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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 23.1908

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Muthesius, Hermann: Mein Haus in Nikolassee
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https://doi.org/10.11588/diglit.6701#0035

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nach der Rehwiese sind, wie schon erwähnt,
in ihrem wilden Zustande gelassen, doch sind
Kolonien von Waldblumen angesiedelt worden,
deren Blüte sich möglichst über das ganze
Jahr erstreckt. Dadurch ist versucht worden,
die Kosten zu beschränken, die auf einem
größeren mit Anlagen versehenen Grundstück
die Instandhaltung des Gartens verursacht.
Bekanntlich belastet in großstädtischen Vor-
orten mit ihren sehr teuren Arbeitslöhnen
die Unterhaltung eines solchen Gartens das
Wohnbudget oft aufs empfindlichste und be-
einträchtigt sogar nicht selten die Freude am
Garten und Wohnen im Eigenhause.

Die Haushaltungskosten in dem mit Garten
umgebenen Eigenhause in angemessenen
Grenzen zu halten, ist überhaupt eine der
wichtigsten Fragen, die für jeden, der sich
draußen ansiedeln will, zu erwägen sind.
Meistens wird zu groß gebaut. Die Ansprüche
an übertrieben große und hohe Räume, die in
der Großstadt-Etage aufgezogen worden bind,
auf das Eigenhaus zu übertragen, bedeutet meist

eine Multiplikation des Haushaltsetats, denn das
Eigenhaus setzt den Haushaltungsplan durch
eine Reihe unvermuteter Nebenausgaben auf
eine ganz neue Grundlage. Wer sich nicht
bewußt ist, daß die einfache Freude an der
Natur sehr viel von dem ersetzt, was den
Lebensansprüchen des Großstädters als uner-
läßlich gilt, der sollte es überhaupt nicht
unternehmen, im Landhause zu wohnen. Der
tägliche Besuch von Theatern und Konzerten,
die heute üblichen Diners und Gesellschaften
sind nicht mehr in gleichem Umfange auf-
recht zu erhalten als in der Stadt. Die Ge-
selligkeit nimmt eine Form an, die mehr
dem ländlichen Charakter angepaßt ist und
die Freude an der Natur in den Vorder-
grund stellt. Wer für diese Freude, die nie
verblaßt und die uns täglich mit neuem
Zauber umgibt, das richtige Verständnis hat,
für den wird der Gedanke unmöglich sein,
daß er jemals wieder sich dem Landleben
entfremden und aus seinem Hause in die
städtische Mietwohnung zurückkehren könne.

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