284
LICH • STIFTSKIRCHE ST. MARIA
Bibliographie: Walbe 1933,S. 280 (Identifizierung der beiden Wappenrundscheiben mit Anna Schenck zu Schweins-
berg); Dehio Hessen H982, S. 544 (»stehende Muttergottes mit Kind, um 1500, hl. Elisabeth und zwei Wappen, 1. Hälf-
te 16. Jh.«); Herbert Kammer, Evangelische Marienstiftskirche Lich/Oberhessen (Schnell & Steiner Kunstführer Nr.
666), München/Zürich H982, S. 14 (vermutet eine Herkunft der Marienscheibe aus dem Vorgängerbau).
Gegenwärtiger Bestand: Im Chorfenster nord II befinden sich inmitten einer modernen Ornamentverglasung zwei
stark ergänzte figürliche Rechteckscheiben sowie zwei Wappenrundscheiben (Fig. 345L, 348—351, Abb. 197-199).
Geschichte des Baues: 1316 gründete Philipp III. von Falkenstein zu Ehren der Heiligen Jungfrau ein Kollegiatstift,
dem zehn Geistliche angehören sollten1. Schon 1320 erfolgte die Weihe der ersten, an der höchsten Stelle der Stadt er-
richteten Kirche. Graf Philipp von Solms-Lich, Falkensteiner Nacherbe und Patron des Stifts, fasste zwei Jahrhunderte
später den Plan zum Neubau eines größeren Gotteshauses2. 1510 wurde hierzu die alte Kirche abgebrochen, bis 1514
das Langhaus, im Anschluss daran bis etwa 1525 der Chor errichtet3. Einige Strebepfeiler am Langhaus datieren zwar
1537, doch hat man den Bau mit seiner Einwölbung erst 1594 zu Ende gebracht, wie aus einer Inschrift über dem mitt-
leren Chorbogen hervorgeht. Die »letzte mittelalterliche Hallenkirche Hessens« nach Plänen der Meister Michael aus
Nürnberg und Nikolaus aus Wetzlar ist ein langgestreckter, im Osten dreiseitig umbrochener Bau mit recht schmalen,
um den Chor herumgeführten Seitenschiffen4. Das Tonnengewölbe des Mittelschiffes ruht auf großzügigen Rundbo-
genarkaden über Rundpfeilern mit im Langhaus vorgelegten Diensten. Ursprünglich sollten die mit einem Netzgewöl-
be versehenen Emporen in den Seitenschiffen nach Osten im Chorumgang fortgeführt werden, doch hat man später
aus Kostengründen darauf verzichtet, ebenso auf ein das Mittelschiff überspannendes Netzgewölbe, das statt dessen
eine zeitgemäßere Tonnenwölbung erhielt. Die Kirche diente dem Falkensteiner Geschlecht und den Grafen zu Solms
lange Zeit als Erbbegräbnisstätte. Graf Philipp stand dem lutherischen Gedankengut aufgeschlossen gegenüber, doch
wurde erst mit dem Tod seines Sohnes Reinhardt im Jahr 1562 auch in Lieh die Reformation eingeführt.
Geschichte der Verglasung: Während der Kirchenwiederherstellung von 1859 bis 1861 erhielten Chor- und Lang-
hausfenster neue Glasmalereien, die theils in Marburg, theils in München verfertigt worden waren5. Die Einbettung
der bis dato noch verbliebenen Originale in eine neue Ornamentumgebung dürfte ebenso wie die Restaurierung be-
reits zu diesem Zeitpunkt erfolgt sein, da die Ergänzungen technisch von gleicher Beschaffenheit wie die Ornament-
fenster sind. Die originalen Stücke wurden damals außenseitig mit eingravierten Nummern gekennzeichnet. Seitdem
gab es offenbar keine größeren Eingriffe mehr in den Bestand. Zuletzt wurden die Scheiben im August 1996 von der
Glasmalerei Peters, Paderborn, zwecks Anbringung einer Außenschutzverglasung ausgebaut. Die Maßnahmen an den
Glasmalereien umfassten im Wesentlichen das Reinigen, das Sichern loser Konturen, die Entfernung bzw. Erneuerung
einiger Sprungbleie sowie die Klebung von Sprüngen.
