von der großartigen, für die deutsche Kunstentwicklung äußerst wertvoll gewesenen Raum-
kultur Oberitaliens entscheidende Eindrücke empfangen hatten, waren die baustudieren-
den Adelssöhne nach Frankreich an den Hof des Sonnenkönigs gezogen. Zunächst mag
wohl den Antrieb dazu ein pädagogisches Zweckbewußtsein gegeben haben: Um der Selbst-
formung willen suchten die jungen Adeligen damals Frankreich auf, weil sie sich dort
jenen Schliff und jene Politur des Umgangs, jenen vollendeten Gebrauch der französi-
schen Sprache erwerben wollten, die damals das Entzücken und den Gegenstand der
Nacheiferung der europäischen Hofwelt bildeten. Aber da Kunstübung und Pflege als
ein Haupterfordernis in die Kavaliererziehung eingegangen war und die jungen Adeligen
wohl Neigung zur Kunst in sich verspürten, so warfen sie sich auf das Studium der
Architektur und trieben es um so leidenschaftlicher, als die damals allgemein gewordene
Baubegeisterung die vorteilhaftesten Chancen eröffnete. Für die Bauinteressen der Adeligen
bot sich aber gerade im Frankreich Ludwig des XIV., das trotz der vielen Kriege eine
unglaublich intensive Bautätigkeit entfaltete und zur Lösung ihrer Aufgaben eine Reihe
ganz ungewöhnlich tüchtiger Architekten hervorgebracht hatte, alle Gelegenheit und es
sollte sogar ihr Aufenthalt in Paris nicht ohne Einfluß auf die süddeutsche Bauentwick-
lung bleiben. Denn als sie ihre Studien vollendet hatten, nach Deutschland heimgekehrt
und in die Dienste absolutistischer Fürsten eingetreten waren, da wurden sie, da die Fürsten
sie gar bald zu ihren Bauunternehmungen heranzogen, vermöge ihrer gesellschaftlichen
Stellung und ihrer Architekturbildung die Pioniere französischen Baugeschmackes, und in
die bisherige Orientiertheit der süddeutschen Architektur nach der italienisch-österreichi-
schen Kunst ward durch sie — in den fränkisch-rheinischen Ländern sind es vor allem
drei Brüderpaare gewesen, die beiden Freiherrn von Erthal, die Gebrüder von Ritter zu
Grünstein und die in ansbachischen Diensten tätigen von Zocha, ferner der bambergische
Oberstallmeister Hans Georg von Rotenhan — eine mit den Jahren immer mehr zuneh-
mende Hinneigung zum westlichen Klassizismus gebracht. Kommt ihnen so in der Ent-
wicklungsgeschichte des süddeutschen Barock eine besondere Rolle zu, so werden sie aber
auch für das kulturgeschichtliche Interesse wertvoll und bedeutsam. Denn indem sie in
vollendeter Weise den Hofkavalier und den Architekten in sich zu vereinigen wußten,
stellen sie sich als die Repräsentanten eines offenbar nur in absolutistisch gerichteten bau-
produktiven Zeiten möglich werdenden Gesellschaftstypus dar, für den man, um sein
Wesen wortbegrifflich zu fassen, die Bezeichnung »Kavalierarchitekt« gebrauchen möchte.
Es ist höchst auffällig, daß das Kavalierarchitektentum eigentlich so recht nur in den
fränkisch-rheinischen Ländern aufgekommen ist, während man z. B. in Bayern, das doch
auch damals eine gewaltige Baulust durchflammte, diese Erscheinung vergeblich sucht.
Aber vielleicht hängt das damit zusammen, daß die fränkische Barockkunst im Gegen-
satz zur bayerischen im tiefsten Grunde Hofkunst war und daher auch der Mitarbeit
der höfischen Kreise, die ja ein besonderes Verhältnis zu ihr haben mußten, nicht ent-
raten konnte.
Die christliche Kunst. XXII. 10.
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Persönlichkeiten des Mainzer Kurfürsten Lothar Franz von Schönborn, der zugleich Bam-
berger Fürstbischof war und des Reichsvizekanzlers Friedrich Karl von Schönborn, nach-
maligen Fürstbischofs von Bamberg und Würzburg, realisiert. Im Besitze einer ausge-
zeichneten Bildung, die an bedeutenden Hochschulen erworben und durch große Reisen
in Europa vervollständigt wurde, selbst Künstler durch und durch, waren diese beiden
einem Bauenthusiasmus ergeben, der schon ans Dämonische grenzt. Ihnen standen für
ihre Bauabsichten vorzügliche Architekten wie der zu Kronach geborene Maximilian von
Welsch, der Wiener Lukas von Hildebrandt und die aus Prag gekommenen Johann Leon-
hard und Johann Dinzenhofer zur Verfügung und die Freundschaft, die sie mit bedeu-
tenden französischen und italienischen Architekten unterhielten, ist ihrer ungeheuren Bau-
tätigkeit oft von Nutzen geworden. Prüft man aber das in Fülle aus dieser Zeit vorhandene
Bauaktenmaterial, so zeigt sich gar bald, daß neben den genannten Architekten eine be-
sondere Kategorie von Architekten im Schönbornschen Bauwesen tätig gewesen ist. Sie
rekrutierte sich aus dem Adel und hatte eine französische Architekturschulung hinter sich.
