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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,4.1917

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Heft 20 (2. Juliheft 1917)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14298#0116

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wegung unter vaterländischer Gesin-
nung verstehen. Viele von ihnen
sind, zum Teil auch als Freiwillige,
mit hinausgezogen in den blutigen
Kampf um des Vaterlandes Be-
stand. Sie liegen nun als einfache
Soldaten oder als Zug- und Kom-
pagnieführer im Schützengraben oder
schlummern schon in Feindesboden;
mancher wurde auch als Schwer-
verwundeter oder Krüppel wieder in
die Heimat geschickt. Die zu Hause
Gebliebenen mußten sich in den drei
Kriegsjahren in schwer behinderter
Arbeitsfähigkeit in der Hauptsache
darauf beschränken, die Flut von
Kriegsschriften zu beobachten, die
sich über Volk und Iugend ergoß,
um Geeignetes aus ihr herauszu-
fischen. Daß sie dabei Gelegenheit
und Möglichkeit fanden, Bestand
und Wohl des deutschen Vaterlan-
des — von dem ihr eigenes Wohl
und Wehe schließlich ja doch nicht
weniger abhängt als das anderer
Staatsbürger — anzugreifen und zu
untergraben, wird kaum jemand ver-
muten. Um so erstaunlicher ist es
darum, daß einer, der damals schon
Arm in Arm mit Kotzde und Scholz
gegen die Gebilde seiner eigenen
Phantasie zu Felde zog, gerade jetzt
die Zeit gekommen gtaubt zu er-
neutem Anrennen gegen Windmüh-
lenflügel.

Professor Karl Brunner, Dezer-
nent am Berliner Polizeipräsidium
für Kino und Schundliteratur, hat
ein Büchlein geschrieben „Ansere Iu-
gend, unsere Zukunft"; die „Deut-
sche Kolonial-Kriegerspende" hat's zu
Wohlfahrtszwecken herausgegeben,
und Dutzende von Zeitungen preisen
es. Darin stehen manche richtige
Gedanken, wie der dem preußischen
Minister des Innern nachgespro-
chene, daß man Erziehungsfragen
nicht mit Hilfe der Polizei lösen
könne und solle, und der audre auch
nicht mehr ganz neue, daß ein Iu-
gendführer Optimist sein muß, der

der Iugend ein warmes Herz und
unbedingte Wahrhaftigkeit entge-
genzubringen vermag. Dazwischen
aber hält Brunner es jetzt, mitten
im Kampfgetöse, für nötig, die al-
ten hohlen Klagen mit genau der
alten, schauerlich beweglichen Me-
lodie anzustimmen.

„Gegen eine dreifache Autorität,
die uns unantastbar sein soll, die
namentlich als Palladium aller Iu-
genderziehung zu gelten hat, ist man
Sturm gelaufen von seiten der
Propheten eines neuen »Iahrhun-
derts des Kindes«, einer »freien Iu-
gendkultur«, die mit ihrer aufdring-
lichen Stimme den Markt und die
Presse mit wachsendem Erfolg zu
beherrschen strebten: gegen die Auto-
rität der Familie, des Staates und
der Religion." „Es mußte jedem
Vaterlandsfreund unbegreiflich er-
scheinen und ihm das Herz blu-
Len lassen, daß es unter den beru-
fenen Iugenderziehern einige —
allerdings glücklicherweise nur ver-
einzelte — Radikalgesinnte gab, die
freilich, bttter sei es geklagt, Führer-
rollen rn der deutschen Lehrerschaft,
insbesondere in der von dieser ge-
tragenen Iugendschriftenbewegung
sich anmaßten — die schlechthin den
Verzicht auf das Bekenntnis zur
Sache des Vaterlandes der Iugend
gegenüber forderten — aus erziehli-
chen GründenN. . . und noch heute
haben jene Vertreter solch armseliger
und verdammenswerter Erziehungs-
grundsätze ihre Meinung nicht ge-
ändert, sie halten mit ihr nur un-
ter dem gewaltigen Druck der Zeit-»
ereignisse klugerweise zurück, versu-
chen aber bereits wieder auf
Schleichwegen den Boden für ihre
unheilvollen Einflüsse in der Zeit
nach dem Kriege vorzubereiten."
„Zu früh hatten jene triumphiert, die
die Iugend hinter sich zu haben
glaubten, wenn sie gegen die Grund-
lagen anstürmten, auf denen die
Macht und Größe unseres Volks-

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