KUNSTGESCHICHTLICHE EINLEITUNG
79
Textabb. 58, 59. Wappen Oertel; Wappen Groß. Romont, Musee du Vitrail. Schaffhausen, Werkstatt Hieronymus Lang, 1548.
Bereits vor Einführung der Reformation war der Markt für sakrale Farbverglasungen monumentalen Anspruchs vie-
lerorts weggebrochen, so daß sich die Glasmaler - wie Maler und Bildhauer auch - einer spürbar veränderten Auf-
tragssituation gegenüber sahen. Neben allfälligen Wartungsarbeiten und der nie abreißenden Konjunktur für Wappen-
scheiben waren es fortan vor allem »Kabinettstücke« profanen Charakters, die den Schwerpunkt der Arbeiten für den
meist privaten Bereich eines humanistisch gebildeten Auftraggeberkreises ausmachten. Traditionelle heilsgeschichtli-
che Themen fehlen zwar auch in den kleinformatigen Zyklen nicht, doch treten nun antike Stoffe mit betont allegori-
scher und belehrender Funktion in den Vordergrund (Textabb. 54-57). Außerdem erlebte die Darstellung der altbe-
kannten gesellschaftlichen Freizeitbelustigungen (Turnier, Jagd und Minne) sowie Kalenderbilder mit Monatsarbeiten
und Tierkreiszeichen eine Renaissance (vgl. S. 273-276 bzw. S. 520-532). Die Stoffe hatten sich also teilweise verän-
dert, doch die Werkstatt-Traditionen waren nicht einfach abgerissen. In Nürnberg, dessen Produktion hier allein in
Frage steht, war mit Augustin Hirsvogel (1503-1553) ein letzter überragender Meister des Fachs auf den Plan getre-
ten, dessen unstetes schöpferisches Temperament freilich nicht mehr mit den Maßstäben eines spätmittelalterlichen
Kunsthandwerkers gemessen werden kann. Sein universal veranlagtes Talent, das bereits von dem Zeitgenossen
Johann Neudörffer gerühmt wurde, hat in den verschiedensten Sparten künstlerischer Produktivität - im Glas-
malen, Amelieren, Reißen und Stechen, Töpfern und Glasieren, Steinschneiden und Gravieren, bis hin zur Karto-
graphie - seine Spuren hinterlassen154. Seine eigenhändigen Glasgemälde überragen die handwerklich soliden,
79
Textabb. 58, 59. Wappen Oertel; Wappen Groß. Romont, Musee du Vitrail. Schaffhausen, Werkstatt Hieronymus Lang, 1548.
Bereits vor Einführung der Reformation war der Markt für sakrale Farbverglasungen monumentalen Anspruchs vie-
lerorts weggebrochen, so daß sich die Glasmaler - wie Maler und Bildhauer auch - einer spürbar veränderten Auf-
tragssituation gegenüber sahen. Neben allfälligen Wartungsarbeiten und der nie abreißenden Konjunktur für Wappen-
scheiben waren es fortan vor allem »Kabinettstücke« profanen Charakters, die den Schwerpunkt der Arbeiten für den
meist privaten Bereich eines humanistisch gebildeten Auftraggeberkreises ausmachten. Traditionelle heilsgeschichtli-
che Themen fehlen zwar auch in den kleinformatigen Zyklen nicht, doch treten nun antike Stoffe mit betont allegori-
scher und belehrender Funktion in den Vordergrund (Textabb. 54-57). Außerdem erlebte die Darstellung der altbe-
kannten gesellschaftlichen Freizeitbelustigungen (Turnier, Jagd und Minne) sowie Kalenderbilder mit Monatsarbeiten
und Tierkreiszeichen eine Renaissance (vgl. S. 273-276 bzw. S. 520-532). Die Stoffe hatten sich also teilweise verän-
dert, doch die Werkstatt-Traditionen waren nicht einfach abgerissen. In Nürnberg, dessen Produktion hier allein in
Frage steht, war mit Augustin Hirsvogel (1503-1553) ein letzter überragender Meister des Fachs auf den Plan getre-
ten, dessen unstetes schöpferisches Temperament freilich nicht mehr mit den Maßstäben eines spätmittelalterlichen
Kunsthandwerkers gemessen werden kann. Sein universal veranlagtes Talent, das bereits von dem Zeitgenossen
Johann Neudörffer gerühmt wurde, hat in den verschiedensten Sparten künstlerischer Produktivität - im Glas-
malen, Amelieren, Reißen und Stechen, Töpfern und Glasieren, Steinschneiden und Gravieren, bis hin zur Karto-
graphie - seine Spuren hinterlassen154. Seine eigenhändigen Glasgemälde überragen die handwerklich soliden,