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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 5.1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.12973#0188

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168

Denn das Schöne ist nur mit der Schranke möglich, das Schran-
kenlose ist das Häßliche; aber die holde Schranke muß es sein,
nicht die durch äußerlich zwingende Nothwendigkeit und äußer-
liches Gesetz bestimmte, sondern nur in dem Gesetz der Liebe ist
das Schöne vorhanden.

Und was in schwankender Erscheinung schwebt,

Befestiget mit dauernden Gedanken.

Die meisten Gedanken der Menschen, die sich um die Alltäg-
lichkeit drehen, sind kaum Gedanken, geschweige dauernde zu nen-
nen; auf solche aber weis't Göthe hin, und diese dauernden Ge-
danken der Gottheit in ihrer Schönheit auf die einfachste Weise
dargestellt, offenbaren sich in der Skulptur, und wenn wir sie er-
fassen, müssen wir die Gottheit in ihr wiedererkennen. Dante
hat im 30. Gesänge des Paradieses zwar auch die Schönheit der
Beatrice darzustellen sich bemüht, doch aber können wir keine
feste Anschauung davon uns bilden, wir haben keinen dauernden
Gedanken gewonnen, denn

Doch red' ich in die Lüfte, denn das Wort
bemüht sich nur umsonst, Gestalten zu erschaffen,
sagt Göthe. Also das Wort gestaltet nicht. Der Schluß des
Faust ist aber nach altgriechischer Auffassung so geordnet, daß
daS Schöne uns reinigt und zum Himmel führt. Und da ist es
nichts Zufälliges, daß die Göttin der Schönheit aus dem Flüs-
sigsten, aus dem Meere, geboren ist; die weibliche Form aber in
ihrer größten Schönheit entwickelt zu haben, ist der größeste
Ruhm der griechischen Bildhauerkunst, ihr herrlichstes Werk, aber
die kindische Venus des Praxiteles, nach der man aus allen Welt-
gegenden hinpilgerte, und welche die Knidier so hoch hielten, daß
sie ihr einen eigenen Tempel bauten und sie nicht fortgaben, selbst
als Nikomedes ihnen dafür ihre ganze Staatsschuld bezahlen
wollte! In ihr gingen Schönheit und Schaam Hand in Hand,
sie hat nie einen sinnlichen Gedanken erregt — aber sie ist ver-
loren- Nur noch eine Venns von hoher Bedeutung ist uns er-
halten, nicht die mediceische, deren Verehrung nun durch geläu-
terten Kunstgeschmack überwunden ist, da sie nur die raffinirteste
Sinnlichkeit darstellt, sondern wir meinen die Venus von Melos,
die, wenn auch nicht alt, (sie ist nicht lange vor unserer Zeit-
rechnung entstanden,) doch erhaben und edel gedacht ist. — Wenn
nun alle späteren Zeiten sich nicht entfernt zu solcher Höhe er-
heben konnten, so wenig, daß der Größte aller Neueren, Michel-
angelo, nicht einen fehlenden Arm einem Herkulestorso eben-
bürtig hinzuzusetzen im Stande war, da bei dem später aufge-
fundenen wirklichen Arm der unendliche Unterschied klar wurde, —
so muß dies einen tieferen Grund haben, und der liegt in der
ganzen griechischen Weltanschauung. Die Erde ist ihnen der
Mittelpunkt der Welt; die Götter haben ihren Wohnsitz auf Erden,
sind auf der Erde geboren, wohnen in ihren Sitzen, sind gegen-
wärtig in ihren Tempeln — so ist das Göttliche in's Leben,
in die Wirklichkeit eingetreten durch die Künstler. Dazu kommt
noch der Sinn und Geist der Menschen, es gehört zum Bildner,
der feste Formen schafft, auch ein fester Charakter. Die lebendige
Gottheit bei und mit den Menschen wohnend, dazu der feste
Sinn freier Bürger, denen das Exil schlimmer war als der Tod
— das sind die Grundbedingungen der Skulptur. Die alteu
Städte hatten ihren eigenen Mittelpunkt; die Akropolis mit dem
Standbilde der Athene war solches Centrum — in den neueren

Städten, in Berlin, Wien, Paris, fehlt es ganz; wir haben
Museen mit den Sammlungen fremder Völker und Zeiten; einen
eigenen Mittelpunkt unserer Nationalität, in dem zugleich die
Religion wurzelte, haben wir nicht; nur St. Peter in Rom ist
ein Aehnliches, und das eben macht dort den großen Eindruck.
Aber über unseren Kirchen steht-, mein Reich ist nicht von dieser
Welt; es ist ein Bruch, ein Diesseits und Jenseits, in die Welt
gekommen; die Einheit fehlt; das Göttliche suchen Wir im Jen-
seits. Es fehlt also der modernen Bildhauerkunst die Gottheit; '
Gott Vater in bestimmter Form darzustellen ist unmöglich;'die
Engel sind nur Boten, charakterlos, einer wie der andere, also
nicht darzustellen. Die Apostel sind auch nur Boten, Verkündi-
ger, aber keine selbständigen Göttermächte, wie die alten Götter,
die eben dadurch nur in bestimmte Formen gefaßt werden kön-
nen; nur drei unter den Aposteln sind etwas energischer, Johannes,
Petrus, Paulus, die andere sind nur durch ihre Attribute zu
unterscheiden, aber doch können eben Alle nur als Boten eines
Anderen, nicht selbstständig dargestellt werden.

