EHEMALS HERSFELD • BENEDIKTINERKLOSTERKIRCHE
Bibliographie: Frank Löbbecke, Der Wiederaufbau der Klosterkirche Hersfeld im n. und 12. Jahrhundert. Aktu-
elle bauarchäologische Untersuchungen in der Ostapsis, in: Centre. Region. Periphery. 3. Internationaler Kongress der
Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit, III, hrsg. von Guido Helmig, Barbara Scholkmann und Matthias Un-
termann, Hertingen 2002, S. 321-326, hier S. 324k, Abb. 5 (Grabungsfunde datieren in das 12. Jahrhundert); ders.,
Ausgrabungen in fünf Meter Höhe - Bauarchäologische Untersuchungen in der Stiftsruine Hersfeld, in: Hessenarchä-
ologie 2002, S. 152—155, hier S. 153—155, Abb. 184 (die ergrabenen Glasmalereifragmente des 12. Jahrhunderts wurden
infolge des Kirchenbrandes von 1761 zerstört); Sveva Gai, Glasfragmente aus der ehemaligen Stiftskirche in Hersfeld,
in: Canossa 1077 - Erschütterung der Welt. Geschichte, Kunst und Kultur am Aufgang der Romanik, Ausstellung im
Erzbischöflichen Diözesanmuseum u.a., Katalogband, München 2006, S. 134-136, Nr. 123 (datiert die Fragmente Ende
11./Anfang 12. Jahrhundert); dies., Les vitraux de l’eglise collegiale de Hersfeld (Hessen), in: Actes du Colloque »Le
verre dans l’architecture du haut Moyen-Äge du Xlle siede en France: L’archeologie du vitrail et son decor«, Auxerre
14-15. juin 2006, Dijon 2008, im Druck (scheidet den Bestand in drei Gruppen aus der Zeit von 1040 bis um die Mitte
des 13. Jahrhunderts).
Gegenwärtiger Bestand: Im Februar 2001 fanden Archäologen bei Grabungen im Apsisbereich größere Mengen
von Glasmalereibruchstücken, die neben Inschriften auch ornamentale und figürliche Elemente zeigen. Die Gra-
bungsfunde werden in Bad Homburg, Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten, aufbewahrt. Ein Teil der
Scherben konnte noch während der Grabungskampagne im Februar 2001 vor Ort gesichtet und fotografiert werden.
Weitere Aufnahmen stellte Dr. Sveva Gai vom Landesmuseum für Archäologie und Bodendenkmalpflege in Münster
freundlicherweise zur Verfügung.
Geschichte des Baues: Der Mainzer Erzbischof Lull gründete das Kloster im Bereich der von Sturm angelegten
Einsiedelei. Bereits 775 wurde es von König Karl, der von hier aus die Unterwerfung und Missionierung der Thüringer
und Sachsen betrieb, zur Reichsabtei erhoben und in der Folge wiederholt mit kaiserlichen Privilegien und Schen-
kungen ausgestattet, welche die Grundlage für die wirtschaftliche und politische Blüte des Klosters in hochmittel-
alterlicher Zeit bilden sollten. Ein spätkarolingischer, im Jahr 850 dem Hl. Wigbert und den Aposteln Simon und Judas
Thaddäus geweihter Neubau wurde beim Kirchenbrand von 1037/38 vollständig zerstört1. Bis 1040 konnten bereits
Chor und Krypta neu geweiht werden, die Schlussweihe des Baues erfolgte jedoch erst 1144. Nach dem gescheiterten
Versuch Abt Bertolds II. im Jahr 1378, die Stadt in einer »Nacht- und Nebelaktion« zu unterwerfen, plünderten die
Bürger Klosterbezirk und Kirche und zerstörten dabei auch Glasmalereien (s. Reg. Nr. 46). Im Siebenjährigen Krieg
wurde die Kirche von den abziehenden Franzosen in Brand gesteckt und seitdem nicht wieder aufgebaut.
