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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,2.1918

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Heft 12 (2. Märzheft 1918)
DOI Artikel:
Hoffmann, Paul Theodor: Humanität als Begriff und Gefühl, 3: Wilhelm von Humboldt
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https://doi.org/10.11588/diglit.14372#0169

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grat hat, sondern auf die innere sittliche Energie, die der Mensch von sich
selbst aus aufbringt. Meser Wille im Handeln ergibt zugleich jene Gefühls-
stärke, die der Arbeit als solcher den persönlichen Wert verleiht. Neben der
ethischen Seite aber will der schönheitsdurstige, durch die Schule der Griechen
gegangene Forscher auch die ästhetische Freude an der menschlichen LLtigkeit
nicht missen. „Ohne das Schöne fehlte dem Menschen die Liebe der Dinge unr
ihrer selbst willen; ohne das Erhabene der Gehorsam, welcher jede Belohnung
verschmäht und niedrige Furcht nicht kennt."

Eine weitere Voraussetzung für das Werden der Humanität ist Empfäng-
lichkeit für das Wesen andrer Menschen. Bei Humboldt, zumal dem jungen,
ist diese Empfänglichkeit noch stark sentimental gefärbt; aber sie leitet ihn doch
auf die Pfade einer „vergleichenden Anthropologie", von der aus erst eine ge-
nügend weitsichtige Hochebene erlangt werden kann, um auf die Gesamtheit
der Völker, auf die Menschheit hinauszublicken.

Das führt uns zu dem Zusammenleben des Einzelnen mit seinen Neben-
menschen, zur Gesellschaft. Auch das Gesellschaftsleben ist bei tzumboldt
egozentrisch begründet. „Das höchste Ideal des Zusammenexistierens mensch-
licher Wesen wäre mir dasjenige, in dem jedes nur aus sich selbst und um
seiner selbst sich entwickelt." Da diese Eigengesetzlichkeit des Individuums nach
Humboldts Meinung zugleich die Gesetzlichkeit der Gemeinschaftsentwicklung
darstellt, so muß es von ihr aus gelingen, die Gesellschaft der Menschen sowie
der staatlichen Einrichtungen zur vollendeten Harmonie mehr und mehr heran-
zubilden. Diese Bildung geschieht unter dem Gesetze der Verfeinerung: Der
Einzelne, der aus sich die innere Kraft, den Willen zur lebenfördernden Tätig-
keit entwickelt hat, soll die Bildung, welche von der Nmwelt herrührt, durch
innige Verbindung mit dem Nebenmenschen, durch den Eros in sich überleiten
und zu seiner eigenen Bildung machen, wodurch wiederum seine Krast ge-
steigert wird. Diese gesteigerte eigene Kraft soll er im selben Prozesse durch die
Außenwelt wieder stärken und verfeinern. Was aber für ihn gilt, gilt auch für
den Nebenmenschen, und so entsteht ein Entwicklungsvorgang der menschlichen
Gesellschaft, der schließlich diese immer durchgebildeter, immer abgeschliffener,
ausgeglichener macht, daß ein immer reinerer Zusammenklang der verschiedenen
Lebenskomponenten entsteht. And was ist dieser Zusammenklang anderes als
eben die Humanität?

Ihren zusammenfassenden Ausdruck findet znnächst die Gesellschaft im
Staate. And es leuchtet ein, wie sich folgerichtig aus Humboldts Gesellschafts-
auffassung seine Anschauung vom Staate entwickeln muß. Als Hauptaufgabe
des Staates erscheint ihm im Gegensatze zum aufgeklärten Absolutismus die
Sicherstellung der persönlichen Freiheit; denn mit der Entfaltungsmöglichkeit
des Einzelmenschen steht und fällt für ihn die staätliche Fortbildungsfähigkeit.
Der Schaden, welcher von allen Staatseinrichtungen zu drohen scheint, ist der
der Einförmigkeit: „Ie mehr der Staat mitwirkt, desto ähnlicher ist nicht bloß
alles Wirkende, sondern auch alles Gewirkte . . . Es leidet durch eine zu aus-
gedehnte Sorgfalt des Staates die Energie des Handelns überhaupt und der
moralische Charakter." And ein weiterer Nachteil ist der: den Menschen adelt
die Arbeit, wenn sie ihm Selbstzweck ist, sie erniedrigt ihn, wenn sie ihm bloßes
Mittel zur Erreichung eines andern Zweckes wird. Der Staat aber kann jenen
Selhstzweck nicht gelten lassen, und damit schafft er selbst die Erniedrignng.
So scheint Humboldt dile Staatsverfassung die zweckmäßigste, welche diese
Fehler tunlichst meidet und eine solche Zusammenfassung aller Kräfte ihrer
Bürger erstrebt, daß zugleich freiheitliche Entwicklung und wechselseitige Stei-
gerung möglich ist. Dabei aber muß empirisch vorgegangen werden. Die Ver-
uunft soll nicht normativ nach der alleinigen (scheinbar) absoluten Vorschrift
der Idee handeln, wie die französische Nationalversammlung es wollte, sondern
die tatsächlichen Gegebenheiten mit ihren individuellen Kräften berücksichtigen.
Ferner aber ist es eine Aufgabe des Staates, alle Hemmnisse zu beseitigen, die
den vorwärtstreibenden guten Mächten im Menschen sich entgegenst'ellen, der

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