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MARKT ERLBACH • PFARRKIRCHE
Formen folgender Pinselführung die Lichter an Stirn, Brauen, Nasenrücken, Jochbein und Wangen herausgewischt
wurden. In den Gewändern spielen Halbtonmodellierung und Konturierung der Faltentäler, -Stege -Schläuche und
-Ösen auf subtilste Weise ineinander - derart, daß die schwungvollen trockenen Pinselzüge der ausgewischten Lichter
gleichermaßen über die wechselnd deckende oder lasierende Intensität des Konturs hinweggeführt werden und diese
in weich verlaufenden Hell-Dunkel-Übergängen mit dem Halbton zu ausgesprochen malerischer Wirkung verschlei-
fen. Ursprünglich vorhandene außenseitige Bemalung ist auf den stark verwitterten Oberflächen nicht mehr festzu-
stellen.
Das Sortiment mit überwiegend stark verwitterungsanfälligen, alkalihaltigen Hüttengläsern ist dagegen in beiden
Gruppen weitgehend identisch. Allenfalls das im Weltgerichtsfenster bevorzugt verwendete apfelgrüne Farbglas fehlt
in den beiden anderen Fenstern, was im Hinblick auf die ausführende Werkstatt eine Scheidung der Hände auch
innerhalb der ersten Gruppe nahelegen könnte. Das relativ kleinteilige Bleinetz folgt in allen Fenstern den Hauptkon-
turen der Komposition; auf komplizierte Glaszuschnitte wurde überall verzichtet.
Stil, Datierung: Die Markt Erlbacher Chorfenster sind seit Schmitz meist zutreffend als Erzeugnisse der »Nürn-
berger Schule« am Ausgang des 14. Jahrhunderts behandelt, doch nur selten - wie es die zuvor angesprochenen tech-
nischen Unterschiede in der Ausführung zwingend erfordern - auch in zwei verschiedene Stilgruppen unterteilt wor-
den (vgl. S. 283 f.)- Tatsächlich stehen die Reste der ehemaligen Chorschlußfenster mit der Kreuzigung (ehemals Chor I),
dem Weltgericht (nord II) und dem Annen-Marien-Zyklus (süd II), wie Kautzsch nachgewiesen hat, in ikonographi-
scher wie stilistischer Hinsicht jenen allgemein als nürnbergisch anerkannten Farbverglasungen im Chor von St. Mar-
tha in Nürnberg, in Großhabersdorf und in Creglingen nahe, die allesamt in relativ kurzer Zeit im gleichen, offenbar
recht personalstarken Werkstattkreis entstanden sein müssen (vgl. Fig. 172, Abb. 90-95)16. Schon zuvor hatten Giese
und Brückner/Haetge auch die kleinfigurigen Fenster im Chor der Marienkirche zu Mühlhausen/Thüringen bzw.
im Erfurter Domchor in ein näheres Verhältnis mit den fränkischen Beständen in St. Sebald, St. Martha und Markt
Erlbach gerückt, doch gerade der problematische Hinweis von Giese auf die Ostchorverglasung von St. Sebald,
genauer auf die »jüngere Sebalder Gruppe«17, der am ruinösen Zustand der Fenster ohnehin kaum nachzuprüfen ist,
konnte nicht ohne weiteres überzeugen18: So wurde zwischenzeitlich in den neueren Publikationen zu Erfurt von
Liselotte Mosch und Erhard Drachenberg sogar ein umgekehrtes Abhängigkeitsverhältnis zwischen Nürnberg und
Erfurt propagiert19. Die dabei vorausgesetzte Frühdatierung eines Großteils der Erfurter Fenster »um 1370/75« wird
inzwischen mit guten Gründen und weitgehend einvernehmlich abgelehnt, so daß einer festen Verankerung der in
Frage stehenden Stilsprache in der reichen Nürnberger Kunstproduktion des ausgehenden 14. Jahrhunderts nichts
entgegensteht20.
