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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,4.1917

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Heft 20 (2. Juliheft 1917)
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Corbach, Otto: Produktionszwang im Kriege
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https://doi.org/10.11588/diglit.14298#0078

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sehen, gerade dre Versechter ungehemnrter volkswrrtschaftlrcher Frerhert rm
Krrege. Wrrd doch z. B. Herr v. Oldenburg-Ianuschau nrcht müde, rmmer
wreder zu erklären, man hätte nur Kartoffeln und Schwerne „rn Ruhe",
d. h. dre Prerse ungehemmt stergen zu lassen brauchen, unr berdes rn ge-
nügenden Mengen haben zu können. Also: dre Möglrchkert einer
Mehrerzeugung wrrd zugegeben, nur der Anrerz zu ihr fehlte; an
seine Stelle aber hätte Zwang treten können. Wenn man nun be«
hauptet, vernünftige Zwangsmaßnahmen HLtten die Bauern störrisch ge-
macht, sie zu „passiver Resrstenz" aufgereizt, so daß sich dennoch eine
größere Knappheit an Lebensmitteln ergeben haben würde, so beleidigt
man damit den gesamten Bauernstand. Ist es nicht eine selbstverständ-
liche Kriegspflicht, daß der Erzeuger vor allem das hervorbringt, was
das ganze Volk am dringendsten braucht, und zwar, bis zur Deckung
des Bedarfs, unter Aufbietung aller Kräfte? Rur soweit der Lrzeuger
dieser seiner Pflicht gerecht wird, kann man anderseits vom einzelnen
Verbraucher erwarten, daß er guten Mutes sich dem Zwange unterwirft,
für die Gesamtheit zu hungern, soweit die jeweiligen Vorräte nicht ge-
nügen. Was und wieviel auf einem bestimmten Acker gedeihen kann, läßt
sich immer leicht feststellen, die hauptsächliche Voraussetzung für einen
maßvollen, vernünftig angewandten Produktionszwang ist also gegeben.

Der Grundsatz vom freien Spiel der Kräfte ist in landwirtschaftlichen
Kreisen, in denen er heute verkündet wird, nicht immer so beliebt ge-
wesen. Der vor einigen Iahren gestorbene volkswirtschaftliche Berater
des Bundes der Landwirte, Professor G. Ruhland, empfahl z. B. etwas
ganz anderes, nämlich eine SyndLzierung der gesamten Landwirtschaft,
nach Maßgabe eines Syndikatsgesetzes ^), das folgende Bestimmung ent-
halten sollte: „Der Kontingentierungsvertrag hat von dem bestehenden
volkswirtschaftlichen Bedarf auszugehen. Die Produktion soll sich
dem Bedarf anpassen. Daneben sind Vorräte zu halten, groß
genug, um eine möglichst stetige mittlere Preispolitik zu sichern. Das
Kontingent des einzelnen bestimmt sich nach seiner bisherigen Teilnahme
an der Deckung des volkswirtschaftlichen Bedarfs." Das ist ein unzwei-
deutiges Bekenntnis zum Produktionszwang! Ein tadelloses Funktio-
niererr der von ihm empfohlenen Syndikatsorganisationen, meinte Ruh-
land ferner, setze voraus, „daß überall ein einsichtsvoller staatlicher Be-
amter an Ort und Stelle das Material der Statistik hinsichtlich seiner
Zuverlässigkeit kontrolliert, die Bevölkerungsmasse zur pünktlichen Ein-
haltung der von der Zentrale aufgegebenen Ablieferungstermine erzieht,
Streitigkeiten sofort schlichtet und den Geist des brüderlichen Zusammen-
wirkens zu erhalten versteht". So wenig huldigte Ruhland, der lange
genug praktischer Landwirt gewesen war, um die „Psyche" des Bauern
zu kennen, den freihändlerischen Grundsätzen, die in einigen landwirt-
schastlichen Kreisen in Kriegszeiten plötzlich Mode wurden, daß er die
Bauern einem allgemeinen Buchführungszwange unterworfen wissen wollte.

Gleichviel nun, ob gerade Ruhlands besonderer Vorschlag vorzuziehen
wäre oder ein anderer — hätte man sich zu Beginn des Krieges an den
maßgebenden Stellen dazu entschließen können, den Hebel des Zwanges
an den richtigen Stellen anzusetzen, so würde man mit wenigen Ver-
ordnungen hunderte von denen vermieden haben, zu denen man sich

^ Vgl. Ruhland, Syst. d. polit. Okonomie, III, 3V.
 
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