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Scholz, Hartmut
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Mittelfranken und Nürnberg (extra muros): Text — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 10,1, Teil 1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.52869#0056

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KUNSTGESCHICHTLICHE EINLEITUNG

51

sches Merkmal der für Rothenburg tätigen Glasmaler ist ein stark
ausgeprägter skizzenhafter Zeichenstil, der den Männerköpfen
ein etwas verwildertes, fast mürrisches Temperament verleiht
(Textabb. 17, Abb. 340-349). Ähnlich lockere Kopf- und
Gewandzeichnung ist in Regensburg vor allem in den kleineren
Nebenfiguren zu beobachten, was sich freilich auch durch den
monumentaleren Stil des dortigen Fensters erklären läßt.
Ein werkstattmäßiger Zusammenhang, den Ulrich und Schüt-
zenmeier bereits für Augsburg und Rothenburg, Drexler und
Fritzsche schließlich für alle drei Verglasungen einschließlich
Regensburgs vertreten haben, ist - ungeachtet der regionalen und
zeitlichen Streuung sowie spezifischer Eigentümlichkeiten der
betreffenden Werke - nicht von der Hand zu weisen68 69. Dabei
dürften die vorhandenen formalen, technischen und motivischen
Übereinstimmungen - wie schon mehrfach vermutet wurde70 - in
erster Linie über die Bauhüttenkontakte und sporadische Filia-
tionen von Glasmalertrupps vermittelt worden sein, ohne daß der
letztgültige Sitz der Ateliers je zu bestimmen wäre. So dürften
gerade die für den Chorbau der Jakobskirche beobachteten Be-
züge zur Bettelordensarchitektur, namentlich zur Regensburger
Minoritenkirche, aber auch zu einer ganzen Reihe von Maßwerk-
formen der Langhauserweiterung am Augsburger Dom auf eben
den gleichen Hüttenverbindungen beruhen, die schließlich auch
die Vermittlung der Glasmalerateliers nach sich gezogen hat71. In
diesem Kontext ist schließlich auch erwähnenswert, daß die Bau-
maßnahmen am Langhaus des Augsburger Doms, speziell die
Neugestaltung der Seitenschiffe von 1331-1343, unter der Leitung
des Schwäbisch Gmünder Baumeisters Heinrich Parier standen,


Textabb. 17. Abendmahl (Ausschnitt). Rothenburg,
St. Jakob, Chor I, 8b. Nürnberg oder Regensburg, um 1350.

und somit die Frage nach der Herkunft der künstlerischen Kräfte eine zusätzliche interessante Wendung erhält72.
Ein weiteres wichtiges Vergleichsbeispiel bei der Konkretisierung der überregionalen Beziehungen ist das Weißen-
burger Antependium als älteste erhaltene Tafelmalerei im mittelfränkischen Raum (Textabb. 13E)73. Das mit einiger
Sicherheit als Altaraufsatz für den Hochaltar der 1327 geweihten reichsstädtischen Pfarrkirche St. Andreas geschaf-
fene breitformatige Tafelbild zeigt in vier gekuppelten Rundbogennischen auf gewirtelten Säulen acht Standfiguren
der am Ort verehrten Heiligen, deren Typenschatz mit den strengen, eingefallenen Gesichtern, den schmalen Augen-
schlitzen, dem langezogenen Schwung von Nasenrücken und Augenbrauen, den schmalen, herabgezogenen Lippen
und dem charakteristischen Bartansatz eine erstaunliche Nähe vor allem zum annähernd zeitgleichen Augsburger
Thron-Salomonis-Fenster offenbart (vgl. Textabb. 12-14). Rechnet man nicht mit einer eingesessenen Werkstatt in
Weißenburg selbst oder auch im benachbarten Eichstätt, dann kommt der gleiche größere Einzugsbereich von Augs-
burg, Nürnberg und Regensburg m Betracht, der schon im Fall der drei fraglichen Farbverglasungen angesprochen
war. Im Fall des Weißenburger Antependiums und seinen hochmodernen Italianismen hat Gardner durch den Hin-
weis auf die stilverwandte Skulptur des Hl. Petrus im Regensburger Dom eine mögliche Präferenz für die Donaustadt
angedeutet74. Für Nürnberger Provenienz zumindest des Rothenburger Fensters können dagegen formale Leitmotive

68 Fritzsche, CVMA Deutschland XIII,i, 1987, S. LXf. und 259—272,
Abb. 437-470; dies., 1992, S. 77h
69 Schützenmeier, 1983, S. 41-49; Drexler, 1988, S. 181; Fritzsche,
1992,5.77-91.
70 Schützenmeier, 1983, S. 49; Becksmann, DGM 1,1995, S. 118; ders,
i995,S. 256.

71 Ress, 1959, S. 119 bzw. 121.
72 Vgl. Creutzfeld, 1953, S. 123k
73 München, BNM, Inv. Nr. L 31/282; vgl. Stange, DMG I, 1936, S.
196k; zuletzt Julian Gardner, in: ZDVfKw 49/50, 1995/96, S. 77-88.
74 Gardner (wie Anm. 73), 1995/96, S. 88, Anm. 40; vgl. Suckale, 1993,
Abb. 70.
 
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