soll, wenn DeuLschland die Vorherrschaft
auf dem Festlande behauptet, sie aber
in diesem Kriegc den Gegensatz zu uns
so auf die Spitze treiben, daß auch
nach Friedensschluß für absehbare Zeit
an keine Versöhnung gedacht werden
kann. Dann sind sie vom europäischen
Festlande so gut wie ausgeschaltet und
müssen doch unter fortgesetzter Auf-
bietung aller Seestreitkräfte die „Wacht
in der Nordsee" fortsetzen, wegen der
sie, in der Hoffnung, Deutschland „zer-
schmettern" zu können, ihre überseeischen
Interessen vernachlässigen. Dann wer-
den ihre asiatischen Besitzungen nach
und nach japanischen, ihre übrigen vor-
wiegend amerikanischen Einflüssen und
Hcrrschaftsbestrebungen erliegen.
Für die deutsche Diplomatie ergibt
sich aus der Entwicklung der englisch-
amerikanischen Beziehungen die schwie-
rige, aber dankbare Aufgabe, den rech-
ten Augenblick zu benutzen, wo in den
maßgebenden Kreisen in Lngland der
Gedanke wirksam wird, ihre alte
„Gleichgewicht"-Politik, nach der sie sich
init den schwachen Festlandstaaten gegen
die jeweils stärkste Macht auf dem
Festlande zu verbiuden pflegten, als
überlebt aufzugeben, nm in Gemein-
schaft mit den Mittelmächten den
curopäischen Staatenbuud zu organi-
sieren. Lntstehen muß dieser, wcnn
Europa gegenüber Amcrika auch nur
einen nennenswerten Teil der welt-
wirtschaftlichen und weltpolitischen Be-
dcutung behaupten soll, die es vor
dem Krieg innehatte. Otto Lorbach
Englische „Demokratie"
ie leitenden englischen Staats-
männer haben die bündigen Er-
klärungen der Regierungen und
Volksvertretungen der Mittelmächte
über ihre Bereitschaft zu einem „Ver-
ständigungsfrieden" mit neuen Aus-
flüchten beantwortet. Sie können an
der Tatsache dieser Bereitschaft nicht
mehr gut rütteln, da aber der Opfer-
wille ihrer Verbündeten noch nicht
erschöpft ist, wollen sie von einem
Beginne ernsthafter Friedenserörte-
rungen einstweilen nichts wissen.
Wenn Deutschland auch nur in etwas
stärkerem Grade durch die Verlän-
gerung des Krieges geschwächt wer-
den kann, als England, so sollen
weitere Ströme Blutes vergossen
werden. Von wirklichen Friedens-
verhandlungen soll keine Rede sein
können, ehe nicht die deutschen Trup-
pen Belgien und Frankreich, frei-
willig oder unfreiwillig, geräumt
oder sich gar hinter den Rhein zu-
rückgezogen haben, und ehe nicht
Deutschland eine vollständige Demo-
kratie geworden ist.
Was man nun auch über die
Vorzüge oder Nachteile demokrati-
scher Regierungsformen denken mag:
jedenfalls wird kein wirklicher Kenner
Englands britischen Staatsmännern
das Recht zuerkennen können, sich
über die demokratischen üinzuläng-
lichkeiten der politischen Verhältnisse
in Deutschland zu entrüsten. Eng-
land mag ein demokratischeres Ge-
wand tragen als Deutschland, aber
seine Verfassung ist ihrem Wesen
nach viel weniger demokratisch als
die Deutschlands. Der Ruf Eng-
lands als eines demokratischen Mu-
sterlandes ist ebenso erschlichen, wie
sein Rus als des Haupthortes des
Freihandels. Bis in die allerjüngste
Zeit hinein hatte der englische Par-
lamentarismus mit demokratischen
Grundsätzen nicht das Mindeste zu
tun. Das Parlament bildete im Ge-
genteil für die herrschenden Gruppen
das wirksamste Mittel, um das eigene
Volk zu entrechten, zu berauben und
zu knechten. Die Revolution des
Iahres 1689, die das Parlament
zur ausschlaggebenden Macht erhob,
bedeutete vor allem das Lnde des
staatlichen Bauernschutzes. Erst jetzt
kam System in die Politik der
Einhegungen, des Raubes am Ge-
meindeland, das das Rückgrat der
kleinen und mittleren Bauernwirt-
schaften bildete. Ganze Dörfer wur-
den entvölkert, überall verloren die
kleinen Pächter die Scholle, die sie
bewirtschaftet hatten; auch der kleine
selbständige Bauer war sofort rui-
auf dem Festlande behauptet, sie aber
in diesem Kriegc den Gegensatz zu uns
so auf die Spitze treiben, daß auch
nach Friedensschluß für absehbare Zeit
an keine Versöhnung gedacht werden
kann. Dann sind sie vom europäischen
Festlande so gut wie ausgeschaltet und
müssen doch unter fortgesetzter Auf-
bietung aller Seestreitkräfte die „Wacht
in der Nordsee" fortsetzen, wegen der
sie, in der Hoffnung, Deutschland „zer-
schmettern" zu können, ihre überseeischen
Interessen vernachlässigen. Dann wer-
den ihre asiatischen Besitzungen nach
und nach japanischen, ihre übrigen vor-
wiegend amerikanischen Einflüssen und
Hcrrschaftsbestrebungen erliegen.