Denn während die aus der bürgerlichen Atmosphäre kommenden Architekten, wie Johann
Christein, Maximilian von Welsch und Johann Dinzenhofer, in ihren Lehr- und Wander-
jahren nach Italien gezogen waren und von der römischen Architektur und besonders
von der großartigen, für die deutsche Kunstentwicklung äußerst wertvoll gewesenen Raum-
kultur Oberitaliens entscheidende Eindrücke empfangen hatten, waren die baustudieren-
den Adelssöhne nach Frankreich an den Hof des Sonnenkönigs gezogen. Zunächst mag
wohl den Antrieb dazu ein pädagogisches Zweckbewußtsein gegeben haben: Um der Selbst-
formung willen suchten die jungen Adeligen damals Frankreich auf, weil sie sich dort
jenen Schliff und jene Politur des Umgangs, jenen vollendeten Gebrauch der französi-
schen Sprache erwerben wollten, die damals das Entzücken und den Gegenstand der
Nacheiferung der europäischen Hofwelt bildeten. Aber da Kunstübung und Pflege als
ein Haupterfordernis in die Kavaliererziehung eingegangen war und die jungen Adeligen
wohl Neigung zur Kunst in sich verspürten, so warfen sie sich auf das Studium der
Architektur und trieben es um so leidenschaftlicher, als die damals allgemein gewordene
Baubegeisterung die vorteilhaftesten Chancen eröffnete. Für die Bauinteressen der Adeligen
bot sich aber gerade im Frankreich Ludwig des XIV., das trotz der vielen Kriege eine
unglaublich intensive Bautätigkeit entfaltete und zur Lösung ihrer Aufgaben eine Reihe
ganz ungewöhnlich tüchtiger Architekten hervorgebracht hatte, alle Gelegenheit und es
sollte sogar ihr Aufenthalt in Paris nicht ohne Einfluß auf die süddeutsche Bauentwick-
lung bleiben. Denn als sie ihre Studien vollendet hatten, nach Deutschland heimgekehrt
und in die Dienste absolutistischer Fürsten eingetreten waren, da wurden sie, da die Fürsten
sie gar bald zu ihren Bauunternehmungen heranzogen, vermöge ihrer gesellschaftlichen
Stellung und ihrer Architekturbildung die Pioniere französischen Baugeschmackes, und in
die bisherige Orientiertheit der süddeutschen Architektur nach der italienisch-österreichi-
schen Kunst ward durch sie — in den fränkisch-rheinischen Ländern sind es vor allem
drei Brüderpaare gewesen, die beiden Freiherrn von Erthal, die Gebrüder von Ritter zu
Grünstein und die in ansbachischen Diensten tätigen von Zocha, ferner der bambergische
Oberstallmeister Hans Georg von Rotenhan — eine mit den Jahren immer mehr zuneh-
mende Hinneigung zum westlichen Klassizismus gebracht. Kommt ihnen so in der Ent-
wicklungsgeschichte des süddeutschen Barock eine besondere Rolle zu, so werden sie aber
auch für das kulturgeschichtliche Interesse wertvoll und bedeutsam. Denn indem sie in
vollendeter Weise den Hofkavalier und den Architekten in sich zu vereinigen wußten,
stellen sie sich als die Repräsentanten eines offenbar nur in absolutistisch gerichteten bau-
produktiven Zeiten möglich werdenden Gesellschaftstypus dar, für den man, um sein
Wesen wortbegrifflich zu fassen, die Bezeichnung »Kavalierarchitekt« gebrauchen möchte.
Es ist höchst auffällig, daß das Kavalierarchitektentum eigentlich so recht nur in den
fränkisch-rheinischen Ländern aufgekommen ist, während man z. B. in Bayern, das doch
auch damals eine gewaltige Baulust durchflammte, diese Erscheinung vergeblich sucht.
Aber vielleicht hängt das damit zusammen, daß die fränkische Barockkunst im Gegen-
satz zur bayerischen im tiefsten Grunde Hofkunst war und daher auch der Mitarbeit
der höfischen Kreise, die ja ein besonderes Verhältnis zu ihr haben mußten, nicht ent-
raten konnte.
Die christliche Kunst. XXII. 10.
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