Und die Nationen sind sich selbst entfremdet; durch die Kirche
ist ihnen ein Fremdes gegeben; die Inspirationen haben eben
dadurch einen anderen Charakter als die der alten Welt. Michel
Angelo, der sie am großartigsten gehabt, hat sie doch nicht zu Eige-
nem, Nationalem erhoben; in St. Pietro in Vincoli, am Grabe
Julius H., steht sein erhabenster Gedanke, sein Moses; kolossal,
erschütternd, aber der Nationalität fremd und dem Christen-
thum auch.

Was hat denn nun die moderne Welt geleistet, um Ersatz
dafür zu bieten? Es wird vor allen Dingen nur das geleistet,
wonach ein Volk sich sehnt, woran es Theil nimmt. Als Zenxis
für Kroton die Helene erschuf, bat er den Magistrat um 5 der
schönsten Frauen der Stadt zum Modell, und erhielt sie; wie
würde jetzt solch Ansuchen ausgenommen werden?

Das Göttliche ist uns aus dem Leben abhanden gekommen;
nun soll der Mensch der Kulminationspunkt sein, die Persönlich-
keit. Das ist das Thema der modernen Bildhauerkunst. Da-
her ist die Hauptaufgabe neuerer Zeit die monumentale, die
Verherrlichung der einzelnen Person. Wir aber suchen darin
nicht das Schöne als solches darznstellen, sondern nur den Men-
schen in möglichster Naturtrene, selbst bis auf den bestimmten,
unschönen Anzug.

Können wir nun die Schönheit nicht wieder unter uns er-
scheinen lassen? Dazu müssen wir vor Allem die schaale Sinnlich-
keit abthun, und uns mit Bewußtsein als freie Bürger eines
freien Staates fühlen („auf freiem Grund mit freiem Volk zu
stehn" —) dann erst kann das „ewig Weibliche uns hinanziehn."
Deutschland muß sich erst regeneriren, ehe es wahre Kunst be-
sitzen kann; und Preußen muß ihm vorangehen; jetzt hat Deutsch-
land keinen dauernden Gedanken; es fehlt ihm noch der Bild-
ner, der diesen Gedanken, die Einheit, schafft. Und darauf hin
zielt Göthe im Schluß des Faust, er, der ein viel wahrhafterer
Deutscher war als der Kosmopolit Schiller. Die einzige Auf-
gabe, die wir je hatten als eine nationale für die Kunst, die
Madonna, ist durch die Skulptur nie so gelöst worden, wie durch
Raphael für die Malerei; die Zukunft wird andere Aufgaben
stellen, und möge dann ein Phidias einen Perikles finden, um
mit ihm durch das Schöne den Staat zu bilden und zur höch-
sten Blüthe zu erheben.

Kunst - Ausstellung

der Akademie der schönen Künste zu ROTTERDAM.

Kunst-Anzeige.

Die Direktion der Akademie der schönen Künste in Rotterdam ladet hiemit
die deutschen Künstler zur Beschickung der vom 6. Mai bis 3- Juni dauernden
grossen Kunstausstellung ein, unter folgenden Bedingungen:

1. Alle Kunstwerke müssen, wohlverpackt und franco vom 6. bis 28. April
,an die Kommission für die Ausstellung in dem grossen Saal der Gesellschaft
Harmonie zu Rotterdam“ (a la Commission pour l’Exposition, dans la grande Salle
de la Societe Harmonie ä Rotterdam) mit einem Begleitschreiben, welches den
Wohnort, Namen u. s. w. des Künstlers sowie den Preis des Werkes enthält, ver-
sehen eingesandt werden. Kopien und Werke verstorbener Künstler sind ausge-
schlossen.

2. Künstler ausserhalb Holland haben ihre Mandatare oder die Art und
Weise der Rücksendung zu bezeichnen. —

3. Für den Rücktransport übernimmt die Direktion die Kosten bis zur Grenze.

4. Am Schluss der Ausstellung soll eine Ausspielung von Werken stattfin-
den, welche auf der Ausstellung dazu angekauft werden.

Rotterdam, im Februar 1860. [14]

Die Direktion der Akademie der Schönen Künste:

P. v. d. Bussen van Eeeftingh (Präsident) — C. G. Schutze van Houten (Sekretär).

Um mehrfachen Nachfragen zu ge-
nügen, zeigt die Unterzeichnete Expedi-
tion hiermit ergebenst an, dass von frühe-
ren Kunstbeilagen des Journals noch
folgende Blätter zu den beigesetzten
Preisen zu haben sind:

1) „Mühle am Wasser“, Aquarell -
druck von Storch & Kramer nach einer
Aquarelle von Ch. Hoguet ä 20 Sgr.

2) „Kar! I. nimmt Abschied von sei-
nen Kindern“, Photographie nach
Prof. J. Schräder a 15 Sgr.

3) „Kinder am Bache“, Originalradi-
rung von Dir. Carl Frommei ä 10 Sgr.

Berlin, den 9. Februar 1860.

Die Expedition der „Dioskuren“

(Wilhelmsstrasse 25.)

Kommissions-Verlag der Nicolai'schen Verlags-Buchhandlung (G. Parthey) in Berlin. — Druck von G. Bernstein in Berlin,
 
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