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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,4.1917

DOI Heft:
Heft 21 (1. Augustheft 1917)
DOI Heft:
Heft 22 (2. Augustheft 1917)
DOI Artikel:
Corbach, Otto: Geld, 1: Geld und Macht
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https://doi.org/10.11588/diglit.14298#0177

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die Arinut als die ideale Forderung für den Geistlichen priesen, und
gerade dadurch mit der Zeit die meiste kirchliche Macht gewannen. Im
Erwerbsleben scheint ja nun das Bestreben, durch Geld zu herrschen,
weniger verhängnisvoll zu sein, als im Leben religiöser Vereine, die ohne
weiteres in Widerspruch mit ihren Grundsätzen geraten, wenn sie sich mit
irdischen Gütern mehr beschäftigen, als unbedingt nötig ist; doch das scheint
nur so, weil man die wirklichen Verdienste reicher Geschäftsleute um eine
gemeinnützige Verwertung des Geldes als Tauschmittel zu übersehen pflegt.
Hätte der moderne Kapitalismus nicht auch dem Gelde als Tauschmittel
zu neuen ungeahnten, wunderbaren Wirkungen verholfen, hätte er nur seinen
Mißbrauch als Machtmittel gefördert, wie es nach einem Teil der sozialisti-
schen Literatur scheinen könnte, seine tzerrschaft wäre längst dahin. Warum
sind die Vereinigten Staaten mit ihrem rücksichtslosen Industriefeudalis»
mus noch immer ein gelobtes Land für süd- und osteuropäische Landarbei-
ter, die seit Iahrzehnten in solchen Massen dorthin strömen, daß heute in
der amerikanischen Industriearbeiterschaft auf je drei geborene Amerikaner
einer von ihnen kommt? Sie finden zunächst in den kümmerlichsten und
schmutzigsten Gewerben Verwendung zu Löhnen, die tief unter denen der
einheimischen amerikanischen Arbeiter stehen. Und sie sind dennoch glück-
lich, dem grundherrschaftlichen Unterdrückungssystem ihrer alten tzeimat
entronnen zu sein, Verhältnissen, wie sie früher auch in den Staaten West-
europas vorherrschten, wo heute nur noch Reste davon durch Beschäftigung
fremder, kulturloser Landproletarier aufrecht erhalten werden können. Rm
die persönliche Freiheit zu würdigen, die der tzandarbeiter durch die ent--
faltete Geldwirtschaft der Neuzeit gewonnen hat, vergleiche man die blind-
wütigen Bauernaufstände des Mittelalters mit der modernen planmäßigen
Lohnarbeiterbewegung. Die Aussichten für die Freiheitskämpfe des nie-
deren Volks sind in dem Maße günstiger geworden, wie die grundbesitzende
Klasse Macht eingebüßt, die geldbesitzende solche gewonnen hat. Die Kraft
des Kapitalismus ist seinen Verdiensten um die Förderung des Geldes als
eines Tauschmittels entquollen; das Bestreben, es auch als Machtmittel
zu verwenden, ist die Krankheit, an der er zugrunde gehen muß. Das be-
weisen schon die bisherigen Lrfolge des proletarischen Klassenkampfes.
Gelingt es den Arbeitgebern nicht, als Menschen die Sympathien
ihrer Arbeiter zu gewinnen, so werden sie früher oder später den Arbeiter-
führern das Feld räumen oder vor diesen zu Kreuze kriechen müssen.

Wenn Geld und Zwang sich miteinander vertrügen, so würden sich
nicht immer gerade politisch Geächtete und Verfolgte zu erfolgreichen Geld-
erwerbern entwickeln. Die Iuden sind dafür das bekannteste, wichtigste,
aber durchaus nicht einzige Beispiel. Im alten Rom waren die Frei-
gelassenen an der Vermögensbildung am meisten vom Glück begünstigt, ob-
gleich oder weil sie keine vollberechtigten Bürger waren. In Spanien ent-
falteten früher die allgemein verachteten Moriskos die besten Fähigkeiten
für den Gelderwerb, wie heute in der Türkei unter ähnlichen Bedingungen
die Armenier. In Indien sind die wegen religiöser Unduldsarnkeit aus
Persien geflüchteten, als fremde Llemente gemiedenen Parsen meist Wechs-
ler und Bankiers. Auf gleiche Weise erklärt sich der erfolgreiche Erwerb-
sinn der tzugenotten, Ouäker und tzerrnhuter. Nicht die Macht, sondern die
Ohnmacht ist die Lehrerin der Kunst, mit Geld umzugehen, und das beweist,
daß nur der zwanglose Gebrauch des Geldes als Tauschmittel zwischen frei
wollenden Menschen seiner Bestimmung entspricht.

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