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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,2.1918

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Heft 12 (2. Märzheft 1918)
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Marr, Heinz: Gut und Blut: auch etwas zur Passionszeit
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Hartwig, Emil: Vom Bolschewismus
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https://doi.org/10.11588/diglit.14372#0165

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Indessen: auch echte Erregung befähigt die Menschenseele eher zu ab-
soluten Spfern als zu relativen. Wir denken an den reichen Iüngling,
der zweifellos bereit war, sein junges Leben mit irgendeiner leuchtenden
T'at für Christi Sache einzusetzen, aber traurig und verzagt sich abwandte,
als Iesus, der Seelenkundige, zunächst „nur" das Opfer des Besitzes heischte.

So wenig also hängt der Mensch an seinem Leben, so sehr an seiner
Habe! Derselbe Mann, der gestern ohne Zaudern ins Wasser sprang,
unr unter eigener Gefähr einen Ertrinkenden zu retten, mußte vorgestern
durch Richterspruch gezwungen werden, seiner hilflosen alten Mutter end--
lich eine bescheidene Rente zu gewähren. Es ist so: einer der erfolg--
reichsten Kartofselspekulanten Deutschlands fiel als Ritter des Eisernen
Kreuzes erster Klasse, der Tapfersten Liner, im Sturm auf Grodno an der
Spitze seines Zugs! Aber man möchte uns glauben machen, zwischen
„Händlern und Helden" beständs ein unüberbrückbarer Gegensatz: hie
roheste Selbstsucht, dort reinste Selbstlosigkeit. In Wirklichkeit verträgt
sich die Selbstentäußerung der Tapferkeit sehr wohl mit einem schonungs--
losen Selbstbehauptungstrieb, und die Selbstsucht der Feigheit sehr wohl
mit einer sozialen Lebensführung. Deshalb bleibt es ein falscher Schluß,
all die schmachvollen Niederlagen, die wir daheim im Kampfe gegen die
Ichsucht erleiden, könnten ausgeglichen werden durch die Tugenden, die
draußen Schlachten gewinnen. Bequem wäre es freilich, wenn die Brüder
im Felde uns zu allem, was sie schon für uns mit ihrem Blute tun,
gleich auch die sittliche Erneuerung mit heimbrächten. Die vorzubereiten
bleibt unsere besondere Pflicht. And das ist eine Pflicht, nicht leichter
oder unwichtiger als die der Krieger, geringer zwar dem Einsatze nach,
aber schwieriger in ihren seelischen Voraussetzungen! HeinzMarr

Vom Bolschewisurus

leichviel, was im Hexenkessel von Nordrußland noch geschehen mag — vom
I ^HBolschewismus wissen wir genng, um mit einiger Unbefangenheit sein
^^^Treiben beurteilen zu können. Zwar wird alles hierüber Aussagbare am
Mangel genauer Nachrichten leiden, aber Ziele und Mittel schälen sich doch aus
dem Wust und Wirrwarr von Mitteilungen immer deutlicher heraus. Seiner
Herkunft nach ist der Maximalismus ein Teil der ehemaligen russischen Sozial-
dcmokratie, und, wenn Schätzungen erlaubt sind: der kleinere. Mit Sozial-
revolutionären, grundsätzlichen Terroristen usw. hat er keine Gemeinschaft. Es
ist auch anzunehmen, daß diese kleine Partei im Frieden niemals zur
Macht gelangt wäre; der Weg zur Macht hat sich ihr nur dadurch eröffnet,
daß friedensbedürftige Soldatenmengen auf ihre Seite traten. Am aber über
ihre „eigentlichen" Absichten etwas aussagen zu können, sei hier der Friedens-
zustand hypothetisch angenommen. Was HLtten die Maximalisten im
Frieden getan, falls sie als Mehrheit die Macht erlangt hätten?

Rein wirtschaftspolitisch hätten sie nicht viel andres getan, als sie anch
jetzt getan haben. Sofortige und gewaltsame Äberführung des Bodens in das
Gemeineigentum, Einziehung des Kirchengutes, Sozialisierung der Banken, der
Produktionsmittel nach innen — nach außen: versuchsweise Vernichtigung der
Staatsschuld und Revolutionierung der anderen Proletariate. So ungefähr
sah ihr Programm aus. Ein äußerst sozialistisches Programm, durch welches
Marxsche Gedanken deutlich hindurchschimmern, wie denn eben Karl Marx den
russischen Sozialismus ungefähr in demselben Maße beeinflußt hat, wie die
urchristliche Lehre das erste Iahrhundert unsrer Zeitrechnung. Da nun aber
der „Marxismus" auch die deutsche (und österreichische) Sozialdemokratie
tief beeindruckt hat und somit der Anschein naheliegt, daß diese Partei Ähn-
liches wolle wie die Maximalisten, muß hier zweierlei angemerkt werden.

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