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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,4.1917

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Heft 19 (1. Juliheft 1917)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14298#0044

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in ihren besonderen Schicksalen: den
Wissenschaftler kümnrert der Baum
und der Mensch. Die allgemeinen
Seins» und Handlungsweisen gehen
ihn an, die man versetzen, umord«
nen und neu anwenden kann.

Nun aber gibt es den Menschen,
der nicht nur die allgemeinen
Ligenbeziehungen der Dinge und
Wesen erforscht, um sie diesem un«
geheuren Kodex von menschlichen
Nutzungsmöglichkeiten aller Dinge
einzuverleiben, den wir'Wissenschaft
nennen, sondern der sich um die
einzelnen Wesen kümmert und ja
zu ihnen sagt. Der sie in ihrer
Linzelbewegung, ihrem Selbstwert
und Selbstzweck zu erkennen sucht,
nicht um sie desto unentrinnbarer
zu beherrschen und umzuzwingen,
sondern um ihnen ihr Recht zur
Eigenmacht und sie in ihrer Eigen«
macht zu stärken und zu schützen.
Lrst dieser herrscht eigentlich von
Grund aus, er, der nicht herr-
schen will. Lr hat sich auch die
fremden Eigenziele zu eigen ge-
macht. So können Könige neben-
einander wachsen: ein „königliches
Geschlecht«.

Lrst dieser ist ganz Persönlich--
keit, der ganz unpersönlich geson«
nen ist. Lr ist der Sachliche. Ihn
ergreift die Welt um des Innen--
wesens willen, das sie offenbart.
Was sie ihm persönlich nutzt, in-
teressiert ihn im Grunde nicht. Wie
sie zu dem in ihr angelegten Ziel
gelangen kann, das beschäftigt und
sorgt ihn. Ls interessiert ihn span«
nend, brennend. Lr glaubt an die
eigene Lwigkeit, weil er wissen und
sorgen muß, wie die Dinge wei«
ter gehen. Ls wäre ihm unfaßbar
zu denken, dies könne ihm genom«
men und abgeschnitten werden.
Dies, das seines Lebens Leben ge--
worden ist: das Leben in der Welt
als Offenbarung. Er fühlt sich ver--
antwortlich dafür, daß sie die rechte
Bahn weitergeht; wie sollte der

Tod ihm diese Verantwortung neh-
men! Lr ist uneigennützig, weil
das, was man eigenen Nutzen nen--
nen könnte, ihn sozusagen gar nicht
mehr zu Haus trifft, oder doch nur
ein unendlich kleines Teil von ihm,
der sich über eine Welt gebreitet
hat. Er ist selbstlos, weil ein Selbst,
wie der Selbstsüchtige es meint,
ihm gar nicht mehr eignet.

Dies ist die seltene Art des ganz
mächtigen Menschen, der Herrscht wie
Gott herrscht, welcher sich in die
Wesen gibt, um seine Kraft in ihrer
Ligenart zu entfalten.

Sehr jugendliche Völker haben
den rohen Drang zu herrschen, in«
dem sie zwingen. Auch heute noch.
Unsre Stämme eroberten einst die
Welt; sie haben diesen Lhrgeiz
Hinter sich. Sie sind seitdem durch
viele Iahrhunderte schwerer Ge-
schichte und tiefer Gedankenbewe»
gung geschritten. Die Anerken-
nung fremder Eigenart ist bei ihnen
zu höchster Macht gestiegen. Wir
wollen die Völker, die heute für
die Kultur zu kämpfen vorgeben,
gelassen nach dem Beweis der Ge-
sinnung fragen, die wir uns selbst
mit großem Lrnst abfordern. Die
Geschichte wird richten, die einst
unsre ganze Lntwicklung in einer
Linheit sehen und ihren Zusam-
menhang und ihre Folgerichtigkeit
beurteilen wird. ^ Bonus

„Iohann Christoph inParis"

e^>un können wir von Romain
^^Rollands „Iean Christophe" den
zweiten Band anzeigen. Die Ligen-
art des Werkes erlaubt, ohne Um-
schweif auf den Inhalt, den Stoff
einzugehen. Dieser Stoff ist: Frank-
reich, gesehen von Rolland. Rol-
land spaltet sich für diese Arbeit
in zwei Persönlichkeiten, den deut-
schen Musiker Iohann Christoph
Kraft, einen scharfen, aber nirgends
HLmischen Kritiker, und in Olivier
Ieannin, Christophs echt-französischer


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