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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,2.1918

DOI Heft:
Heft 9 (1. Februarheft 1918)
DOI Artikel:
Corwegh, Robert: Der Gedanke der Entwicklung in der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.14372#0092

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Der Gedanke der Entwiülung in der Kunst

>M^ie Kunstgeschichte, eine ganz junge Wissenschaft, ist von Anbeginn,
^H'sda ihre Vertreter gleichzeitig den Lehrstuhl der Geschichte bekleideten,
abhängig von der Geschichtswissenschaft. Diese aber hatte an der
Wende des letzten Iahrhunderts, angesichts der großen Erfolge der Natur-
wissenschaften, eine Befruchtung ihres verkümmerten Daseins durch An-
lehnung an naturwissenschastliche Theorie und Methode versucht. Hinzu
kommt, daß der bedeutendste Vertreter des damals alle Gemüter bewegen-
den Sozialismus, Karl Marx, ein auf Hegel begründetes System fest
zusammenfügte, das auf der Voraussetzung verankert war, das Leben der
Völker lasse sich mit dem Wachsen und Werden in der Natur in Parallele
bringen. Damals zuerst hörte man von den inzwischen zu abgegriffenen
Scheidemünzen der Wochen- und Tagesblätter gewordenen Schlagwörtern,
wie „Naturnotwendigkeit" oder „Volksseele" in politischen Erörterungen.
Noch heute sind sich viele, sogar Gelehrte, nicht über den Unterschied eines
Nrteils in den Naturwissenschaften und in der Geschichte klar, obgleich
eine Generation von Philosophen unter dem Einfluß der Kantischen
Philosophie die Grenzsteine aufzurichten versucht hat. Das Bedeutsame,
Trennende ist der Wert. Werturteile werden in der Geschichte gefällt,
und soweit die Kunstgeschichte in Abhängigkeit von der Geschichtswissen-
schaft steht, sind auch ihre Urteile Werturteile. Ein tiefgehender Unter-
schied zwischen Geschichte und Kunstgeschichte darf aber nicht übergaugen
werden. Das Nrteil in der Geschichte beruht auf Feststellung einer Tat-
sache, bei der die ethische Wertung über dieses Geschehen seitens des
Ilrteilenden eine rein persönliche Augelegenheit bleibt. Man kann seiner
Wertung beistimmen und kann sie nach Belieben ablehnen. Anders die
llrteile in der Kunstwissenschaft. Wenn man von einem Kunstwerk das
llrteil abgibt, es sei schön, so enthält die Aussage die Aberzeugung der
allgemeinen Anerkennung eingeschlossen. Diese llrteile sind nach Kant
subjektiv - allgemeingültig, gegenüber den objektiv - allgemeingültigen in
der Naturwijsenschaft. Sie enthalten die Forderung, sich unserer Einsicht
anzuschließen.

llm nun dem llnerfahrenen den Anschluß an unser llrteil zu erleich-
tern, nimmt der Kunstgelehrte Maßstäbe, die dem bequemen Gebrquch
des in Denkgewohnheiten eingeschworenen Zeitgenossen passen. So wählte
die bisherige Kunstgeschichte als Maßstab den gänzlich falschen und ver-
waschenen Begriff, gleich einem abgenutzten Gummiklischee aus dem Kasten
der Naturwissenschaft: „Entwicklung zur Naturwahrheit".

Was ist Naturwahrheit? Naturwahrheit lehrt uns mit jedem Tag die
wachsende Einsicht in die Natur neu kennen. Naturwahrheit ist nichts
Feststehendes, also fehlt ihr gerade das Zwingende eines Maßstabes, die
llnveränderlichkeit. Dieser Begriff entstammt aber auch der kunstgeschicht-
lichen Betrachtungsweise, die Winckelmann eröffnet hat, wo griechische
Kunst die Kunst war und nach der Weise der Griechen der Mensch das
Maß aller Dinge. Naturwahr ist bei dieser Betrachtungsart „vollkommenste
Bildung" des Menschen. Sobald aber neben dem Menschen in die
de Costers „Mären", „Hochzeitsreise", „Eulenspiegel" und „Das neue Karthago"
im Insel-Verlag (Leipzig, je geb. 5 M.), „Eulenspiegel" auch bei Diederichs
(Iena, 5 M.); Vermeylens „Ewiger Iude" im Insel-Verlag (5 M.); die übrigen
besprochener: Bücher als Bände 206—2(7 der Insel-Bücherei (je 60 Pf.).
 
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