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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,4.1917

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Heft 20 (2. Juliheft 1917)
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Corbach, Otto: Produktionszwang im Kriege
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https://doi.org/10.11588/diglit.14298#0079

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später veranlaßt sah, man hätte vor allem tzandel und Verkehr vrel
weniger durch gewaltsame Eingriffe zu belästigen brauchen, als es ge--
schehen ist. Die tatsächlich angewandten Zwangsmaßnahmen mußten aller«
dings zum T'eil versagen, zum Teil geradezu schaden. Zum Produktions-
zwang ist es aber sogar heute vielleicht noch nicht zu spät.^)

Otto Lorbach

^ Der Gedanke an einen Erzeugungszwang beschäftigt, in irgendeiner Fornr,
heute so viele Geister, daß wir Herrn Corbach gern darüber das Wort gegeben
haben. Es sei im Anschluß daran ein Vorschlag kurz besprochen, den Bert-
hold Otto in seinem Buch „Kriegsrechenwirtschaft" (Warneck, Berlin (9(6)
macht, und der ebenfalls manche Anhänger sand. Otto verspricht sich nicht
viel vom Zwang, redet aber einem wirtschaftlichen „Burgfrieden" das Wort,
der den Unternehmerkampf im geschlossenen deutschen Wirtschaftsgebiet auf
Kriegszeit und darüber hinaus stillegen sollte. Weiterhin sei durch eigens zu
schaffende statistische Amter jede erzeugte Ware sofort zu verzeichnen, ebenso
jede Bewegung (Verkauf, Transport) der Ware, so daß die statistischen Zen-
tralen stets über Menge und Aufenthalt der Ware Bescheid wissen. Ferner
soll ein genauer Tarif festgesetzt werden, welchen vom Hundert-Gewinn jeder
Zwischenhändler machen darf, so daß Anfang- und Endpreis jeder Ware von
vornherein feststände. Am richtige Bestandsangaben und Schätzungen zu sichern,
soll ein gewisser Teil des zu erwartenden Ernte-Ertrags vorausbezahlt werden.
Auch dürfen nicht mehr als drei Zwischenhändler eingeschaltet sein, und von
den Zwischenaufschlägen ist ein Teil als Steuer einzuziehen. Neben der Sta-
tistik und Tarifierung der Lebensmittel muß Otto einen Lohntarif und verschie-
dene andere Tarife vorschlagen, um sein Sicherungssystem zu festigen. Endlich,
um genaue Angabe der Beschaffenheit, Menge und Bewegung der Güter zu
erzwingen, schlägt Otto einen Zwang zum bargeldlosen Verkehr vor. Wer
unter den jetzigen Zahlungsbedingungen nicht anmelden und statt dessen heim-
lich verkaufen würde, ließe sich bar oder in Wechseln bezahlen und wäre nie
»M fassen", denn dem Geld, diesem „Schleier der Maja", kann man nicht an-
sehen, was damit bezahlt worden ist. Findet nun aber ein Zwang zum allge-
meinen bargeldlosen Zahlen statt, wobei alles Papiergeld eingezogen und alles
Metallgeld für den Außenhandel reserviert würde, so ergäbe sich folgende
Sachlage: Iede erzeugte Ware wird dem Besitzer beim Scheckamt (Postscheck-
ämter müssen natürlich zu Tausenden gegründet werden) gutgeschrieben» jeder
Kauf wird ihm abgeschrieben; gutgeschrieben wird dem Landwirt auch jener
im voraus geschätzte Teil des Ernteertrags. Die Folge des Systems ist, daß
kein Warenkauf und -verkauf heimlich stattfinden kann, denn das Scheckamt
kann alles leicht kontrollieren und in ständiger Verbindung mit dem statisti-
schen Amt arbeiten. Auch sonst <ermöglicht das System eine tiefgehende,
fruchtbare und genaue Kontrolle der gesamten Volkswirtschaft. Otto führt
seinen Vorschlag bis in viele Einzelheiten hinein aus, behandelt die Frage
des Zinses, der Hypotheken, der Kriegskostendeckung, aber auch die Einzel-
formen des Abergangs zur Kriegsrechenwirtschaft und des alltäglichen bargeld-
losen Verkehrs. All das liest sich vortrefflich; jedes schwierige Problem wird
theoretisch gelöst, und auch die praktischen Schwierigkeiten erscheinen, auf das
durchgeführte Shstem gesehen, als nicht zu groß. Es entfaltet sich das schöne
Bild einer echten Volks wirtschaft, ohne allzuviel Angerechtigkeit und mit
vernünftiger Ausnützung aller Kräfte. Besser als jeder Erzeugungszwang
würde diese Rechenwirtschaft, unendlich besser als unser gegenwärtiger Betrieb

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