Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 17.1899

DOI Artikel:
Mone, Fridegar: Bemerkungen zu Herrn Detzels "Christl. Ikonographie", [10]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15869#0130

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
122

und Johannes Evangelist nach der Idee,
welche dargestellt werden soll nnd welche
sinnbildlich darunter anch von jeher ver-
standen wurde, so ist Christus am Kreuze
das Brot, welches in seinen Leib, und der
Wein, der in sein Blut verwandelt wird.
Maria ist das Sinnbild der Menschwerdung
Gottes nnd Johannes das des Priesters,
ans dessen Wort die Wandlung (krnus-
substuirtiutio) stattsindet.
Der wichtigste Gegenstand innerhalb wie
außerhalb der Kirche ist das Kruzifix und
das sogen. Kanonbild. Daß Herr Detzel
diese Bildwerke als Evangelienbild beim
Leben Jesu Bd. 1 S. 392—422 behan-
delte, scheint nach dem oben Gesagten ver-
fehlt zu sein. Denn das Kreuz mit Christus
und das Kanonbild gehören in den weit-
aus meisten Fällen nicht in die historische
oder didaktische Kunstform, sondern in die
symbolische nnd typische. Das Kanonbild
ist Symbol der Wandlung in der heiligen
Messe und damit das Sinnbild für die
letztere selbst, zugleich für die Erlösung
der Menschheit durch die Mensch gewordene
zweite Person der Gottheit, und endlich
ist es typisches Vorbild für das heilige
Altarsakrament nnd die Wiederkunft Christi
am jüngsten Tage.
Was den Bau des Salomonischen Tem-
pels betrifft, so ist ja bekannt, daß die
römisch-katholischen, wie die protestantischen
Christen meistens ziemlich unwissend sind,
wenn von jenem Bauwerke die Rede ist.
Wie viele Katholiken, Laien wie Priester,
Professoren und Doktoren gehen an den
Säulen Jachin und Bovz in den katho-
lischen Kirchen vorüber, ohne deren Skulp-
turen' zu verstehen oder nur eines Blickes
zu würdigen! Ja, die meisten der ge-
nannten Berufsklassen von Christen wissen
nicht einmal, daß die Jachin- und Booz-
Säulen ans dem Tempel von Jerusalem
entlehnt sind und lachen über die Dumm-
heit, etwas mehr als Künstlerlanne in
jenen Skulpturen finden zu wollen.
Der Kenner der Nachrichten über den
Salomonischen Tempel in Jerusalem er-
kennt sofort in den christlichen Kirchen
die Jachin- (Gott wird befestigen) und
Bovz- (die Kraft ist in ihm) Säulen und
erklärt sie. Selbst viele Mitglieder der
Freimaurerloge wissen nicht, was die )-
und L-Sänlen in dem Saale der Loge zu

bedeuten haben und können nicht einmal
die Namen übersetzen! Diese Betrachtung
führt zu dem Geständnis, daß eine christ-
liche Ikonographie nicht allein für die
römisch-katholischen Christen geschrieben
wird, sondern auch für die schismatischen
Katholiken, für Protestanten, Israeliten,
Deisten (Freimaurer) und Pantheisten.
Die ganze'Thätigkeit der Kirche, mithin
alles, worin sie ihre Aufgabe zu lösen
verpflichtet ist, muß als Objekt der christ-
lichen Kunst anfgefaßt werden. Da die
Kirche in jeder ihrer Wirksamkeit die bil-
denden Künste in Anspruch nimmt, so ist
das Gebiet der christlichen Ikonographie
ein kaum begrenztes.
Fragt man, für wen wird eine christ-
liche Ikonographie znnä ch st geschrieben?
so kann die Antwort nur lauten: für den
deutschen, englischen, französischen und
italienischen Klerus. Außer diesem
sollen alle Anhänger aller Religionen oder
jedes philosophischen Systems durch eine
christliche Ikonographie belehrt werden.
Die Kenntnis der bildenden Künste gehört
jetzt zur allgemeinen Bildung des Menschen,
mag der einzelne einer Religion oder Philo-
sophie angehören, welcher er wolle. Die
Melodien des dies irne, MLAiritrLLk, stubut
muter, de Oeum und ruediu vitu sind
auch für alle Menschen auf Erden, jeder
Zeit, jeder Nation, jeder Religion nnd
jeder Altersstufe gemacht worden. So ver-
hält eS sich auch mit der christlichen Kunst.
Im Anschlüsse an die oben gegebene
Definition der christlichen Bilderknnde sollte
in Detzels Buch auch darüber etwas ge-
sagt sein, wie der bildende Künstler ar-
beitet, wenn er christliche Kunstwerke kom-
poniert und ausführt. Die Kunstwerke,
welche in die christliche Ikonographie ge-
hören, sind nach ihrer Invention und
Komposition zweifacher Art. Entweder
schließt sich der Künstler an die tradi-
tionelle oder von der heiligen Schrift vor-
geschriebene Form an, oder er folgt seiner
individuellen Auffassung. Der zuerst ge-
nannte Weg wird von Cahier urt popu-
luire genannt, was man mit handwerks-
mäßiger oder objektiver Knnstleistung über-
setzen kann, Die zweite Art des künst-
lerischen Schaffens ist die individuelle des
genialen Malers' oder Bildhauers oder
Architekten. Ueber die letztere sagt der
 
Annotationen