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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,4.1917

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Heft 20 (2. Juliheft 1917)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14298#0118

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gar ohne das unpersönlrche Feigen-
blatt.

Das ist ja wohl der Hintergrund,
aus dem das Pathos eines besorg-
ten Vaterlandsretters („es mußte je-
dem Vaterlandsfteund das tzerz blu--
ten lassen. . .") am reinsten und
vollsten hervorschallen muß.

Paul Samuleit

Die Bilanz

gk^ie Aktiengesellschaft arbeitete für
^^das Vaterland. Die Bilanz war
nahe. Der Direktor ließ den tzaupt-
buchhalter rufen: „Sie haben die
voraussichtliche Kriegsgewinnsteuer
im voraus abgesetzt?" „Doppelt,
tzerr Direktor." „Die Begehrlichkeit
der Arbeiter ist im Wachsen. Setzen
Sie auch sonst die schwarze Brille
zur Bilanz auf." Das tat der Vuch-
halter, und sofort erschienen die Fa-
brikgebäude minderwertig, das Mo-
biliarkonto schnurrte auf ein paar
Mark zusammen, und das Waren-
vorratskopto bekundete die Beigung,
ins Minus zu geraten. „tzaben Sie
den Gewinn jetzt kleingekriegt?" „Er
sprengt noch immer Kist und Kasten,
tzerr Direktor." „Was soll das dicke
Debitorenkonto auf der Aktivseite?
Angenommen, die Leute, die uns
schulden, würden mal bankrott."
Da glich der Buchhalter das große
Aktivkonto durch ein Delkredere-
Vorsichtskonto auf der Passivseite
aus.

„Na?" fragte der Direktor. „Im-
mer noch nicht in den Fugen."
„Dann verpichen Sie mit ein paar
Wohlfahrtskonten." Der Buchhalter
versuchte. „Kann er sich jetzt sehen
lassen, der Gewinn?" „Ist noch im-
mer zu dick!" „Dann verwässern Sie
das Kapital durch Gratisaktien."

Bald drang aus allen Konten-
poren das Wasser. Aber genug
schwemmte es doch nicht weg. Sollte
man 'mal dre Kassenschränke offen
lassen? Man geniert sich doch bei
einer Aktiengesellschaft, die dem Va-

terlande dient! Und außerdem sind
auch die Häfen nach Amerika ge-
sperrt. Oder sollte man mehr Ge«
heimkonten anlegen?

Iedenfalls: Nach einem Viertel-
jahr konnte der Direktor der Gene-
ralversammlung eine Bilanz vorle-
gen, von der es in der Presse hieß:
„Endlich eine Gesellschaft, die dem
Vaterland mit keinem unanständigen
Nutzen dient." Fritz Züricher

Unter uns

m 22. Iuni waren seit Wil-
helms von tzumboldt Ge-
burt anderthalb Iahrhunderte ver-
flossen. Nur ein dummer Zufall ist
daran schuld, daß wir das nicht
rechtzeitig bemerkt haben, aber einen
Gedenkaufsatz hätten wir auch dann
nicht gebracht. Wilhelm von tzum-
boldt war unserer Aberzeugung nach
nicht nur einer jener „Reformer",
deren Kreis den edelsten Gehalt des
Preußen-Deutschtums in einer Ar-
beitsgenossenschaft von einziger Be-
deutung auswirkte. Nein, er war
so viel, daß sich unter den Kriegs-
verhältnissen zu seiner Würdigung
jetzt weder in unserer Zeitschrift der
Raum noch unter ihren Lesern die
Muße und eigene Stimmung ge-
winnen ließe. Wir hatten zu seiner
Würdigung Besonderes geplant, da
brach der Krieg aus, und nun müs-
sen wir unseren Versuch noch weiter
vertagen.

Arndt zur Zeit

ie Zeit, worin wir leben, hat
uns DeuLschen zugemuteL, poli-
tische Menschen zu werden. Es hat
schwerer Iahre bevurft, daß wir aus
dem dämmernden Traum einer
Gleichgültigkeit geweckt würden, die
dem deutschen Namen fast den Nn-
tergang drohte. Gottlob, uns ist
wieder ein Vaterland gezeigL wor-
den, ein Ziel, worauf alle Deut-
sche als Volk schauen, wofür sie
streben und arbeiten sollen. Immer
aber gilt noch mit Recht die Klage,
 
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