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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,2.1918

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Heft 9 (1. Februarheft 1918)
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Bald wird wieder der Friede sein: Stimmungen aus dem Felde
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https://doi.org/10.11588/diglit.14372#0081

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verstandene trug sie nicht verwirrend in unsre Gräben hinein. Wie wenig
hat sie dagegen von uns willkommen geheißen! Das hat uns manches
Mal mißtrauisch gemacht und schwermütig. Und unser Blut wartete und
weinte in uns, weil es soviel wärmer wallend seine Sehnsucht verschenken
wollte als man sie aufnahm. Wird die Zeit des Zwischenspiels uns ge-
wappnet finden? Uns und die Heimat? Ein harter Geist wird da herr-
schen und wird bis in unsre Familien hinein umgehen, und wir werden
lange vor der Offenbarung stehen, die kommen, und vor der Tat, die
geschehen soll. Wer aber wird die erste Hand reichen? Die Heimat uns
oder wir der Heimat? Inzwischen warten wir aufeinander. Und ver-
strömen uns. W>

^v>erwaiste sind wir, aber bald werden wir wieder Väter und Söhne sein.
^O'Dann naht auch euch daheim ein andres Leben. Ein Echo ruft aus
früherer Zeit. Aber soll nur eine Erinnerung wieder lebendig werden?
Wir verstehen es, daß euch der Krieg wie eine alte Gewohnheit ist. Fast
vier Iahre lebt ihr schon in dieser quälenden Ermattung und verzehrenden
Erwartung fort. So sind euch die Tage allgemach wie eine sonnenlose
Schau und Aussicht geworden. Uns aber HLngt noch immer derselbe Rock
um die Schultern, in dem wir ausgezogen sind. Wir leben immer weiter
in der Unmittelbarkeit des Krieges. Immer umdrängen uns Tod und Leben.
Wir kämpfen mit ihnen; ihr aber wartet. Wie sehr verändert das Warten
die Menschen! Wie müde müßt ihr sein! Aber ihr wißt es nicht. In
Wahrheit lebt ihr ja alle die Tage zu Ende — von Morgen bis Abend
und allnächtig schlaft ihr. Wir aber wissen uns müde und sind es doch
nicht. Wir schleppen die Wälder weg von der Erde und wühlen die
LLnder um. Die übrige Zeit lauschen wir dem Gesang der Schlacht und
singen ihn mit. Zum Müdsein reicht uns der Tag nicht aus. Trotzdem
fühlen wir etwas wie eine Qual in unsern Knieen. Wir möchten am
liebsten auf sie niederfallen und beten. Doch auch das schien uns oft, als
vergeudeten wir damit Zeit, die der Arbeit gehört.

^v>ald werden wir wieder Handelnde daheim sein. Das ist eine eigene
^Bewandtnis, wenn wieder Wende der Zeiten sein wird. Da brauchen
wir vor allem euch zu tzause. Wir wollen wieder in den leuchtenden
Sommer gehen. Werdet ihr uns dann führen oder führen wir euch?
Werden wir überhaupt wieder zueinander kommen? — Wir hier draußen,
die wir nah dem vieles in uns überwindenden Geruch der mütterlichen
Erde wohnen, haben mittlerweile eine neue Lebendigkeit bekommen. Wir
dürsten nach der Größe des Augenblicks, der wie ein Strom über uns
fortbricht, dann aber dürsten wir wieder nach der Totenstille, worinnsn die
Seele nicht mehr den Atem des Leibes vernimmt. Wenn wir bald wieder
daheim sind, möchten wir diese Stille als unsre Sonntagsruhe um uns
haben — und nicht einmal die alten Kirchenglocken werden wieder in das
Zwielicht läuten. In unserm Innern tanzt die Geschäftigkeit einer unend-
lichen Wogenflut, und wieder: in uns ergießt sich das Rieseln der Brunnen
aus der Mitternacht in das sternklare Dunkel. Irgendwo wachsen dann
neue Röten in den kommenden Tag. Farbig soll alles Leben um uns
sprudeln. Nicht laut wie der durstige Schrei der Gewöhnlichkeit und das
taumelnde Bild des Zuviel. Unermeßliches liegt ja vor uns. Wie könnte
es für uns ein Zuvieles geben nach diesen Iahren!

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