Erhaltung: Die beiden figürlichen Glasmalereien sind für ihre Wiederverwendung innerhalb einer neuen Orna-
mentverglasung aus ihrer Rahmenumgebung ausgeschält und dabei großflächig ergänzt worden. Während die Strah-
lenkranzmadonna allein im Kopfbereich alte, in der Zeichnung allerdings stärker beriebene Gläser bewahrt hat, ist
1 Zur Gründung und Geschichte des Stifts s. Waldemar Küther, Das
Marienstift im Mittelalter, Lieh 1977.
2 Zur Baugeschichte der neuen Kirche s. Walbe 1933, S. 242-282.
3 Einer testamentarischen Bestimmung Graf Philipps vom 12. August
1523 lässt sich entnehmen, dass der Chor zu diesem Zeitpunkt noch
nicht fertiggestellt war; Küther (wie Anm. 1) 1977, S. 190.
4 Dehio Hessen 2i982, S. 544.
5 Diehl 1935, S. 203 (nach einer Mitteilung des Stiftsdechanten Bich-
mann in der Licher Pfarrchronik). Mit dem Hinweis auf Marburg ist
möglicherweise der Architekt und Zeichenlehrer Friedrich Lange ge-
meint, unter dessen Leitung etwa zur gleichen Zeit die Glasmalereien in
der Marburger Elisabethkirche hergestellt wurden. In diese Richtung
weist auch das für Lange bezeichnende Verfahren, originale Stücke ei-
nes Feldes außenseitig mit Nummern zu versehen. Im Fenster süd II
befindet sich die Inschrift Glasmalerei von Joseph Dopfer in München
1860. Zur Münchener Malerfamilie Dopfer vgl. Elgin Vaassen, Bilder
auf Glas. Glasgemälde zwischen 1780 und 1870, München/Berlin 1997,
S. 247L - Weitere Figurenfenster im Langhaus mit reformatorischen
Inhalten sind im Lutherjahr 1883 gestiftet worden, nach Westen folgen
jüngere Arbeiten aus dem Jahr 1890.
LICH • STIFTSKIRCHE ST. MARIA
Bibliographie: Walbe 1933,S. 280 (Identifizierung der beiden Wappenrundscheiben mit Anna Schenck zu Schweins-
berg); Dehio Hessen H982, S. 544 (»stehende Muttergottes mit Kind, um 1500, hl. Elisabeth und zwei Wappen, 1. Hälf-
te 16. Jh.«); Herbert Kammer, Evangelische Marienstiftskirche Lich/Oberhessen (Schnell & Steiner Kunstführer Nr.
666), München/Zürich H982, S. 14 (vermutet eine Herkunft der Marienscheibe aus dem Vorgängerbau).
Gegenwärtiger Bestand: Im Chorfenster nord II befinden sich inmitten einer modernen Ornamentverglasung zwei
stark ergänzte figürliche Rechteckscheiben sowie zwei Wappenrundscheiben (Fig. 345L, 348—351, Abb. 197-199).
Geschichte des Baues: 1316 gründete Philipp III. von Falkenstein zu Ehren der Heiligen Jungfrau ein Kollegiatstift,
dem zehn Geistliche angehören sollten1. Schon 1320 erfolgte die Weihe der ersten, an der höchsten Stelle der Stadt er-
richteten Kirche. Graf Philipp von Solms-Lich, Falkensteiner Nacherbe und Patron des Stifts, fasste zwei Jahrhunderte
später den Plan zum Neubau eines größeren Gotteshauses2. 1510 wurde hierzu die alte Kirche abgebrochen, bis 1514
das Langhaus, im Anschluss daran bis etwa 1525 der Chor errichtet3. Einige Strebepfeiler am Langhaus datieren zwar
1537, doch hat man den Bau mit seiner Einwölbung erst 1594 zu Ende gebracht, wie aus einer Inschrift über dem mitt-
leren Chorbogen hervorgeht. Die »letzte mittelalterliche Hallenkirche Hessens« nach Plänen der Meister Michael aus
Nürnberg und Nikolaus aus Wetzlar ist ein langgestreckter, im Osten dreiseitig umbrochener Bau mit recht schmalen,
um den Chor herumgeführten Seitenschiffen4. Das Tonnengewölbe des Mittelschiffes ruht auf großzügigen Rundbo-
genarkaden über Rundpfeilern mit im Langhaus vorgelegten Diensten. Ursprünglich sollten die mit einem Netzgewöl-
be versehenen Emporen in den Seitenschiffen nach Osten im Chorumgang fortgeführt werden, doch hat man später
aus Kostengründen darauf verzichtet, ebenso auf ein das Mittelschiff überspannendes Netzgewölbe, das statt dessen
eine zeitgemäßere Tonnenwölbung erhielt. Die Kirche diente dem Falkensteiner Geschlecht und den Grafen zu Solms
lange Zeit als Erbbegräbnisstätte. Graf Philipp stand dem lutherischen Gedankengut aufgeschlossen gegenüber, doch
wurde erst mit dem Tod seines Sohnes Reinhardt im Jahr 1562 auch in Lieh die Reformation eingeführt.
