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Scholz, Hartmut
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Mittelfranken und Nürnberg (extra muros): Text — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 10,1, Teil 1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.52869#0432

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ROTHENBURG • STADTKIRCHE ST. JAKOB 427
auch konkretere Angaben über den Umfang von Reparaturen und Neuanfertigungen (Reg. Nr. 141-143)31. Es findet
sich dort aber nichts, was auf eigentliche Umsetzung und Neuordnung der alten Glasgemälde schließen läßt.
1912/13 wurden alle drei Chorfenster einer nochmaligen Neuverbleiung durch die Kgl. Hofglasmalerei E X. Zettler,
München, unterzogen, wobei ein zunächst vorgesehener, rein ästhetisch begründeter Ersatz der Kellnerschen Ergän-
zungen - das Gutachten Zettlers listet im Achsenfenster 100-150 Stücke, für die Flankenfenster jeweils ca. 80-90
Stücke auf, die ersetzt werden müßten (Reg. Nr. 142) - aufgrund denkmalpflegerischer Einwände weitgehend nicht
realisiert worden war. Nur die wenigen Partien, die »gar zu plump« geraten waren, waren in der Stellungnahme des
leitenden Architekten zur Wiederherstellung von St. Jakob, Prof. Joseph Schmitz, Nürnberg, ausdrücklich ausgenom-
men und in diesen Fällen eine Ergänzung vorgeschlagen worden, »die zwar harmonisch zum Alten paßt, aber den
Unterschied vom Originalbestand klar erkennen läßt« (Reg. Nr. 143). Die 1943 im Zuge der Kriegsbergung deponier-
ten Glasmalereien wurden erst in den fünfziger Jahren nach Abschluß umfassender Instandsetzungsarbeiten der
Jakobskirche wieder eingesetzt. 1974/75 war zunächst die Restaurierung des Achsenfensters in der Werkstatt von Dr.
Gottfried Frenzei, Nürnberg, unternommen worden. Sie betraf neben der Reinigung der Felder, der innenseitigen
Freilegung von Kalkablagerungen und Versinterungskrusten sowie einer weitgehenden Abnahme der rückseitig auf-
liegenden dichten Korrosionsschichten, in begründeten Fällen die Entfernung von Sprungbleien und die Doublierung
der betreffenden Gläser. 1984-1986 folgte schließlich die Reinigung und Konservierung der beiden Chorflankenfen-
ster in den Werkstätten Dr. Gottfried Frenzei, Nürnberg (Fenster nord II) bzw. Gustav van Treeck, München (Fenster
süd II), bei der ebenfalls die weitgehende vorder- und rückseitige Freilegung von Schmutzkrusten bzw. Wetterstein-
und Verbräunungsschichten den Maßnahmenkatalog bestimmte. Bereits im Jahre 1977 hatten alle drei Fenster eine
innenseitig belüftete Außenschutzverglasung erhalten.
Erhaltung: Obwohl die Enstehung von Chorachsen- und Chorflankenfenstern rund ein halbes Jahrhundert ausein-
anderliegt, zeigen beide Gruppen sehr ähnliche Schadensbilder bei insgesamt außergewöhnlich guter Gesamterhal-
tung. Dies betrifft zuallererst den geringen Umfang an Ergänzungen, der alle drei Chorfenster gleichermaßen aus-
zeichnet: Lediglich vier der überkommenen 146 Rechteckfelder sind modern.
1. Vorzüglich ist vor allem der Zustand des Chorachsenfensters, das zu überwiegenden Teilen seine originale Substanz
bewahren konnte und auch hinsichtlich der Bemalung - trotz vereinzelt übermalter Partien und Retuschen des frühen
20. Jahrhunderts - kaum gravierende Verluste zu verzeichnen hat. Ergänzungen Kellners (1856) oder Zettlers (1913),
doch ebenso aus früherer Zeit mit alten Flicken, treten lediglich in den unteren Partien des Achsenfensters, besonders
in der ersten bis dritten Zeile, stärker in Erscheinung, verlieren sich aber, von Randarbeiten abgesehen, nach oben hin
mehr und mehr. Alle alten Gläser sind ohne Unterschied auf der Außenseite flächig korrodiert und in ihrer Transpa-
renz mäßig getrübt. Einzelne Farben - besonders Weiß, Gelb, Hellblau, Rosa und Amethystviolett - zeigen zusätzlich
fortgeschrittene Verbräunung, die jedoch den insbesondere auf Rot-, Blau- und Grünakkorden beruhenden Farbchar-
akter des Fensters nicht wesentlich beeinträchtigen. Die häufig grellfarbigen Ergänzungen Kellners aus der Mitte des

24 Auch der 1336 uff der kapellen erwähnte Fronleichnamsaltar dürfte
mit einem Kultbild (des Schmerzensmannes oder einer Pieta), wenn nicht
sogar mit einem entsprechenden Retabel - etwa in der Art des Nürnber-
ger Reliquienaltärchens mit dem Schmerzensmann und ausgewählten
Szenen der Passion Christi im GNM in Nürnberg (Textabb. 9h) - ausge-
stattet gewesen sein; vgl. Strieder, 1993, S. 12-14, (Nr.3).
25 Unbegründet sind demgegenüber die von Barbara Welzel (wie Anm.
7), 1991, S. 120, geäußerten Zweifel an einem programmatischen Bezug
von Fenster und Heilig-Blut-Reliquie zugunsten einer schlichten Erklä-
rung durch die alltägliche Meßfeier am Hauptaltar. Käme dies als zurei-
chende Motivation in Frage, dann wäre auch von einer enormen Verbrei-
tung des Bildthemas auszugehen, und zweifellos wäre dann auch eine
größere Zahl entsprechender Bildfenster erhalten geblieben.
26 Doch wohl kaum in der Sakristei (Ress, 1959, S. 77), wo eine Vereh-
rung durch größere Gruppen von Wallfahrern nicht möglich gewesen
wäre, wie Schnurrer, 1985, S. 91, zurecht bemerkt.

27 Vgl. Martin, 1927, S. 94 und 159; Müller, 1951, S. 68ff.; Ress, 1959,
S. 192-196; Thomas Schauerte, Überlegungen zum gotischen Wandre-
tabel in der Nürnberger Sebalduskirche, in: MVGN 82, 1995, S. 1-22;
Achim Timmermann, Two Parlerian Sacrament Houses and their micro-
architectural Context, in: Umem 47, 1999, S. 400-412.
28 Vgl. Romuald Bauerreiss, Pie Jesu. Das Schmerzensmanns-Bild und
sein Einfluß auf die mittelalterliche Frömmigkeit, München 1931, S. $ff.
29 Scholz, CVMA Deutschland 1,3, 1994, S. 84-125.
30 Im Verein mit einem fremden glaser, was dafür spricht, daß es sich tat-
sächlich um Glasmalereien gehandelt haben dürfte.
31 Ein Akkord-Beleg von 1857 im Pfarrarchiv von St. Jakob, die Restau-
ration der Jakobskirche betreffend, verzeichnet schließlich für die Aus-
besserung der 3 gemalten Fenster im Chor gegenüber dem Kostenvoran-
schlag von 500 fl. (Reg. Nr. 135) einen tatsächlichen Bedarf von rund
778 fl., davon 28 fl. $4xr für den Transport der Fenster nach Nürnberg u.
zurück (PfA Rothenburg, Fach IX, N° 12).
 
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