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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,2.1918

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Heft 8 (2. Januarheft 1918)
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Schumann, Wolfgang: Adalbert Stifter
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Avenarius, Ferdinand: Wilhelm Trübner
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https://doi.org/10.11588/diglit.14372#0058

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stein, Himmelbauer, Hohlbaum, Leuteritz, Hladnh, Decsey, Lux, ,W. Fischer und
vielen anderen, selbst einem Hermann Bahr, sieht man es an, datz sie einmal
durch Stifterschen Geist hindurchgegangen sind; aber auch Ligenwüchsigere wie
Rabl, Bartsch, Kolbenheher, Ertl haben ihm wohl mehr als einmal Tribut
gezollt. Letzten Endes haben wohl nur eine Anzahl von österreichischen Dichtern
jüdischer Abkunft, Schnitzler, Zweig, Brod, Salus u. a. und andererseits die
ganz Großstädtischen wie Adolph und Petzold wenig Berührung mit ihm gehabt.

Jst das nun einfach die Folge davou, daß in österreich der Wandel der
Ideen langsamer sich vollzieht, als im Reich, daß die Aberlieferung länger
wirkt, weswegen z. B. auch die naturalistische Revolution nie imstande war,
sich so in Wien durchzusetzen wie in Berlin? Eine Folge der gleichen Amstände,
welche im Habsburger Reich noch immer vormärzliche Gesinnungreste zeitigen
vder bestehen lassen, wie man ja auch Stifter als thpischen „Vormärzler" oft
genug gekennzeichnet hat? Doch wohl kaum. In diesem Dichter steckte sehr
viel mehr als ein reiner, feinsinniger Beobachter und Erzähler. Wie Goethe
war ihm eine lange Iugend, eine breite „Basis der Naivität" gegönnt, ehe er
zum hochbewußten Durchdenken der Daseiusfragen kam. Innige Fühlung mit
der Natur, völliges Sich-Einleben in seine Amwelt war ihm möglich. Und
nicht geboren zur zersetzenden, höchstens zur bejahenden Kritik, besser vielleicht:
zu schöpferischem Schauen, das Werte umspannte, wenn sie gleich unter der
Hülls vergänglicher Einrichtungen und Ordnungen Schaden nahmen, so wurde
er der erste und bis aus den viel schwächeren R. H. Bartsch der einzige un-
mittelbare Verkünder der lebendigen „Ideen" des Ssterreichertums. Seine Dich-
tungen, unter ihnen am stärksten der „Nachsommer", erheben das in den Bezirk
der Schaubarkeit, was einem reinen Geist als das östsrreichische Leitbild er-
scheinen kann. Da gelten oberste Werte, die einsame Herzen im Böhmer-
wald, in Neichenberg, Linz, Graz oder Brünn still verehren, da erleben
schlackenbefreite Gestalten, was Hunderttausende in habsburgischen Ländern
zu erleben nur sehnsuchtvoll begehren, da herrscht Lebenluft, in der
auf der rauhen Erde die Besten nur stundenweise atmen. Dies mag Nietzsches
unvergleichlicher Feinsinn, ansonsten österreichischem Lebensgefühl gewiß fremd
genug, gespürt haben. In der Tat, die Weltliteratur kennt nicht viele Werke,
welche so wie Stifters Lebenswerk die Erfüllung eines millionenfachen Sehnens
veranschaulichen, die nicht einen idealen Ausschnitt, sondern ein Ganzes geben.
Was immer Ssterreich der Welt bedeuten mag, in Stifters Werk wird man die
Quellen rauschen hören, aus denen es strömt. Es sind zwar deutsche Worte,
mit denen dieses Lebenswerk spricht, aber was ihm seine Größe gibt, ist nicht
Alleinbesitz des Deutsch - österreichertums. Man wird viele Stifter-Gläubige
auch unter den anderen Rassen des Donaulandes finden. Stifter-Gläubige, die
zugleich österreich-Gläubige sind. Und wenn sich heute wissenschaftlich Erzogene
und politisch Wirksame verschiedenster Herkunst in Ssterreich dazu erheben,
Leitlinien sür ein Wunschbild der Zukunft Ssterreichs zu Zeichnen, denen viel-
leicht an diesem oder jenem Punkte die Entwicklung nachgehen mag, auch sie
weisen zurück auf Gedanken, die vor sechzig Iahren in jenes Dichters Kopf schon
aufdämmerten. So ist dieser fünfzigste Todestag einsr der wenigen Gedenktage,
denen wir lebendigen Sinn verleihen können. Er wird gewiß sehr still „gefeiert"
werden. Hoffentlich erinnern sich auch in Deutschland Einige daran, daß dieser
ruheselige Naturpoet „nebenbei" auch mit vom Tiefsten zu sagen wußte, was in
unserm Nachbarvolk lebt. Wolfgang Schumann

Wilhelm Trübner 1-

/^eben wir, fürs Erste, frei zu, was er nicht hatte: die Kraft, das seelische
UHHErleben der Menschen tief und stark zu spiegeln. Ich schlage eine der
Kunstmappen auf, die Trübner gewidmet sind, lese im Begleittexte von
seinem Titanenkampf: „Was für eine weltenzerschmetternde Kraft verkörpert
dieser Blitze schleudernde Zeusl" und kann nichts als einen nackten Mann sehen,
dem in der Hand ein Bündel harmloses Feuerwerk abbrennt. Die Titanen vorn

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