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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 23.1908

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Lux, Josef August: Kunstschau Wien - 1908
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https://doi.org/10.11588/diglit.6701#0068

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Wagners Kirche am Steinhof beweisen. Auch
Forstner hat sich in der Zeichnung und in
der Materialbehandlung streng diszipliniert und
wird jede Aufgabe künstlerisch befriedigend
lösen. Im Material zu denken, ist die höchste
Zucht einer Kunst, die auf Stil gerichtet ist.
Das wird als der Vorzug der Wiener Schule
gelten müssen. Auf Papier und Leinwand
haben wir die Freiheit, jeden Einfall zu ver-
körpern. Im Material jedoch und der ge-
werblichen Arbeit gegenüber, ist die Verant-
wortung ungeheuer, und jede Vergewaltigung
ist hier ein Unfug, zum Schaden unersetzlicher
Materialgüter und menschlicher Arbeitskraft,
die nach einem kunstökonomischen Grundsatz
nur zum Besten verwendet werden sollen.

Diesen kunstökonomischen Grundsatz ver-
körpert am besten die »Wiener Werkstätte«.
Bestes Material, die besten Arbeitskräfte und
der beste Entwurf, sollen in den Werken ver-
einigt sein. Wertvolle Handwerkstechniken,
wie die Gold- und Silberschmiedekunst, die
Buchbindekunst, die Handvergoldung, sie
wurden aus der Verwahrlosung und Vergessen-
heit wieder zu neuen Werten erhoben, durch
den künstlerischen Gedanken, der sich eng
an das Wesen der Technik anschließt. Der
Silberschrank von Czeschka, durchaus ge-
triebene Arbeit, mit gefaßter Perlschale, Elfen-
beinschnitzerei und Email ist ein Kunstwerk
ersten Ranges. Auch der sehr gewandte und
begabte O. Prutscher hat einen Zierschrank
entworfen, der mit reicher Ledervergoldung
in der Buchbinderei der Wiener Werkstätte
von den phänomenal geschickten Händen des

Vergolders Ludwig Willner vollendet wurde.
Der prächtige Schrank ist allerdings durch die
koloristische Wirkung des Prutscher'schen
Marmorsaales, darin er steht, in der Wirkung
einigermaßen beeinträchtigt, umsomehr, als die
vorzüglichen Glasfenster Geylings mit den sehr
interessanten Materialanwendungen die Auf-
merksamkeit des Eintretenden ganz in Beschlag
legen. Der feine Takt, der Wirkungen voraus-
sieht, und durch künstlerische Ökonomie die
Mittel steigert, ist unerläßlich. Prutscher wird
die Erfahrung zu nutzen verstehen, und er
wird diesen Takt haben.

Das eigentliche Problem liegt aber nicht
in den Handwerkstechniken, sondern in der
Industrie. Der Künstler soll auch mit der
Maschine denken. In der zur Gänze in-
dustrialisierten Möbelfabrikation ist es am
deutlichsten der Fall. Die Firma Jakob und
Joseph Kohn bringt namentlich Ideen von
Joseph Hoffmann, Möbel aus gebogenem Holz
in den Handel, die den höchsten Anforde-
rungen des guten Geschmackes und der Ele-
ganz gerecht werden. Auch die Prag-Rud-
niker-KorbWarenfabrikation tut das Äußerste,
ihre Erzeugnisse auf der Höhe des guten
Geschmackes zu halten. Der tüchtige junge
Architekt Ad. Holub arbeitet für diese Firma
unausgesetzt an der Erneuerung und Ver-
besserung der Modelle. Wie mit den ein-
fachsten Mitteln ein Raum zu einem Farben-
poem umgedichtet werden kann, dafür liefert
er in der »Kunstschau« ein entzückendes Bei-
spiel. Ein anderer junger Architekt, Karl
Witzmann, ebenfalls schon weiterhin bekannt,

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