Während die erste Markt Erlbacher Gruppe (Weltgericht und Marienleben) mit ihrer summarischen, derben Figuren-
zeichnung zuallererst den stilistisch spätesten Fenstern der »kleinfigurigen Gruppe« in Erfurt - der Josephsgeschichte
(süd V), den Apostelmartyrien sowie den Legendenfenstern der Heiligen Katharina und Eustachius (nord IV-VI) -
samt den anzuschließenden Schulwerken in Mühlhausen, Creglingen und Großhabersdorf nahesteht und mit Sicher-
heit aus einer der hieran beteiligten Nürnberger Werkstätten stammt, weist die zweite Gruppe mit den virtuos
gezeichneten, besser erhaltenen Resten des Katharinenfensters in eine andere Richtung: auf die Werkstatt, die in
Nürnberg selbst nurmehr mit einem Fenster - dem Marthafenster im Langhaus von St. Martha (um 1398) - sowie dem
späten Scheibenfragment einer Himmelfahrt Christi von 1413 in Kraftshof (Abb. 176) greifbar ist, aus der jedoch die
16 Kautzsch, 1931. - In Creglingen sind nur die beiden Kreuzigungs-
fenster (süd II und nord V) und das Wappen Weinsberg (nord II) zu ver-
gleichen: vgl. Becksmann, CVMA Deutschland I, 2, 1986, S. 16-25,
Abb. 31-35, 39-42-
17 Giese, 1920, S. 119-123, datiert diese jüngere Sebalder Fenstergruppe
»um 1380«, die ältere, im Stil an die Chorfenster von St. Martha
anschließende Fenstergruppe, zum Teil gestützt auf bekannte Lebensda-
ten der fraglichen Stifter, in die Jahre »1365—1375«. Die später von Fren-
zel, 1954, S. 2-9, vertretene Datierung der Fenster in St. Sebald zwi-
schen »1379-1388« ist demgegenüber in keinem Fall zwingend
begründet. Vielmehr deutet einiges darauf hin, einen größeren Teil der
Farbverglasung der älteren Gruppe bereits in die 70er Jahre, also
unmittelbar nach Fertigstellung des Chorbaues 1372 bis zur ersten
Weihe 1379 anzusetzen; die zweite Gruppe dürfte schließlich bis zur
zweiten Weihe 1386 entstanden sein.
18 Brückner/Haetge, 1929, S. 223.
19 Mosch, 1952, S. uof., und Drachenberg, CVMA DDR 1,2, 1980,
S. 64; schließlich nochmals ders., 1990, S. 61-66.
20 Christa Richter, Rez. von CVMA DDR 1,2, in: Kunstwissenschaft-
liche Beiträge 15, Beilage zur Zs. Bildende Kunst 11, 1982, S. 13-16; vgl.
ebenso die Rez. von Gerhard Schmidt, in: ZfKg 51, 1988, S. 445-450.
MARKT ERLBACH • PFARRKIRCHE
Formen folgender Pinselführung die Lichter an Stirn, Brauen, Nasenrücken, Jochbein und Wangen herausgewischt
wurden. In den Gewändern spielen Halbtonmodellierung und Konturierung der Faltentäler, -Stege -Schläuche und
-Ösen auf subtilste Weise ineinander - derart, daß die schwungvollen trockenen Pinselzüge der ausgewischten Lichter
gleichermaßen über die wechselnd deckende oder lasierende Intensität des Konturs hinweggeführt werden und diese
in weich verlaufenden Hell-Dunkel-Übergängen mit dem Halbton zu ausgesprochen malerischer Wirkung verschlei-
fen. Ursprünglich vorhandene außenseitige Bemalung ist auf den stark verwitterten Oberflächen nicht mehr festzu-
stellen.
Das Sortiment mit überwiegend stark verwitterungsanfälligen, alkalihaltigen Hüttengläsern ist dagegen in beiden
Gruppen weitgehend identisch. Allenfalls das im Weltgerichtsfenster bevorzugt verwendete apfelgrüne Farbglas fehlt
in den beiden anderen Fenstern, was im Hinblick auf die ausführende Werkstatt eine Scheidung der Hände auch
innerhalb der ersten Gruppe nahelegen könnte. Das relativ kleinteilige Bleinetz folgt in allen Fenstern den Hauptkon-
turen der Komposition; auf komplizierte Glaszuschnitte wurde überall verzichtet.
Stil, Datierung: Die Markt Erlbacher Chorfenster sind seit Schmitz meist zutreffend als Erzeugnisse der »Nürn-
berger Schule« am Ausgang des 14. Jahrhunderts behandelt, doch nur selten - wie es die zuvor angesprochenen tech-
nischen Unterschiede in der Ausführung zwingend erfordern - auch in zwei verschiedene Stilgruppen unterteilt wor-
den (vgl. S. 283 f.)- Tatsächlich stehen die Reste der ehemaligen Chorschlußfenster mit der Kreuzigung (ehemals Chor I),
dem Weltgericht (nord II) und dem Annen-Marien-Zyklus (süd II), wie Kautzsch nachgewiesen hat, in ikonographi-
scher wie stilistischer Hinsicht jenen allgemein als nürnbergisch anerkannten Farbverglasungen im Chor von St. Mar-
tha in Nürnberg, in Großhabersdorf und in Creglingen nahe, die allesamt in relativ kurzer Zeit im gleichen, offenbar
recht personalstarken Werkstattkreis entstanden sein müssen (vgl. Fig. 172, Abb. 90-95)16. Schon zuvor hatten Giese
und Brückner/Haetge auch die kleinfigurigen Fenster im Chor der Marienkirche zu Mühlhausen/Thüringen bzw.
