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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,4.1917

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Heft 23 (1. Septemberheft 1917)
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Corbach, Otto: Geld, 2: Geldreform
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https://doi.org/10.11588/diglit.14298#0216

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an Goldminen in Transvaal wie in Australien fast vollständig entwertet
sehen würde". Denn Gold als Ware würde, wenn nicht mehr der Ge»
danke der zu knappen Golddeckung den Wetteifer der kaufenden Staats»
banken anstachelt, ebensosehr im Preise sinken, wie das Silber in jenen
Tagen, als die indischen Münzstätten geschlossen wurden.

Unter solchen Umständen verdient die „Neue Lehre vom Geld und
Zins" ernsthafte Beachtung in weiteren Kreisen, die Silvio Gesell als ein
Prediger in der Wüste schon seit einer Reihe von Iahren verkündet^;
denn darin wird die Bindung des Geldwesens an Edelmetallvorräte als
ein Fluch für die Kulturmenschheit gebrandmarkt. Gesell geht von An-
schauungen aus, die schon Proudhon hegte. Dieser wollte allerdings in
seinem gerechten Zorne über die Geldbesitzer, die aus dem Gelde, das
ein Schlüssel der Märkte sein soll, einen Riegel dafür gemacht haben,
das Geld überhaupt abschaffen und durch eine „Tauschbank" den un«
mittelbaren Tauschhandel allen Bnforderungen der modernen Arbeits-
teilung anpassen. Gesell glaubt dagegen in einem besonderen Reform»
geld ein untrügliches Mittel zur Befreiung der Kulturmenschheit aus der
Zinsknechtschaft gefunden zu haben.

Gesells Schriften zu lesen macht Freude, denn er hat die Tatsachen,
auf die er sich stützt, mit klaren, von keiner vorzeitigen Belesenheit ge-
trübten Augen im praktischen Leben als Kaufmann und Landwirt und als
ein Mann, der viel in der Welt herumgekommen ist, beobachtet, und in
seinen Worten, die sich frei, leicht und anspruchslos zu Sätzen von starker
Bildhaftigkeit und eindringlicher Beredsamkeit aneinanderreihen, brennt
die Leidenschaft eines reinen, nur um Wahrheit und Klarheit bemühten
Forschers. Er ist für das Geldreformproblem vielleicht etwa das, was
Henry George für das Bodenreformproblem bedeutet.

Gesell will zunächst das Geld vom Golde oder Silber streng unter-
schieden wissen. Er ist der Meinung, daß der Stoff, aus dem das Geld
gemacht wird, mit seiner Funktion als Tauschmittel nicht das mindeste zu
schaffen hat. Darin, scheint mir, hat er vollkommen recht. Me jene
Theorien, daß das Geld „Substanzwert" haben müsse, damit „Dinge von
Wert" damit gemessen werden könnten, sind nichts als tzirngespinste,
mag der wissenschaftliche Ruf ihrer Schöpfer noch so groß sein. Daß selbst
geniale Köpfe Gelehrsamkeit nicht vor Torheit schützt, beweist ja das Stre-
ben mittelalterlicher Gelehrter vom Range eines Albertus Magnus oder
eines Paracelsus, den „Stein der Weisen^ zu entdecken. Als Tausch-
mittel sind Münzen nicht „Metallbarren, deren Gewicht und Feingehalt
durch den Stempel gewährleistet wird", wie die Währungstheoretiker be-
haupten, sondern Fabrikate, deren Bedeutung nicht ihr Stoff, sondern ihre
Verwendung bestimmt, wie Gesell sie auffaßt: „Wer sich die Mühe geben
will, die Währungsliteratur durchzustöbern, wird die Beobachtung machen,
daß das Geld regelmäßig nicht als ein ganz bestimmten Zwecken dienendes
Fabrikat (Tauschmittel), sondern als ein Rohstoff für Industriezwecke (Iu-
welier) behandelt wird, welches die Geldfunktion nur nebenbei, vorüber-

* Silvio Gesell: „Die natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und
Freigeld", Physiokratischer Verlag (Georg Blnrnenthal) Berlin-Großlichterfelde,
Ringstr. V- Eine knappere Darstellung enthält die kürzlich im gleichen Ver--
lage erschienene Schrift Georg Blumenthals: „Die Befreiung von der Geld-
und Zins-Herrschaft".
 
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