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Parello, Daniel; Hess, Daniel
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Marburg und Nordhessen — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 3,3: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.52865#0496

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WETTER • STIFTSKIRCHE ST. MARIA

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dungsbau zurück, der Chor und die zweibahnigen Maßwerkfenster lassen sich jedoch erst in das späte 15. Jahrhundert
datieren: Eine Jahreszahl auf dem Wappenschlussstein im Gewölbe kann als 1472 bzw. 1475 gelesen werden3. Aus den
ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts dürfte dagegen der Altarschrein stammen, der bereits Renaissanceformen
zeigt4.
Im Maßwerk des zweibahnigen Achsenfensters befindet sich zwischen den seitlichen Fischblasenelementen eine kleine
Zwickelöffnung von der Größe unseres Scheibchens. Die kleine Kreuzigungsdarstellung hätte damit im sinnvollen
Bezug zum davor liegenden Zelebrationsaltar gestanden.
Vorbemerkung zum Katalog: Aufnahme und Untersuchung der heute in einer Vitrine ausgestellten Scheibe des Mar-
burger Universitätsmuseums erfolgten im Oktober 2001.

MARBURG • UNIVERSITÄTSMUSEUM (Nr. 33)

33. RUNDSCHEIBCHEN MIT KREUZIGUNGS-
DARSTELLUNG Abb. 384
Durchmesser ca. 5 cm.
Erhaltung: Das Glasstück ist in die Mitte einer kreuzgeteil-
ten Fensterscheibe eingelassen. Keine Spuren von Korrosion
erkennbar. Die nachlässige und schmierig aufgetragene Bin-
nenzeichnung der Figuren ist möglicherweise auf eine jüngere
Überarbeitung zurückzuführen.
Ikonographie: Das etwa hostiengroße Medaillon zeigt die Kreu-
zigung Christi zwischen Maria und Johannes. Maria scheint
ihre im Mantel verborgene Hand an das Gesicht zu führen,
während Johannes mit seiner Rechten auf den Gekreuzigten
weist. Der Hintergrund ist mit Sternchen bedeckt.
Technik-, Die Zeichnung wurde aus dem deckenden Schwarz-
lotauftrag herausgekratzt, die Sternchen rückseitig mit Silber-
gelb eingefärbt.
Stil, Datierung: Der angespannt vorgestreckte Brustkorb und
die enge Taillierung des Oberkörpers Christi lassen ebenso
wie die bewegten Figurenumrisse der Assistenzfiguren an eine
Entstehung des Scheibchens im ausgehenden 15. Jahrhundert
denken. Weitergehende, auf Stilkritik basierende Aussagen zur

Herkunft der Glasmalerei verbieten sich schon aufgrund seiner
einfachen Machart, doch läge eine Entstehung in Marburg aus
räumlichen Gründen nahe.
CVMA JJ 12828, Großdia JJ 01/197

1 Gerhard Schütt, Wehrshäuser Kirchengeschichte, in: Wehrshau-
sen bei Marburg, hrsg. von Wilhelm A. Eckhardt, Marburg 1974, S.
95-126, hier S. 96h
2 Gisela Konitzky, Die Wehrshäuser Kirche, in: Eckhardt 1974
(wie Anm. 1), S. 127-138.
3 Zur richtigen Lesung der verwirrenden Ziffernfolge siehe Gross-
mann ^982, S. Sylt, mit Abb. 100; hierzu auch H. J. von Brockhusen,
Der Wehrshäuser Schlussstein, in: ZHG 74, 1963, S. 81 ff.
4 Das Marburger Universitätsmuseum bewahrt eine 1523 datierte Ma-
rienstatue des in Marburg tätigen Bildhauers Ludwig Juppe auf, die
vom Altarschrein der Wehrshausener Kirche stammen soll.

WETTER • STIFTSKIRCHE ST. MARIA

Bibliographie: Karl Wenckebach, Zur Geschichte der Stadt, des Stiftes und der Kirche zu Wetter, Wetter ^1987,
S. 273 (vergleicht die Grisaillereste mit der Verglasung des Nordquerhausfensters in Haina); Hans Gottfried von
Stockhausen, Die Stiftskirche zu Wetter und ihre Glasmalereien, München 2007, S. 26L, Abb. S. 63L (für die Anfer-
tigung eines neuen Figurenfensters wurden alte Scherbenfragmente verwendet).
Gegenwärtiger Bestand: Reststücke der alten Grisailleverglasung wurden vor wenigen Jahren einer Neuschöpfung
des Nordquerhausfensters von Hans Gottfried von Stockhausen einverleibt (Fig. 629, Abb. 383). Einen Passlappen mit
Blattornament über wies man zu Beginn der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts dem Hessischen Landes-
museum in Kassel (Fig. 628, Abb. 386); ein zweites, gleichgestaltetes Stück und ein Maßwerkzwickel, die gegenwärtig
nicht auffindbar sind, verblieben in der Glasmalereiwerkstatt Saile, Stuttgart (Abb. 382, 385).
 
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