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Parello, Daniel; Hess, Daniel
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Marburg und Nordhessen — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 3,3: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.52865#0029

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KUNSTGESCHICHTLICHE EINLEITUNG

von Karl Alhard von Drach und Aloys Holtmeyer vorgelegten Inventaren zu Fritzlar und Kassel-Land wurden
auch entlegene Glasmalereistandorte mit wünschenswerter Ausführlichkeit behandelt8.
Zu Beginn der i94oer-Jahre sind von Seiten der Denkmalpflege Bergungsmaßnahmen zum Schutz der durch den
Krieg gefährdeten Kunst eingeleitet worden, mit denen eine fotografische Bestandserfassung der Objekte verbunden
war. Diese bildete nach Kriegsende eine wichtige Grundlage für die nun einsetzende Intensivierung der Glasmalerei-
forschung, die von der etablierten Kunstgeschichte lange Zeit vernachlässigt worden war. An der Mainzer Univer-
sität befasste sich Christa Wille mit einer Arbeit über die figürlichen Glasmalereien der Hochgotik in Hessen, die
einen ersten Versuch darstellt, die erhaltenen Werke nach übergreifenden stilistischen Gesichtspunkten zu ordnen
und werkstattmäßige Zusammenhänge zu erschließen9. Wille betrat mit ihrer 1952 abgeschlossenen Dissertation
Neuland; doch bedauerlicherweise wurden ihre Ergebnisse - ebenso wie die Dissertationen von Gertrud Salmen zur
westfälischen Glasmalerei und Gertrud Maria Scheuffelen zu St. Kunibert in Köln, die im Rahmen ihrer Untersu-
chungen auch die Marburger Fenster mit einbezogen hatten10 - nicht publiziert.
Ansätze zu einer gewissenhaften Inventarisierung des gesamten Bestandes wurden in den sechziger Jahren im Rahmen
des neu gegründeten Forschungsvorhabens des CVMA unternommen. Hans Wentzel beauftragte Rüdiger Becksmann
mit der Bearbeitung der badischen und hessischen Glasmalereien, doch war ein solches Vorhaben, wie sich bald heraus-
stellen sollte, angesichts der Fülle des Materials von einer Person nicht zu leisten, sodass die weitere Bestandserfas-
sung für Hessen vorerst zurückgestellt werden musste. Einen erneuten Anlauf zu einer monographischen Bearbeitung
der Marburger Fenster unternahm Monika Bierschenk11. Ihre 1991 beim Deutschen Verein für Kunstwissenschaft
herausgegebene Studie behandelt aber lediglich die romanische Fenstergruppe; die angekündigte Publikation zu den
Glasmalereien der jüngeren Ausstattungsphase ist nicht erschienen. Schließlich konnte zu Beginn der neunziger Jahre
die Bearbeitung der hessischen Glasmalereibestände durch das CVMA wieder aufgenommen werden. Diese sah nun
die Aufteilung der in Hessen erhaltenen Glasmalereien auf drei Bände vor. Den Anfang machte mein Vorgänger Daniel
Hess, der im Jahr 1999 den ersten Teilband zu den mittelalterlichen Glasmalereien in Frankfurt und im Rhein-Main-
Gebiet publizieren konnte12 - allerdings ohne die zu diesem Bearbeitungsgebiet gehörenden Standorte Braunfels,
Lieh, Limburg, Grünberg und Wetzlar, die daher in den vorliegenden Band aufgenommen worden sind. Dafür wurde
mit Altenberg ein von Hess bereits weitgehend fertiggestellter Beitrag übernommen. Im Jahr 2009 wird der Band
meines Kollegen Uwe Gast zu den mittelalterlichen Glasmalereien in Darmstadt, Süd- und Rheinhessen erscheinen,
mit dem dann die Inventarisierung der hessischen Bestände zum Abschluss gebracht sein wird.
Das hier bearbeitete Kerngebiet umfasst den Regierungsbezirk Kassel, der 1945 im neu gebildeten Land Hessen neben
Darmstadt und Wiesbaden errichtet wurde. Es geht zurück auf das 1866 von Preußen annektierte Kurfürstentum Hes-
sen, dem 1929 das ehemalige Fürstentum Waldeck zugeordnet worden war. Hinzu kommt der Landkreis Marburg-
Biedenkopf, der 1981 im Zuge von Verwaltungsreformen an den neuen Regierungsbezirk Gießen abgetreten wurde.
Geschichtliche Voraussetzungen und Zusammenhänge
Die Christianisierung war von der fränkischen Reichsführung als Grundlage für eine stabile Herrschaft angesehen
worden. Deshalb ließ der Hausmeier Karl Martell die angelsächsische Mission mit militärischen Mitteln unterstützen,
was wesentlich zum Erfolg des Unternehmens beigetragen haben dürfte13. Es war der um 675 im englischen Wessex
geborene Bonifatius, der im päpstlichen Auftrag die Mission zur Christianisierung im nördlichen und östlichen Hes-
sen zu Ende führte. Zur Festigung der kirchlichen Machtstrukturen richtete Bonifatius die Bistümer Würzburg,
Erfurt und Büraburg bei Fritzlar als neue Verwaltungszentren ein. Nachdem sein Versuch gescheitert war, den Köl-
ner Bischofsstuhl zu erlangen und Köln zum Zentrum einer großen Kirchenprovinz zu erheben, erhielt er im Jahr
746 das Bistum Mainz und baute es durch die Einverleibung seiner eben gegründeten Bistümer zu einem klerikalen
Großbezirk aus. Eine wesentliche Grundlage dieser neuen Kirchenprovinz bildeten Klostergründungen. Fulda wur-
8 Stefan Hartmann, Aus den Anfängen der Denkmalpflege in Kur- 12 Hess 1999.
liessen, in: ZHG 101, 1996, S. m-116. 13 Hierzu und im Folgenden wird auf die »Geschichte des Landes Hes-
9 Wille 1952. sen« von Karl E. Demandt zurückgegriffen, die in einem Nachdruck
10 Salmen 1942, Scheuffelen 1951. der zweiten, neu bearbeiteten Auflage von 1972 vorliegt; s. Demandt
11 Bierschenk 1991. 3i98o. Darüber hinaus sei auf Heinemeyer 1986 bzw. 1997, verwiesen.
 
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