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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,2.1918

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Heft 10 (2. Februarheft 1918)
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Brauweiler, ...: Anzeigenmonopol und Freiheit der Presse
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https://doi.org/10.11588/diglit.14372#0112

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kannt. Im „Zeitungsverlage" und in einer Versammlung des „Vereins
Deutscher Retlame-Fachleute" ist behauptet worden, gerade der gegenwärtige
Zustand verbürge die Freiheit der Presse, weil gerade die Zeitungen mit
erheblichen Anzeigeneinnahmen den Inserenten gegenüber den steifsten
Nacken zeigen könnten und weil die Einführung des Anzeigenmonopols die
Folge haben müsse, daß die Zeitungen in erheblich stärkerem Maße als bis-
her der Macht des Großkapitals ausgeliefert sein würden,- der Hinweis
auf die französischen Preßverhältnisse soll dies bestätigen.

Um mit dem letzteren zu beginnen: in Frankreich ist die Presse käuflich,
aber nicht weil sie geringere Anzeigeneinnahmen hat als die deutsche,
sondern weil ihr die anständigen Iournalisten und das anständige Publikum
fehlen.

Wie sind denn die Zustände bei uns? Die deutschen Iournalisten fassen
in ihrer großen Mehrheit noch immer ihren Beruf nicht als eine reine
Lohnarbeit oder gar als eine besondere Erwerbsquelle, sondern als ein
öffentliches Amt auf, und gerade deswegen genießen sie das Vertrauen der
öffentlichkeit.

Wie kann, wer nur einigermaßen mit den Dingen vertraut ist, ableugnen,
daß das wachsende Äbergewicht des Anzeigenteils in unsern Zeitungs-
betrieben eine steigende Gefahr für die Unabhängigkeit des redaktionellen
Teils heraufführt? Ich nenne das nicht „Bestechlichkeit", wie mir von
meinen Gegnern vorgeworfen worden ist. Bestechung in dem Sinne, daß
der redaktionelle Teil in den Dienst unlauterer Privatinteressen oder Ge-
schäftsmanöver gestellt werde, ist gottlob in der deutschen Presse tatsächlich
bis heute selten. Abhängigkeit des redaktionellen Teils vom Anzeigenteil
ist etwas ganz anderes. Nnterdrückung von Nachrichten, die einein Groß-
inserenten unbequem sind, auch ohne dessen ausdrückliches Berlangen,
ist nicht „Bestechung", aber es zeigt auch nicht „Unabhängigkeit des redak-
tionellen Teils". Von einem großen Teil der Verleger wird das Verlangen,
daß Ler redaktionelle Teil Rücksicht auf das Anzeigengeschäft nehmen
müsse, gar nicht mehr als ungehörig empfunden. Da finden sich im redak-
tionellen Teil Notizen und Hinweise, die vom Standpunkt der Revaktion
und des Lesers ganz überflüssig sind, die wertvollerem Stoff den Raum
wegnehmen — der Anzeigenteil verlangt es so. Da werden Mitteilungen
und kritische Außerungen, die man sonst bringen würde, unterdrückt, weil
andernfalls der und der Inserent seine Anzeigenaufträge einstellen könnte.
Der Anzeigenteil übt einen viel größeren Einfluß aus den redaktionellen
Teil aus, als die Offentlichkeit ahnt. Es muß sich schon um sehr schwere
Fälle handeln, wenn eine Aeitung beispielsweise an dem Geschäftsgebaren
eines Großinserenten Kritik zu üben sich erlaubt. Und wie kommt es
denn, daß gewisse Probleme des öffentlichen Lebens, die von Mund zu
Mund sehr lebhaft und ausgiebig erörtert werden, in den Spalten der Zei-
tungen nicht einmal genannt werden? Die Angst vor den solidarischen
Großinserenten verbietet es, obwohl sehr viele Redakteure auch diese
Dinge sehr gern mit dem Freimut und der Rücksichtslosigkeit erörtern wür-
den, die im ösfentlichen Interesse wünschenswert und notwendig wären.

Daß die Zeitungen mit großen Anzeigeneinnahmen in der Lage sind,
gegenüber den einzelnen Inserenten unabhängig zu sein, ist richtig. Aber
daß sie alle dazu gewillt sind, darf man schon bezweifeln. Man denke sich
eine solidarische Gruppe von Großinserenten sogar dem stärksten Zei-
tungsnnternehmer gegenüber. Wie aber steht es auf die Dauer mit der

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