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Parello, Daniel; Hess, Daniel
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Marburg und Nordhessen — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 3,3: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2008

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.52865#0046

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KUNSTGESCHICHTLICHE EINLEITUNG

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geht der Neuorientierung der Marburger Bauhütte am Kölner
Dombau um die Mitte des 13. Jahrhunderts voraus; man darf
davon ausgehen, dass dieses wohl ambitionierteste Projekt im
Reich auf die Künstler eine enorme Anziehungskraft ausübte.
Köln bietet kurz vor der Jahrhundertmitte ein künstlerisches
Umfeld, in dem die Werke des thüringisch-sächsischen Za-
ckenstils vermutlich stark rezipiert worden sind (vgl. Textabb.
20-22). Das Zusammentreffen mit Werken westlicher Färbung
könnte hier für eine Variante des Zackenstils prägend gewesen
sein, die allerdings seit Hanns Swarzenski mit Mainz in Ver-
bindung gebracht wird60. In Mainz jedoch steht dieser »mittel-
rheinische« Zackenstil um sein Hauptwerk, dem höchstwahr-
scheinlich für den Mainzer Dom angefertigten Aschaffenbur-
ger Evangeliar (Textabb. 23)61, heute merkwürdig isoliert. Eng
damit verwandt ist eine verstreute Gruppe von Kunstwerken,
die bislang nicht eindeutig zu lokalisieren sind. Hierzu gehören
u.a. die Wormser Tafeln sowie die Glasmalereien aus Frank-
furt und in Assisi; neuerdings werden diese von Daniel Hess
einer Mainzer Großwerkstatt zugeschrieben, welche sich dort
in Folge der Fertigstellung des westlichen Domchores formiert
haben könnte62. Ihre entwicklungsgeschichtlichen Vorausset-
zungen sieht Hess unter anderem im Aschaffenburger Retabel,
der Gelnhäuser Chorverglasung und dem Christus-Franzis-
kus-Zyklus der Erfurter Franziskanerkirche63. Zu Letzterem
ergeben sich in der Tat gewisse Berührungspunkte, die sich mit
den allgemeinen kirchenpolitischen Verbindungen zwischen
Mainz und Erfurt begründen ließen. Könnten solche Werke aus
dem thüringisch-sächsischen Raum auch über Köln als einer
zentralen Gelenkstelle zwischen westlich und östlich geprägter
Stilauffassung Einfluss auf das Kunstschaffen am Mittelrhein
genommen haben?
In Köln trifft man auf eine beachtenswerte Gruppe von Minia-
turen, die als Grundlage einer solchen Stilentwicklung durchaus
vorstellbar wäre. Bereits Frank Martin hatte aus Vergleichen
mit Werken des Muldenfaltenstils die Frage aufgeworfen, ob
das Aschaffenburger Evangeliar nicht auch in Köln entstanden
sein könnte64. Meines Erachtens wären die Voraussetzungen in
den Buchmalereien der Kölner Königschronik und der Heister-
bacher Bibel zu suchen (Textabb. 20L)65. Neben Aachen wur-
63 Auf das Vorbild des Mainzer Westlettners, das Grabmahl Erzbischof Sieg-
frieds von Eppstein und die Wandmalereien der Marienkirche in Gelnhausen
hatte Swarzenski 1936, I, S. 26k, hingewiesen. Daniel Hess, Würzburg oder
Mainz? Zur kunstgeographischen Einordnung der Aschaffenburger Tafel, in:
Emmerling/Ringer 1997, S. 321-323, denkt an eine Mainzer Entstehung
der 1986 aufgefundenen Aschaffenburger Tafel. Dagegen weist Martin, Za-
ckenstil, 1997 auf Gemeinsamkeiten des Aschaffenburger Tafelbildes mit der
Würzburger Buchmalerei hin.
64 Martin, Zackenstil, 1997, hier S. 310-316.
65 Swarzenski 1936, I, S. 17-20, 90-94, Nr. 9k, II, Taf. 12-27. Die Kölner
Königschronik befindet sich heute in Brüssel, Bibliotheque Royale Albert Ier


Textabb. 16. Hildesheim, St. Michael, nördliche
Chorschranken. Ende 12. Jh.


Textabb. 17. Prophet Jesaja im Wurzel-Jesse-Fenster aus Lohne.
Münster, LWL-Landesmuseum für Kunst und Kultur-
geschichte, Westfälisches Landesmuseum. Soest, um 1250.
 
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