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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,4.1917

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Heft 21 (1. Augustheft 1917)
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Heft 22 (2. Augustheft 1917)
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Corbach, Otto: Geld, 1: Geld und Macht
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https://doi.org/10.11588/diglit.14298#0176

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Kräfte im Sinn, vielmehr stellt man sich vor, daß ein unerträglicher Mangel
an Lebensmitteln, Kleidern, Rohstoffen, Munition usw. entstehen könnte.
Ie länger der Krieg dauerte, desto besser lernten die ihn führenden Völker
wirtschaftliche Vorgänge ohne den „Schleier der Maja", den das Geld«
wesen bedeutet, betrachten. Damit verlor aber das Geld ohne weiteres
einen großen Teil der Macht, die es im Frieden ausübte.

Wie wenig der Krieg der Fesseln achtet, durch die ihn die herkömm«
lichen Geldmächte bändigen zu können glaubten, erkennt man heute, wenn
man hört, daß sich die Wissenschaft schon ernsthaft mit der Frage beschäftigt,
ob die Goldwährung den Krieg überdauern werde. An Anzeichen dafür,
daß sie bereits ins Wanken geraten sei, fehlt es gewiß nicht. Die schwe«
dische Staatsbank hat anfangs Gib sich weiterer Goldzufuhr verschlossen,
und am 7. November wurde aus Äew Pork gemeldet, tzerr Davison
vom Bankhaus I. P. Morgan L Co. habe zu den Bemühungen um Unter-
bringung einer weiteren Vierverbandsanleihe erklärt, daß eine neue er-
hebliche Blanko-Anleihe vergeben werden müsse, und hinzugefügt, „die
Goldeinfuhr bedeute eine große Gefahr für Amerika". Wie wenig Wert
für den internationalen Zahlungsverkehr würden aber die „Golddecken"
in den Schuldnerländern mehr haben, wenn die Gläubigerländer kein
Gold mehr in Zahlung nehmen wollten? Und daß für den Inlandsver-
kehr eine Währung ohne Edelmetalldeckung möglich ist, sieht auf Grund
der im Kriege gemachten Erfahrungen nachgerade jedes Kind ein.

Wie naiv erscheint uns unter solchen Umständen heute der Wunder-
glaube, der im Mittelalter viele der besten Köpfe wähnen ließ, Geld schaffe
Güter, je mehr Geld da wäre, desto mehr Wohlstand gebe es, ganz gleich,
wie man dazu komme. Daher rührte ja das rastlose Bestreben der Alchi-
misten, aus unedlen Metallen Gold, d. h. Geldstoff herzustellen. Als Adam
Smith den für uns Heutige so selbstverständlichen Gedanken ausdrückte,
Gold und Silber seien bloß Werkzeuge, nichts anderes als Kochgeräte,
und ihr Import steigere an und für sich so wenig den Wohlstand der
Länder, wie man durch die Vermehrung der Kochgeräte schon mehr zu
essen hat — da bedeutete das noch eine revolutionäre Tat. Seitdem lehrte
uns die strenge Schule der Wirtschaftswissenschaft, in der Arbeit statt im
Gelde die Quelle aller Güter zu sehen, und je mehr die Strahlen dieser
neuen Wahrheit auch zu den unteren, hart arbeitenden Volksfchichten
drangen, desto stärker regte sich in diesen das prometheische Bestreben,
die Macht, die durch Geld ausgeübt wird, zu brechen, den Mammon aus
einem Gott und tzerrn in ein Geschöpf und einen Knecht zu verwandeln.

Geld soll ein Tauschmittel sein: daß es bisher auch als Machtmittel
dienen konnte, hat unendlich viel Anheil gestiftet. Es darf aber allen, die
noch heute darunter zu leiden haben, zum Troste gereichen, daß Zeiten
einer ausgesprochenen Geldherrschaft stets Zeiten raschen Niedergangs für
die jeweils herrschenden Kreise gewesen sind. Man denke an die Verwelt-
lichung der italienischen Kirche im und Iahrhundert, die in der
Simonie ihren glänzendsten Ausdruck fand. „Auf Geld", sagt darüber
Georg Simmel, „war alles gestelkt, und für Geld alles zu haben, von der
Papstwahl bis zur Einsetzung des armseligsten Landpfarrers, von der
großartigsten Klostergründung bis zum Aussprechen der Formel, durch die
Florentiner Priester den Wein, in dem Mäuse ertrunken waren, wieder
sühnten und genießbar machten." Die Folge war, daß sich alle starken
frommen Naturen in den Orden sammelten, die, wie der der Franziskaner,
 
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