im Erfurter Domchor in ein näheres Verhältnis mit den fränkischen Beständen in St. Sebald, St. Martha und Markt
Erlbach gerückt, doch gerade der problematische Hinweis von Giese auf die Ostchorverglasung von St. Sebald,
genauer auf die »jüngere Sebalder Gruppe«17, der am ruinösen Zustand der Fenster ohnehin kaum nachzuprüfen ist,
konnte nicht ohne weiteres überzeugen18: So wurde zwischenzeitlich in den neueren Publikationen zu Erfurt von
Liselotte Mosch und Erhard Drachenberg sogar ein umgekehrtes Abhängigkeitsverhältnis zwischen Nürnberg und
Erfurt propagiert19. Die dabei vorausgesetzte Frühdatierung eines Großteils der Erfurter Fenster »um 1370/75« wird
inzwischen mit guten Gründen und weitgehend einvernehmlich abgelehnt, so daß einer festen Verankerung der in
Frage stehenden Stilsprache in der reichen Nürnberger Kunstproduktion des ausgehenden 14. Jahrhunderts nichts
entgegensteht20.
Während die erste Markt Erlbacher Gruppe (Weltgericht und Marienleben) mit ihrer summarischen, derben Figuren-
zeichnung zuallererst den stilistisch spätesten Fenstern der »kleinfigurigen Gruppe« in Erfurt - der Josephsgeschichte
(süd V), den Apostelmartyrien sowie den Legendenfenstern der Heiligen Katharina und Eustachius (nord IV-VI) -
samt den anzuschließenden Schulwerken in Mühlhausen, Creglingen und Großhabersdorf nahesteht und mit Sicher-
heit aus einer der hieran beteiligten Nürnberger Werkstätten stammt, weist die zweite Gruppe mit den virtuos
gezeichneten, besser erhaltenen Resten des Katharinenfensters in eine andere Richtung: auf die Werkstatt, die in
Nürnberg selbst nurmehr mit einem Fenster - dem Marthafenster im Langhaus von St. Martha (um 1398) - sowie dem
späten Scheibenfragment einer Himmelfahrt Christi von 1413 in Kraftshof (Abb. 176) greifbar ist, aus der jedoch die
16 Kautzsch, 1931. - In Creglingen sind nur die beiden Kreuzigungs-
fenster (süd II und nord V) und das Wappen Weinsberg (nord II) zu ver-
gleichen: vgl. Becksmann, CVMA Deutschland I, 2, 1986, S. 16-25,
Abb. 31-35, 39-42-
17 Giese, 1920, S. 119-123, datiert diese jüngere Sebalder Fenstergruppe
»um 1380«, die ältere, im Stil an die Chorfenster von St. Martha
anschließende Fenstergruppe, zum Teil gestützt auf bekannte Lebensda-
ten der fraglichen Stifter, in die Jahre »1365—1375«. Die später von Fren-
zel, 1954, S. 2-9, vertretene Datierung der Fenster in St. Sebald zwi-
schen »1379-1388« ist demgegenüber in keinem Fall zwingend
begründet. Vielmehr deutet einiges darauf hin, einen größeren Teil der
Farbverglasung der älteren Gruppe bereits in die 70er Jahre, also
unmittelbar nach Fertigstellung des Chorbaues 1372 bis zur ersten
Weihe 1379 anzusetzen; die zweite Gruppe dürfte schließlich bis zur
zweiten Weihe 1386 entstanden sein.
18 Brückner/Haetge, 1929, S. 223.
19 Mosch, 1952, S. uof., und Drachenberg, CVMA DDR 1,2, 1980,
S. 64; schließlich nochmals ders., 1990, S. 61-66.
20 Christa Richter, Rez. von CVMA DDR 1,2, in: Kunstwissenschaft-
liche Beiträge 15, Beilage zur Zs. Bildende Kunst 11, 1982, S. 13-16; vgl.
ebenso die Rez. von Gerhard Schmidt, in: ZfKg 51, 1988, S. 445-450.