Geschichte der Verglasung: Während der Kirchenwiederherstellung von 1859 bis 1861 erhielten Chor- und Lang-
hausfenster neue Glasmalereien, die theils in Marburg, theils in München verfertigt worden waren5. Die Einbettung
der bis dato noch verbliebenen Originale in eine neue Ornamentumgebung dürfte ebenso wie die Restaurierung be-
reits zu diesem Zeitpunkt erfolgt sein, da die Ergänzungen technisch von gleicher Beschaffenheit wie die Ornament-
fenster sind. Die originalen Stücke wurden damals außenseitig mit eingravierten Nummern gekennzeichnet. Seitdem
gab es offenbar keine größeren Eingriffe mehr in den Bestand. Zuletzt wurden die Scheiben im August 1996 von der
Glasmalerei Peters, Paderborn, zwecks Anbringung einer Außenschutzverglasung ausgebaut. Die Maßnahmen an den
Glasmalereien umfassten im Wesentlichen das Reinigen, das Sichern loser Konturen, die Entfernung bzw. Erneuerung
einiger Sprungbleie sowie die Klebung von Sprüngen.
Erhaltung: Die beiden figürlichen Glasmalereien sind für ihre Wiederverwendung innerhalb einer neuen Orna-
mentverglasung aus ihrer Rahmenumgebung ausgeschält und dabei großflächig ergänzt worden. Während die Strah-
lenkranzmadonna allein im Kopfbereich alte, in der Zeichnung allerdings stärker beriebene Gläser bewahrt hat, ist
1 Zur Gründung und Geschichte des Stifts s. Waldemar Küther, Das
Marienstift im Mittelalter, Lieh 1977.
2 Zur Baugeschichte der neuen Kirche s. Walbe 1933, S. 242-282.
3 Einer testamentarischen Bestimmung Graf Philipps vom 12. August
1523 lässt sich entnehmen, dass der Chor zu diesem Zeitpunkt noch
nicht fertiggestellt war; Küther (wie Anm. 1) 1977, S. 190.
4 Dehio Hessen 2i982, S. 544.
5 Diehl 1935, S. 203 (nach einer Mitteilung des Stiftsdechanten Bich-
mann in der Licher Pfarrchronik). Mit dem Hinweis auf Marburg ist
möglicherweise der Architekt und Zeichenlehrer Friedrich Lange ge-
meint, unter dessen Leitung etwa zur gleichen Zeit die Glasmalereien in
der Marburger Elisabethkirche hergestellt wurden. In diese Richtung
weist auch das für Lange bezeichnende Verfahren, originale Stücke ei-
nes Feldes außenseitig mit Nummern zu versehen. Im Fenster süd II
befindet sich die Inschrift Glasmalerei von Joseph Dopfer in München
1860. Zur Münchener Malerfamilie Dopfer vgl. Elgin Vaassen, Bilder
auf Glas. Glasgemälde zwischen 1780 und 1870, München/Berlin 1997,
S. 247L - Weitere Figurenfenster im Langhaus mit reformatorischen
Inhalten sind im Lutherjahr 1883 gestiftet worden, nach Westen folgen
jüngere Arbeiten aus dem Jahr 1890.