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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 30,4.1917

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Heft 24 (2. Septemberheft 1917)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14298#0279

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Entwicklung sich anschließen würde,
wie sie rnit Vergewaltigungsversw-
chen und Achtungsparolen gegen
Andersdenkende uns früher zu Zei-
ten bedrohte. Wir haben diese dun-
keln Fehlerquellen in der Einigkeit
des Kriegs versiegen sehen. Wir
nehmen mit Erschrecken wahr, daß
sie hie und da neu hervorsickern.
Wir bemerken, wie man es un--
ternimmt, die Bewährung des Vol-
kes im Weltkrieg in eine Bewäh-
rung jener Fehler umzulügen. Das
wäre verhängnisvoll. Stärken wir
mit aller Kraft und Energie die
Gegenkräfte der Sachlichkeit, der Ge--
rechtigkeit, der Freude am Volk und
des Vertrauens auf seine Art, Kraft
und die ihm eingewurzelten Bil--
ligkeits-- und Selbstzuchtgefühle.

Bonus

^Das Grab des Lebendigen"

in neuer Roman Franz Nabls
bedeutet unter allen Rmstän-
den für den Freund und Ken-
ner unsres Schrifttums ein ge-
wisses „Ereignis". Der Dichter des
„Odhofs", jenes großartigen und
packenden Romans, der nun schon
sechs Iahre vorliegt, mag irgend-
welche betiebigen Pfade einschlagen
— Bedeutsames wird er immer zu
sagen haben. Das „Grab des Le»
bendigen" ^ ist eine breite und ein-
gehende Studie aus dem kleinbür-
gerlichen Leben. Nabl erzählt den
Lebenslauf eines kleinen Bankbeam-
ten. Man lernt seine Großeltern
kennen, „herrschaftliche" Gärtners-
leute schlichter, einfältiger Art. Da-
nach den Vater, einen nüchternen
Mann, der sich bis zum Eisenbahn-
Inspektor heraufarbeitet und selbst-
zufrieden auf seiner bürgerlichen Da-
seinsstufe dahinlebt; die Mutter,
die einst bessere Tage sah, als spätes
Mädchen dem nur halb willkomme-
nen Freier folgte und nun peinlich

sauber, fanatisch ordentlich, in kühler
Unterwürfigkeit den Haushalt führt.
Ortliebs haben drei Kinder, zwei
Schwestern und den Knaben Walter.
Erschütternd eintönig verläuft ihr
Leben, in dem kleinste Kleinigkeiten
nun die Rolle großer Ereignisse
übernehmen. tzalt gibt der Familie
jener unsäglich törichte Stolz darauf,
daß sie ihr Auskommen, ihre bür-
gerliche Reputation hat und sich
nichts zuschulden kommen läßt. Er
verdichtet sich allmählich zu einer völ-
ligen Selbstabschließung gegen die
Außenwelt, auf welche die Familie
gehässig, kleinlich-hochmütig, mit lei-
sem Grauen vor ihren vielen Mög-
lichkeiten herabsieht. Enger wird die
Abgeschlossenheit, da der Vater stirbt.
Nun wächst der Sohn heran, weniger
behütet von der Mutter als von der
eignen Mutlosigkeit, die durch ein
Gebrechen noch erhöht ist, aber still
leidenschaftlich bewacht von der älte-
ren Schwester, die allmählich zur
tzerrscherin des kleinen Kreises sich
aufmacht. Sie ist es, welche der Iütr-
geren bescheiden keimendes Liebeglück
mit giftigen Worten zerstört, sie, die
Verkümmernde, verhindert mit allen
Mitteln der Aberredung und Intrige
des Bruders schüchterne Versuche,
sich dem Leben draußen zu nähern.
Er ist schon erwachsen, da holt sie ihn
noch mit zwingender Gebärde mit-
ten aus einer lärmenden Zechgesell-
schaft, in die er sich ein einziges
Mal verirrt hat; er ist schon reis
und selbständig, als sie — in Angst
vor einem Liebesabenteuer, das ihm
begegnen könnte — die Schwester
dazu bringt, mit ihr gemeinsam den
Bruder in den Keller einzusperren.
Da lebt der Krüppel denn iage-
lang; sie hat die Behausung liebe-
voll eingerichtet und läßt es an nichts
fehlen. Doch bald kommt die seltsame
Tat ans Licht, Polizei dringt ins
tzaus; die rasende Schwester drückt
auf den Bruder den Revolver ab;
doch der letzte Versuch, den Gegen-

^ Fleischel, Berlin M?» 7.50 M.
 
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