Der ruinöse, in seinen gewaltigen Ausmaßen jedoch immer noch beeindruckende Bau ist eine doppelchörige Anlage
mit im Osten weit vorspringendem Querhaus. Der über einem Eingangsportal gelegene Westchor befindet sich zwi-
schen einer Doppelturmfassade. Von dem basilikalen Langhaus haben sich noch die Seitenschiff mauern erhalten, die
in regelmäßiger Abfolge mit Rundbogenöffnungen durchfenstert sind. Das Querhaus ist in voller Höhe erhalten und
besitzt halbrunde Nebenapsiden mit darüber befindlichen Vierpassfenstern. Der Langchor trägt an den Seiten eine
Blendarkatur mit rundbogigen Obergadenfenstern; er ist heute auf das Bodenniveau der einstmals überwölbten, drei-
schiffigen Hallenkrypta eingebrochen. Die halbrunde Hauptapsis, der Fundort der Glasmalereifragmente, zeigt ein
leicht vergrößertes Mittel- und zwei Flankenfenster.
1 Mit den Ergebnissen der jüngsten Ausgrabung konnten die lange an-
dauernden Kontroversen zur Frage, ob der bestehende Kirchenbau und
insbesondere seine Ostteile, noch aus karolingischer oder bereits aus
salischer Zeit stammen, endlich beigelegt werden. In den Kryptenmau-
ern und Spannfundamenten des Ostbaus wurden karolingische Spolien
und Werksteine mit ottonischer Inschrift wiederverwendet (Auskunft
von Sebastian Scholz, Zürich). Hierzu Löbbecke 2002 (s. Bibi.), S. 322.
Zur Baugeschichte s. Dieter Grossmann, Die Abteikirche zu Hersfeld,
Kassel/Basel 1955 (karolingische These); Hans Feldtkeller, Eine bis-
her unbekannte karolingische Großkirche im Hersfelder Stift, in: Deut-
sche Kunst und Denkmalpflege 22,1964, S. 1—19; Günther Binding, Die
karolingisch-salische Klosterkirche Hersfeld, in: Aachener Kunstblätter
41, 1971, S. 189-201 (salische These). Eine kritische Zusammenfassung
der Forschungsgeschichte liefert Wiegand 1999, S. 124-142.
Bibliographie: Frank Löbbecke, Der Wiederaufbau der Klosterkirche Hersfeld im n. und 12. Jahrhundert. Aktu-
elle bauarchäologische Untersuchungen in der Ostapsis, in: Centre. Region. Periphery. 3. Internationaler Kongress der
Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit, III, hrsg. von Guido Helmig, Barbara Scholkmann und Matthias Un-
termann, Hertingen 2002, S. 321-326, hier S. 324k, Abb. 5 (Grabungsfunde datieren in das 12. Jahrhundert); ders.,
Ausgrabungen in fünf Meter Höhe - Bauarchäologische Untersuchungen in der Stiftsruine Hersfeld, in: Hessenarchä-
ologie 2002, S. 152—155, hier S. 153—155, Abb. 184 (die ergrabenen Glasmalereifragmente des 12. Jahrhunderts wurden
infolge des Kirchenbrandes von 1761 zerstört); Sveva Gai, Glasfragmente aus der ehemaligen Stiftskirche in Hersfeld,
in: Canossa 1077 - Erschütterung der Welt. Geschichte, Kunst und Kultur am Aufgang der Romanik, Ausstellung im
Erzbischöflichen Diözesanmuseum u.a., Katalogband, München 2006, S. 134-136, Nr. 123 (datiert die Fragmente Ende
11./Anfang 12. Jahrhundert); dies., Les vitraux de l’eglise collegiale de Hersfeld (Hessen), in: Actes du Colloque »Le
verre dans l’architecture du haut Moyen-Äge du Xlle siede en France: L’archeologie du vitrail et son decor«, Auxerre
14-15. juin 2006, Dijon 2008, im Druck (scheidet den Bestand in drei Gruppen aus der Zeit von 1040 bis um die Mitte
des 13. Jahrhunderts).
