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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,2.1918

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Heft 12 (2. Märzheft 1918)
DOI Artikel:
Marr, Heinz: Gut und Blut: auch etwas zur Passionszeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.14372#0162

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Gut und Blut

Auch etwas zur Passionszeit

es wirklich schwerer, das Leben, denn Hab und Gnt und
H ^die gewohnten täglichen Interessen einzusetzen, wie dann erklärte
'sich's, daß schon in der ersten Stunde der Bedrohung unseres Vater-
landes viele Hunderttausende aus freiem Antrieb zu diesem höchsten Einsatz
bereit waren, hingegen in der Hingabe des Besitzes eine gleiche Freudig-
keit, ein ähnlich edler Radikalismus besonders anfänglich keineswegs be-
obachtet werden konnte? Ia, während die Soldaten blumengeschmückt,
als ginge es zu frohen Festen, hinauszogen, wurden breite Massen von
bleicher Angst um die Leibesbedürfnisse des übernächsten Tages ergriffen:
Sie stürmten die Läden und hamsterten, sinnlos oft, Vorräte ein, — sie
umlagerten die Sparkassen, damit nicht etwa der Staat ihre Einlagen
„befchlagnahme", — sie versteckten, vergruben ihr hartes Geld und ver-
weigerteil die Annahme des papiernen. — Während die Gewißheit gleicher
Gefahr die Soldaten brüderlich verband, sie die alten Gegensätze vergessen
ließ und über kleinliche Sorgen hinweghob, wurden die anderen mächtig
von ihnen gepackt. Rnd das Bewußtsein gleichen Mangels, sonst ein
starker Antrieb zu nachbarlicher Hilfe, wirkte unter den Daheimgebliebenen
anfänglich eher trennend und abschließend.

Man hat auch nicht gehört, daß Ansprachen und Belehrung nötig ge-
wesen wären, um die Krieger todesbereit zu stimmen, — man berichtet im
Gegenteil, es habe, besonders in der ersten Zeit, geradezu Mühe gekostet,
sie von vermeidbaren Blutopfern zurückzuhalten. Wieviel aber mußte
und muß geredet, geschrieben und gedruckt werden, wie viele Anreize,
Einfälle und laute Veranstaltungen waren und sind erforderlich, um die
Nichtstreiter opferwillig zu erhalten und über ihre Pflichten „aufzuklären":
Mäßigt die Ansprüche enres Magens, seid als Schuldner pünktlich, als
Gläubiger nachsichtig, gebt endlich euer verstecktes Gold heraus, zieht keinen
besonderen Nutzen aus der Kriegsnot, prahlt nicht mit euren Leistungen,
bescheidet euch in kleinen Diensten.

Nicht, daß irgendeine -dieser Forderungen Widerspruch gefunden hätte,
nein, sie fanden laute Zustimmung und bei einer nicht geringen Minderheit
auch redliche stille Ersüllung. Indessen, wie stünd es wohl heut, hätten
wir uns auf die freie Einsicht und Selbstbeschränkung der Linzelnen ver-
lassen müssen? Waren nicht schließlich allenthalben sehr scharfe Eingriffe
erforderlich, um die Ichsucht niederzuhalten? Nnd zwar keineswegs nur

2. Märzheft 1918 (XXXI, 12)

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