Für die deutsche Diplomatie ergibt
sich aus der Entwicklung der englisch-
amerikanischen Beziehungen die schwie-
rige, aber dankbare Aufgabe, den rech-
ten Augenblick zu benutzen, wo in den
maßgebenden Kreisen in Lngland der
Gedanke wirksam wird, ihre alte
„Gleichgewicht"-Politik, nach der sie sich
init den schwachen Festlandstaaten gegen
die jeweils stärkste Macht auf dem
Festlande zu verbiuden pflegten, als
überlebt aufzugeben, nm in Gemein-
schaft mit den Mittelmächten den
curopäischen Staatenbuud zu organi-
sieren. Lntstehen muß dieser, wcnn
Europa gegenüber Amcrika auch nur
einen nennenswerten Teil der welt-
wirtschaftlichen und weltpolitischen Be-
dcutung behaupten soll, die es vor
dem Krieg innehatte. Otto Lorbach
Englische „Demokratie"
ie leitenden englischen Staats-
männer haben die bündigen Er-
klärungen der Regierungen und
Volksvertretungen der Mittelmächte
über ihre Bereitschaft zu einem „Ver-
ständigungsfrieden" mit neuen Aus-
flüchten beantwortet. Sie können an
der Tatsache dieser Bereitschaft nicht
mehr gut rütteln, da aber der Opfer-
wille ihrer Verbündeten noch nicht
erschöpft ist, wollen sie von einem
Beginne ernsthafter Friedenserörte-
rungen einstweilen nichts wissen.
Wenn Deutschland auch nur in etwas
stärkerem Grade durch die Verlän-
gerung des Krieges geschwächt wer-
den kann, als England, so sollen
weitere Ströme Blutes vergossen
werden. Von wirklichen Friedens-
verhandlungen soll keine Rede sein
können, ehe nicht die deutschen Trup-
pen Belgien und Frankreich, frei-
willig oder unfreiwillig, geräumt
oder sich gar hinter den Rhein zu-
rückgezogen haben, und ehe nicht
Deutschland eine vollständige Demo-
kratie geworden ist.
Was man nun auch über die
Vorzüge oder Nachteile demokrati-
scher Regierungsformen denken mag:
jedenfalls wird kein wirklicher Kenner
Englands britischen Staatsmännern
das Recht zuerkennen können, sich
über die demokratischen üinzuläng-
lichkeiten der politischen Verhältnisse
in Deutschland zu entrüsten. Eng-
land mag ein demokratischeres Ge-
wand tragen als Deutschland, aber
seine Verfassung ist ihrem Wesen
nach viel weniger demokratisch als
die Deutschlands. Der Ruf Eng-
lands als eines demokratischen Mu-
sterlandes ist ebenso erschlichen, wie
sein Rus als des Haupthortes des
Freihandels. Bis in die allerjüngste
Zeit hinein hatte der englische Par-
lamentarismus mit demokratischen
Grundsätzen nicht das Mindeste zu
tun. Das Parlament bildete im Ge-
genteil für die herrschenden Gruppen
das wirksamste Mittel, um das eigene
Volk zu entrechten, zu berauben und
zu knechten. Die Revolution des
Iahres 1689, die das Parlament
zur ausschlaggebenden Macht erhob,
bedeutete vor allem das Lnde des
staatlichen Bauernschutzes. Erst jetzt
kam System in die Politik der
Einhegungen, des Raubes am Ge-
meindeland, das das Rückgrat der
kleinen und mittleren Bauernwirt-
schaften bildete. Ganze Dörfer wur-
den entvölkert, überall verloren die
kleinen Pächter die Scholle, die sie
bewirtschaftet hatten; auch der kleine
selbständige Bauer war sofort rui-