Gegenwärtiger Bestand: Im Februar 2001 fanden Archäologen bei Grabungen im Apsisbereich größere Mengen
von Glasmalereibruchstücken, die neben Inschriften auch ornamentale und figürliche Elemente zeigen. Die Gra-
bungsfunde werden in Bad Homburg, Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten, aufbewahrt. Ein Teil der
Scherben konnte noch während der Grabungskampagne im Februar 2001 vor Ort gesichtet und fotografiert werden.
Weitere Aufnahmen stellte Dr. Sveva Gai vom Landesmuseum für Archäologie und Bodendenkmalpflege in Münster
freundlicherweise zur Verfügung.
Geschichte des Baues: Der Mainzer Erzbischof Lull gründete das Kloster im Bereich der von Sturm angelegten
Einsiedelei. Bereits 775 wurde es von König Karl, der von hier aus die Unterwerfung und Missionierung der Thüringer
und Sachsen betrieb, zur Reichsabtei erhoben und in der Folge wiederholt mit kaiserlichen Privilegien und Schen-
kungen ausgestattet, welche die Grundlage für die wirtschaftliche und politische Blüte des Klosters in hochmittel-
alterlicher Zeit bilden sollten. Ein spätkarolingischer, im Jahr 850 dem Hl. Wigbert und den Aposteln Simon und Judas
Thaddäus geweihter Neubau wurde beim Kirchenbrand von 1037/38 vollständig zerstört1. Bis 1040 konnten bereits
Chor und Krypta neu geweiht werden, die Schlussweihe des Baues erfolgte jedoch erst 1144. Nach dem gescheiterten
Versuch Abt Bertolds II. im Jahr 1378, die Stadt in einer »Nacht- und Nebelaktion« zu unterwerfen, plünderten die
Bürger Klosterbezirk und Kirche und zerstörten dabei auch Glasmalereien (s. Reg. Nr. 46). Im Siebenjährigen Krieg
wurde die Kirche von den abziehenden Franzosen in Brand gesteckt und seitdem nicht wieder aufgebaut.
Der ruinöse, in seinen gewaltigen Ausmaßen jedoch immer noch beeindruckende Bau ist eine doppelchörige Anlage
mit im Osten weit vorspringendem Querhaus. Der über einem Eingangsportal gelegene Westchor befindet sich zwi-
schen einer Doppelturmfassade. Von dem basilikalen Langhaus haben sich noch die Seitenschiff mauern erhalten, die
in regelmäßiger Abfolge mit Rundbogenöffnungen durchfenstert sind. Das Querhaus ist in voller Höhe erhalten und
besitzt halbrunde Nebenapsiden mit darüber befindlichen Vierpassfenstern. Der Langchor trägt an den Seiten eine
Blendarkatur mit rundbogigen Obergadenfenstern; er ist heute auf das Bodenniveau der einstmals überwölbten, drei-
schiffigen Hallenkrypta eingebrochen. Die halbrunde Hauptapsis, der Fundort der Glasmalereifragmente, zeigt ein
leicht vergrößertes Mittel- und zwei Flankenfenster.
1 Mit den Ergebnissen der jüngsten Ausgrabung konnten die lange an-
dauernden Kontroversen zur Frage, ob der bestehende Kirchenbau und
insbesondere seine Ostteile, noch aus karolingischer oder bereits aus
salischer Zeit stammen, endlich beigelegt werden. In den Kryptenmau-
ern und Spannfundamenten des Ostbaus wurden karolingische Spolien
und Werksteine mit ottonischer Inschrift wiederverwendet (Auskunft
von Sebastian Scholz, Zürich). Hierzu Löbbecke 2002 (s. Bibi.), S. 322.
Zur Baugeschichte s. Dieter Grossmann, Die Abteikirche zu Hersfeld,
Kassel/Basel 1955 (karolingische These); Hans Feldtkeller, Eine bis-
her unbekannte karolingische Großkirche im Hersfelder Stift, in: Deut-
sche Kunst und Denkmalpflege 22,1964, S. 1—19; Günther Binding, Die
karolingisch-salische Klosterkirche Hersfeld, in: Aachener Kunstblätter
41, 1971, S. 189-201 (salische These). Eine kritische Zusammenfassung
der Forschungsgeschichte liefert Wiegand 1999, S. 124-142.