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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,2.1918

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Heft 11 (1. Märzheft 1918)
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Avenarius, Ferdinand: Gustav Klimt
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Holtzmann, Robert: Gustav Mahlers erste Symphonie
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https://doi.org/10.11588/diglit.14372#0145

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Mitunter kommt mir Klimts Weibwesen wie ein Shmbol seiner ganzen
Kunst vor. Wenn nnsre Phantasie nicht heute wie vor zwanzig Iahren das
Stiefkind unsrer Bildung wäre, so HLtte man von Anfang an, von den
Bildern für die Wiener Aniversität an seine sogenannt „allegorischen" Gemälde
viel mehr auf das hin betrachtet, was sie Seelisches sagen. Es sind keine
allegorischen, es sind viel eher Tranm-Bilder. Für den, der sie als solche
in sich aufnimmt, überall von Leben. Das Landschaftliche (wie immer bei
Klimt) unmittelbar eindringlich schön. Alber auch in den Gestalten manches
überwältigend stark. Die Gesamtstimmung meist ein Mitsammenwogen von
Gesühlen, ein Nebelmeer, ans dem der feste Berg noch nicht tritt. Ein
Träumen von Großem und Neuem, das werden will. Nur der Schöpfer selbst
kann der Befreier des noch Gebundenen sein. Aber da versagt Klimt oft.
Ein Schöpfer von Gesichten war er, aber zum Titanen war zn viel Irdisches
in ihm, zu viel Verschiedenes nnd Verwickeltes. So blieb er bei solchen Ge-
bilden, den größten, um die er rang, ein Prometheus, der träumte.

Gustav Mahlers Erste Symphonie

^»^ie Werke der großen Meister sind nicht nur künstlerische Offen--
^barungen für die ästhetische Sehnsucht der menschlichen Seele, son-
dern sie sind auch Kulturdokumente ersten Ranges, in denen sich
ein Kampf der Geister, die Welterfahrung und Lebensanschauung derer,
die ihrer Zeit die Pfade gewiesen haben, widerspiegelt. Wer eine Periode
der menschlichen Geschichte auf ihren Ideengehalt studieren will, wird aus
ihnen reiche Aufschlüsse erhalten. Die neun Symphonien Gustav Mahlers
sind ein Stück unserer zeitgenössischen Knltur. Und die erste von ihnen
erzählt nicht nur die Iugendgeschichte des deutsch-böhmischen Meisters,
der sie im Frühjahr (888 mit 28 Iahren in sechs Wochen vollendet hat,
sondern sie lästt auch das Werden und Sichdurchringen der heutigen
künstlerischen Empfindungswelt, ja etwas von dem Entstehen der ganzen
geistigen Atmosphäre der Gegenwart noch einmal miterleben. Denn wir
gehen nicht irre, wenn wir die Geburt der jüngsten Kultur eben in jene
Zeit setzen. Auf allen Gebieten des menschlichen Geistes regten sich da°
mals die neuen Kräfte und Gedanken. Nicht nur in der Musik, wo die
Periode heranreiste, die wir mit einem Wort als die Nachwagnersche be-
zeichnen können. Auch die anderen Künste und zahlreiche Wissenschaften
weisen hier eine deutlich erkennbare Grenzscheide auf. Nicht minder die
Politik, da damals das Zeitalter Bismarcks auch bei uns durch das Zeit-
alter einer umfassenden Weltpolitik abgelöst worden ist. Ia, unsere ganze
Lebenshaltung, die Bedürfnisse der Zivilisation scheinen damals eine an-
dere Struktur erhalten zu haben.

Auf dem Gebiet der Kunst und des Geschmacks bedeuteten die achtziger
Iahre des vorigen Iahrhunderts einen wahrhaft erschrecklichen Tiefstand.
Wer davon ein Bild gewinnen will, braucht nur durch eine beliebige
deutsche Stadt zu gehen und sich die HLuser und Stadtviertel anzusehen,
welche um diese Zeit entstanden sind. Oder er betrachte die Kostüme der
Iahre, wo die Turnüre ihre Triumphe feierte. Die breite Menge der Ge-
bildeten und Ungebildeten empfand und urteilte damals mehr als je
nach einer traditionellen Schablone, und selbst die größten Namen der
jüngsten Vergangenheit, wie Richard Wagner, Nietzsche, Feuerbach, waren
umstritten oder gänzlich verkannt. Eine solche Zeit mußte für den schaffen-
den Künstler eine Fülle der schmerzlichsten Enttäuschungen bereit halten.
Wer Großes zu sagen hatte, durfte auf keine Resonanz beim Publikum
 
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